Die Erinnerung verteidigen

geschrieben von Kamil Majchrzak

15. September 2014

Ada Zuravska kämpfte in der 1. Polnischen Armee gegen die Faschisten

Ada Żurawska wurde 1923 im ostpolnischen Kąkulówka bei Rzeszów als sechstes von sieben Geschwistern geboren. Ihre Eltern lebten von der Landwirtschaft, starben jedoch früh, noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Am 17. September 1939 besetzten die Sowjets Ostpolen, es begann die »Ent-Kulakisierung«. Die ganze Familie wurde enteignet. Wie viele andere der in drei Deportationswellen nach Sibirien verschleppten 320.000 bis 800.000 Polen musste die damals 16-Jährige Ada Zwangsarbeit leisten. Sie arbeitete zunächst in einer Kupfermine. Als am 22. Juni 1941 der deutsch-sowjetische Krieg ausbrach, hofften die Polen in den Lagern, dass ­dies ihr Schicksal ändern würde. Am 30. Juli 1941 wurde zwischen dem sowjetischen Botschafter Iwan Majski und dem polnischen Premierminister in London, Władysław Sikorski, ein Abkommen geschlossen, in dessen Folge die verschleppten Polen amnestiert wurden. Bereits am 14. August erging ein Dekret zur Formierung der Polnischen Streitkräfte in der Sowjetunion. »Mein Schwager meldete sich im November 1941 als Freiwilliger zur Armee von General Władysław Anders und kämpfte später bei der Schlacht am Monte Cassino.« Nach der Amnestie ging Żurawska ohne ihre Schwestern Richtung Süden in die Tscheljabinsker Oblast und arbeitet dort in einer Kolchose.

Foto: Andreas Domma

Foto: Andreas Domma

Im April 1943 rief ihr ein älterer Arbeiter, der für Post zuständig war: »Ich habe Dir eine polnische Zeitung gebracht!«. Sie war überglücklich, als sie einen Artikel der polnischen Kommunistin Wanda Wasilewska, der Vorsitzenden des Bundes der Polnischen Patrioten (ZPP) in der UdSSR über die Formierung der 1. Tadeusz Kościuszko-Division in Sielce am Fluss Oka lass. Diese war später als einzige polnische Division neben der Roten Armee am Sturm auf Berlin beteiligt. Sie ließ sich mobilisieren und gelangte mit anderen jungen Frauen im Mai 1943 nach Sielce, wo sie dem Selbständigen Frauen-Bataillon »Emilia Plater« der 1. Polnischen Armee zugewiesen wurde.

Ende September 1943 schloss Żurawska eine Unteroffiziersausbildung ab und wurde anschließend auf die Offiziersschule in Rjasan geschickt. Sie wurde Kompaniechefin der Schützen des legendären Frauen-Bataillons. Ihre Kameradinnen wurden Zug- und Kompanieführer rein männlicher Einheiten. Danach begannen die Kämpfe im Smolensker Land sowie in der Ukraine.

Nach dem Krieg studierte Ada Zurawska in Krakau Jura und arbeitete als Staatsanwältin. Obwohl sie sich sofort nach dem Krieg auch frauenpolitisch engagierte, nahm sie erst Anfang der 1970er Jahre den Kontakt zu ehemaligen Kameradinnen auf. Beim ZBoWiD, der heutigen Kombattanten-Vereinigung ZKRP i BWP gründete sie die Gruppe der Kombattantinnen der 1. und 2. Polnischen Armee, welche die Interessen der Soldatinnen vertreten sollte und die Erinnerung an ihren antifaschistischen Kampf bewahrt. Wie wichtig diese erinnerungspolitische Arbeit werden sollte, erlebten die Soldatinnen in den 1990er Jahren. Die Beschimpfungen und Attacken auf die Frauen, die an der Ostfront ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, waren unsäglich. 1993 gelang es Żurawska, eine Erinnerungstafel in der Warschauer Feld-Kathedrale der Polnischen Streitkräfte zu Ehren der Emilia-Plater-Frauen anzubringen. Zehn Jahre dauerte der Kampf gegen die rechtskonservative Stadtverwaltung in Warschau, damit endlich auch eine Straße in Warschau den Namen der Plater-Kämpferinnen tragen durfte. Die Stadtoberen des Stadtteils Praga Süd weigerten sich und behaupteten, dass die Plater-Frauen nicht als Befreierinnen, sondern als Besatzerinnen aus Russ­land nach Warschau kamen.

Nach einem sechs Jahre dauernden Prozess wegen Verleumdung der Plater-Frauen gelang es der mutigen und rüstigen Żurawska, den antisemitischen und rechtsextremen Schreiberling Henryk Piecuch gerichtlich zum Schweigen zu bringen. Dank des Engagements von Ada Żurawska wurde auch die Kontaktaufnahme und der Beginn eines Versöhnungsprozesses mit ehemaligen Partisaninnen der Heimatarmee (AK) möglich. Gemeinsam mit der Fallschirmspringerin der AK, Elżbieta Zawadzka von der Stiftung »Archiv und Museum der Pommerschen AK« in Toruń, bemühte sich Żurawska um die Vereinigung aller kämpfenden Frauen. In diesem Rahmen wurden mehrere Geschichts-Symposien organisiert, Publikationen vorbereitet und umfangreiche Zeitzeugen-Erinnerungen von mittlerweile 2000 Kämpferinnen gesammelt. Ein Prozess der aufgrund der russophoben Geschichtspolitik gesellschaftlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Gemeinsam mit Hania Szelewicz setzt sie sich seit Jahren auch für die sozialen Belange der Soldatinnen ein.

Die ehemalige Kompaniechefin des Frauen-Bataillons »Emilia Plater« lebt heute in Krakau. Erst im April 2014 nahm sie im Jewish Comunity Centre in Krakau gemeinsam mit Hania Szelewicz von der 2. Division der 1. Polnischen Armee, die auch an der Befreiung des KZ Sachsenhausen beteiligt war, an einem Zeitzeugengespräch für deutsche Antifaschisten teil, die zuvor die Gedenkstätte Auschwitz besucht hatten.