Die Informationen ignoriert

geschrieben von Günter Wehner

9. Juli 2014

Auf den Spuren der lange vergessenen Widerstandskämpferin Ilse Stöbe

 

Der Titel ist ein Signal, das bisher weitgehend verschwiegene antifaschistische Wirken von Ilse Stöbe im Auswärtigen Amt des NS-Regimes in der Berliner Wilhelmstraße zu würdigen. Ihr Name fehlt bis heute auf der Ehrentafel der Widerstehenden. Diesem Anliegen dient auch das umfangreiche Vorwort von Johanna Bussemer und Wolfgang Gehrke »70 Jahre verschwiegen«.

Hans Coppi/Sabine Kebir Ilse Stöbe: Wieder im Amt Eine Widerstandskämpferin in der Wilhelmstraße Mit einem Vorwort von Johanna Bussemer und Wolfgang Gehrke VSA Verlag Hamburg 2013, 213 Seiten, 16.80 Euro

Hans Coppi/Sabine Kebir
Ilse Stöbe: Wieder im Amt
Eine Widerstandskämpferin in der Wilhelmstraße
Mit einem Vorwort von Johanna Bussemer und Wolfgang Gehrke
VSA Verlag Hamburg 2013, 213 Seiten, 16.80 Euro

Hans Coppi zeichnet, gestützt auf alle ihm erreichbaren Quellen und bereits vorliegenden Publikationen, in seiner biografischen Skizze zu Ilse Stöbe ein außerordentlich lebendiges Bild der Antifaschistin nach. Einfühlsam schildert er den nicht einfachen Lebensweg der in Berlin-Lichtenberg Geborenen, die sich durch intensive Arbeit und Weiterbildung zu einer hoch qualifizierten Auslandskorrespondentin entwickelte.

Umfassend beschreibt der Autor den Weg der Antifaschistin Ilse Stöbe zur Kundschafterin für die Sowjetunion, die wichtige Informationen über die Aggressionsabsichten des NS-Regimes zusammentrug und nach Moskau übermittelte. Der Leser erfährt, dass die präzisen Fakten zum Überfall auf die Sowjetunion von Stalin bewusst ignoriert wurden.

Hans Coppi vermittelt die verzweifelte Suche nach der verloren Spur der wichtigen Quelle Ilse Stöbe mit dem Decknamen »Alta«. Er beschreibt wie dilettantisch die sowjetische Abwehr dabei vorging. Unerfahrene und mangelhaft ausgebildete Abwehroffiziere suchten in Berlin nach der Kundschafterin. Durch ihre unverzeihlichen Fehler geraten die gut getarnten und bisher nicht erkannten Widerstandskämpfer Ilse Stöbe und Rudolf von Scheliha im Herbst 1942 in die Hände der Gestapo. Beide werden nach unmenschlichen Verhören zum Tode verurteilt und am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Das beharrliche Schweigen von Ilse Stöbe bei den Verhören konnte das Leben von Mitstreitern der Kundschafter, wie z. B. von Gerhard Kegel, retten.

Hans Coppi berichtet, das die Familie Stöbe vom NS-Regime ausgelöscht wurde. Dieser Fakt und das bewusste Verschweigen ihrer ignorierten Informationen sowie die Tatsache ihrer sicher ungewollten Auslieferung an die Gestapo durch die Moskauer Regierung, führten zum Vergessen der Antifaschistin.

Sabine Kebir geht unter der Überschrift »Verwischte Spuren der Widerstandskämpferin Ilse Stöbe« der unterschiedlichen Rezeption in Ost und West nach. Sie bewertet die Publikationen der unterschiedlichen Autoren und benennt neue Forschungsergebnisse.

Trotz exakter Recherchen widerspricht Sabine Kebir ihren eigenen Aussagen sowie den Darstellungen von H. Coppi, dass Ilse Stöbe in der DDR bis Ende der 1960er Jahre keine Beachtung mehr fand.

Ferner möchte der Rezensent darauf hinweisen, dass die Publikation von Gerhard Kegel »In den Stürmen unseres Jahrhunderts« nicht 1984 erschienen ist, sondern 1983. Gerhard Kegel war auch nicht Mitglied des ZK der SED, aber einige Jahre Mitarbeiter im Apparat des ZK.

Trotz dieser kritischen Hinweise ist das Buch der beiden Autoren eine verdienstvolle Leistung, die hoffentlich die unbedingt notwendige Ehrung von Ilse Stöbe beschleunigen wird.