Editorial

geschrieben von Regina Girod

24. März 2014

Die Totalitarismusdoktrin ist keine wissenschaftliche Theorie, sondern ein politisches Konzept zur Deutung der Geschichte aus der Sicht der heute Herrschenden. Dieser Schluss drängte sich den Teilnehmern der internationalen wissenschaftlichen Konferenz zum Thema »Gab es einen Stalin-Hitler-Pakt« am 21. Und 22. Januar in Berlin geradezu auf, als Historiker aus Deutschland, Russland, Polen, Kanada, Großbritannien und Frankreich die Vorgänge am Vorabend des Zweiten Weltkrieges analysierten. Wir berichten von dieser spannenden Veranstaltung, die von der VVN-BdA mit getragen wurde, auf den Seiten 8 und 9.

Wohin es führt, wenn die Totalitarismusthese zur Staatsdoktrin wird, zeigt das Beispiel der Baltischen Staaten. Am 16. März wird in Lettland zum wiederholten Mal der lettischen SS-Freiwilligendivision gedacht (siehe unser Kommentar auf Seite 4). Der Marsch der SS-Veteranen und ihrer Anhänger durch das Zentrum von Riga erregt unterdessen weltweit Empörung. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine und weil der Marsch an eine Schlacht gegen die Rote Armee erinnert, die sich zum 70. Mal jährt, ist in diesem Jahr mit einer besonders großen Beteiligung zu rechnen. Die VVN-BdA wird sich erstmals an den Gegenaktionen der lettischen Antifaschisten beteiligen und mit einem Bus von Berlin nach Riga fahren. Informationen dazu gibt es bei der Bundesgeschäftsstelle.

Da der 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges schon seit Wochen erhebliches mediales Interesse hervorruft, haben wir uns entschieden, ein Thema aufzugreifen, dass in Deutschland vermutlich keine Beachtung finden wird, nämlich die Tatsache, dass der italienische Faschismus unmittelbar aus dem Ersten Weltkrieg hervorging und einige seiner Erscheinungsformen den deutschen Nazis als eine Art Kopiervorlage dienten. Thomas Willms zeichnet diese Entwicklung in unserem »Spezial« nach und bezieht in seine Darstellung auch neueste englischsprachige Publikationen ein.