Akif Pirinçci von Sinnen
13. Mai 2014
Was sagt der Verkaufserfolg eines solchen Buches über unsere Gesellschaft?
Akif Pirinçci hat ein Buch geschrieben, das sich in kurzer Zeit zu einem Verkaufsschlager entwickelt. Über Wochen steht »Deutschland von Sinnen« bereits auf den Bestsellerlisten von Spiegel und Amazon. Pirinçci, bekannt durch seinen 1989 veröffentlichten Katzenkrimi »Felidae«, ist 1969, als zehnjähriger Junge, zusammen mit seinen Eltern aus Istanbul eingewandert.
In seinem Buch behauptet er, dass sich in Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre eine systematische Gesellschaftszerstörung durch die Grünen im Schulterschluss mit linkslastigen Medien entfaltet und meint damit nicht nur die Mitglieder der Partei, sondern alle, die sich für eine menschlichere Welt einsetzen. Pirinçci sieht in allen Bereichen den Untergang der westlichen Welt heraufziehen. Mit dieser Ansicht steht er nicht allein. Von Thilo Sarrazin bis Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur der Zeitschrift »Compact«, finden sich ähnliche Aussagen. Doch Pirinçci geht einen Schritt weiter. Seitenweise beschimpft und diffamiert er Menschen links von der CDU/CSU. Ein Beispiel soll genügen: »Da die essentiellen Bedürfnisse der Menschen zu jener Zeit (Mitte der achtziger Jahre J.K.) schon befriedigt und Frieden und bescheidener Wohlstand selbstverständlich geworden waren, machten sich Dummschwätzer und Versager, die schlau und wichtig taten und normalerweise richtig hätten arbeiten müssen daran, die Verhältnisse umzukehren (…)« Außerdem hetzt er gegen Schwule und Lesben. Diese Beleidigungen sind so diffamierend, dass ich auf ein Zitat verzichte. Sogar die konservative Monatszeitschrift »Cicero« kritisiert in einem Artikel – der Pirinçci in Schutz nimmt – die unflätige Grundhaltung seines Buches. »Kaum eine der 276 Seiten kommt ohne ›Hurensöhne, ficken, Pimmel, Schwanz, Schwuchtel, knallen, lecken, Lesbentittengesauge‹ aus, um ›den irren Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer‹ unter den verbalen Schlaghammer zu nehmen.«
Pirinçci hat sich bereits 2012 der sogenannten Gesellschaftskritik zugewandt. Seitdem veröffentlichte er immer wieder in dem antiislamischen Blog »Die Achse des Guten« von Hendrik M. Broder und in der der neurechten Zeitschrift »eigentümlich und frei«. Die Betreiber des Blogs haben sich von Pirinçci distanziert, nachdem sein Beitrag »Das Schlachten hat begonnen« für Aufsehen und Proteste gesorgt hat. In diesem Artikel behauptete Pirinçci, dass ein Genozid am deutschen Volk begonnen habe. In seinem Buch widmet er der Auseinandersetzung um den Artikel ein ganzes Kapitel. Er entwickelt geradezu eine Verschwörungstheorie um seine These, die in dem Satz gipfelt: »Die Zahl der solcherlei Weise ermordeter Deutschen wird von offiziellen Stellen bewusst geheim gehalten, es ist aber wohl nicht übertrieben, wenn man taxiert, das es sich um die Opferzahl eines veritablen Bürgerkriegs handelt.« Er fordert, dass die Deutschen diesen »Bürgerkrieg« aufnehmen sollen. »Es leben inzwischen zu viele Muslime in diesem Land, als dass man sich ihres nicht zivilisierbaren Anteils problemlos entledigen könnte, ohne einen Bürgerkrieg, wenn nicht sogar einen richtigen Krieg zu riskieren. Zudem sind die autochthonen Jungmänner durch die jahrelange feministische-pazifistische Gehirnwäsche so verweichlicht, dass sich nicht einmal bei der Polizei und der Bundeswehr auch nur tausend Mann für die kriegerische Abwehr finden würde.« Er ruft außerdem indirekt zur Selbstjustiz auf. »Der Nachbarsjunge ist von Ausländern erschlagen worden? Ja, schade um ihn, da soll sich der Staat drum kümmern. Was habe ich damit zu tun? Nachher denkt man, ich bin ausländerfeindlich.« Mit solchen Äußerungen erweckt Pirinçci den Eindruck, als ob Deutschland einen Schritt vor dem Abgrund steht und nur noch durch bewaffnete Milizen, die Jagd auf Muslime und Linke machen, gerettet werden kann.
Die Reaktionen auf diese Hasstiraden von Akif Pirinçci könnten unterschiedlicher nicht sein. Alle wichtigen Zeitungen und Zeitschriften verreißen das Buch. Alle rechten, konservativen Medien loben das Buch. Zeitungen, die sich kritisch mit dem in Buchseiten gepressten Hass auseinandersetzen, werden mit wütenden E-Mails überhäuft.
Obwohl das Buch überflüssig ist wie kaum etwas anderes, ist es wichtig, sich mit dem Phänomen auseinandersetzen, was es über unsere Gesellschaft sagt, dass innerhalb weniger Wochen hunderttausende Exemplare verkauft worden sind.
Auf der Rückseite des Buches wird Pirinçci mit den Worten zitiert: »Mit Verlaub, es ist mir völlig egal, ob man mich einen Nazi schimpft oder eine Klobürste!« Ein Nazi ist er wohl nicht, aber auch keine Klobürste, denn mit der kann man ja braune Spuren wegschrubben. Pirinçci ist eher mit dafür verantwortlich, dass in Deutschland noch mehr Klobürsten benötigt werden.