Ein »Bekennender«

geschrieben von Werner Dietrich

14. März 2014

Heftreihe der VVN-BdA Sachsen-Anhalt zur Geschichte

 

In der Reihe, »Hallesche Hefte des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945« sind seit 2001 sieben – kürzere und längere – Arbeiten erschienen. In Ausgabe 1 (2001) hat Günther Pape den anhaltenden »Skandal um den Ehrenfriedhof der Opfer des NS-Regimes in Blankenburg/Harz« dokumentiert. Den Hintergrund dafür bildete die Umwandlung eines von US-amerikanischen Truppen 1945 im Harzstädtchen eingerichteten Ehrenfriedhofs für Opfer des NS-Regimes im Jahre 1999 zu einer Gedenkstätte aller Opfer von Gewalt, obgleich hier ausschließlich von den Nazis ermordete Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge bestattet wurden. Daran anknüpfend wandte sich Günther Pape in Heft 3 (2002) den »Konzentrations- und Zwangsarbeitslager in Blankenburg/Harz« in einer umfassenden Übersicht zu.

Werner Dietrich: Walter Gabriel – Lebenslinien eines Bekenntnispfarrers (Wider das Vergessen – Hallesche Hefte des Widerstands und der Verfolgung, Nr. 7), Halle (Saale) 2012, 152 S.

Werner Dietrich: Walter Gabriel – Lebenslinien eines Bekenntnispfarrers (Wider das Vergessen – Hallesche Hefte des Widerstands und der Verfolgung, Nr. 7), Halle (Saale) 2012, 152 S.

Im Heft 2 (2001) beschrieb Artur Schellbach ausgewählte Orte der »Zwangsarbeit in der preußischen Provinz Sachsen und in Anhalt zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft«. Dazu zählen die Strafanstalten in Halle und Coswig, die KZ-Außenlager in Langenstein-Zwieberge, Rehmsdorf, Uftrungen und Wolfen sowie das sogenannte Arbeiterziehungslager in Zöschen. In letzterem kam der Vater des Autors, ein kommunistischer Funktionär aus Weißenfels, zu Tode. Daran anknüpfend zeichnete sein Sohn in Heft 4 (2004) der Reihe »Arthur Friedrich Schellbach. Ein Lebensbild« Lebensstationen seines Vaters nach.

Die Hefte 5 bis 7 wurden vom Autor dieses Beitrags verfasst. Er schreibt in seinen Arbeiten über mitteldeutsche Widerständler und Naziopfer, wobei diese in das gesamtgesellschaftliche Geschehen auf lokaler, regionaler und zentraler Ebene eingeordnet werden. So behandelt Heft 5 (2005) »Widerstand und Verfolgung in Zeitz 1933-1945« mit Dr. Rudolf Agricola, Richard Dietrich, Dr. med. Gustav Flörsheim und Walter Retterath vier Akteure sozialdemokratischer, jüdischer und kommunistischer Provenienz. Internationale Vorgänge kommen in Heft 6 (2006) zur Sprache, da diese Studie unter dem Titel »Max Dankner – Biographische Skizze eines kämpferischen Antifaschisten« einen verdienstvollen Kämpfer im reichsdeutschen Untergrund, dem tschechoslowakischen Exil, dem spanischen Bürgerkrieg und der französischen Résistance porträtiert. Schließlich folgt mit dem aktuellen Heft 7 (2012) »Walter Gabriel – Lebenslinien eines Bekenntnispfarrers« das umfangreiche Porträt eines Aktivisten der christlichen Opposition im sogenannten Dritten Reich.

In der Kirchenfrage im Widerspruch zum totalitären Machtanspruch des NS-Regimes stehend, gehörte Pfarrer Gabriel zu jener Minderheit der evangelischen Gläubigen und Würdenträger, die sich als Widerpart gegenüber den NS-freundlichen Deutschen Christen in der Bekennenden Kirche (BK) sammelten. Als deren Protagonist trug er maßgeblich dazu bei, dass sich die von ihm seelsorglich betreute Gemeinde – die Neumarktgemeinde von Halle (heute St. Laurentius) – zu einer der wenigen Hochburgen der BK im Stadtgebiet entwickelte. Zudem engagierte er sich stark in den Leitungsgremien der BK in der Kirchenprovinz Sachsen und war Teilnehmer zahlreicher lokaler und zentraler Bekenntnissynoden der Kirchenopposition, wie etwa der wegweisenden Synode von Wuppertal-Barmen im Mai 1934.

Wegen seines kirchenoppositionellen Engagements gelangte der Pfarrer schon frühzeitig ins Visier der Geheimen Staatspolizei. Nach Stigmatisierung und vielfältigen Repressalien (zahlreiche Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen) ließ ihn die Gestapo im Februar 1941 ins Konzentrationslager Dachau deportieren. Hier musste er bis Weihnachten 1943 die Hölle im Modell-Lager des KZ-Systems der SS erleiden. Danach stand er unter theologischem Berufsverbot und diente bis Kriegsende als Sanitätssoldat.

Gabriels nach der Befreiung von der NS-Diktatur erfolgte Anerkennung als Opfer des Faschismus, beziehungsweise Verfolgter des Naziregimes, war nur zu berechtigt. Er engagierte sich als Aktivist beim Aufbau der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in der Provinz Sachsen und der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, allerdings verließ er den Verband später wieder. Gleichwohl blieb er bis zum Lebensende ein durch die entsprechenden staatlichen und gesellschaftlichen Stellen der DDR betreuter VdN-Kamerad.

Die aus heutiger Sicht problematischen Seiten in Gabriels Lebensweg sind nicht ausgeklammert. Insbesondere betrifft dies eine bis weit in die NS-Diktatur vom nationalen Mythos bestimmte Haltung zu den beiden Weltkriegen oder ebenso lange vertretene antisemitische Ansichten. Solche Positionen kennzeichneten seinerzeit einen Großteil der Würdenträger in der Kirchenopposition.