Jetzt gibt es zwei Probleme
13. November 2014
Die AfD und ihr Personal nach den Landtagswahlen 2014
Die Landtagswahlen von Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben aus antifaschistischer Sicht fast das schlechtest denkbare Ergebnis gebracht. Statt einem Problem, nämlich eine bis in die Landtage vordringende neo-nationalsozialistische NPD, gibt es jetzt gleich zwei. Zusätzlich zur NPD hat sich mit 10% und mehr die AfD als eine weitere rechts von der CDU stehende Partei etabliert. Das Parteiensystem hat sich mit dem Kollaps der FDP verändert, »Rechts wählen« ist möglich geworden. Was aus diesem einmal mobilisierten Potential in einigen Jahren werden wird, weiß niemand.
Die vom Umfrageinstitut Infratest veröffentlichten Wählerwanderungen zeigen, dass nur das Wählerreservoir der Grünen einigermaßen immun gegen die AfD ist. Alle anderen Parteien erlitten deutliche Verluste. Bei den Verlusten lagen in Sachsen die »anderen Parteien« (39.000) und die CDU an der Spitze (33.000), gefolgt von der FDP (18.000) der Linken (15.000) und der SPD (8.000). Die NPD verlor bei der Sachsen-Wahl relevant an die Nichtwähler und die AfD (13.000), gewann aber außer bei der SPD gegenüber allen anderen Parteien. Im Ergebnis scheiterte sie mit 4,95 % oder 809 Stimmen denkbar knapp an der 5%-Hürde. Ist die Differenz zur 5%-Marke auch so gering, dass man von Zufall sprechen kann, sind die Ergebnisse in praktischer Hinsicht trotzdem erheblich. Der Verlust an (bezahlten) Abgeordneten und hauptamtlichen Mitarbeitern trifft die NPD schwer.
Hingegen hat die AfD 36 Landtagsmandate errungen, was zusammen mit den Mitarbeitern ca. 80 hauptamtliche rechtsgerichtete Politiker mehr bedeutet. Finanziell profitiert die AfD von den drei Wahlen mit geschätzten 4 Millionen EURO jährlich, direkt durch Wahlkampfkostenerstattung und indirekt durch die Gelder für die Parlamentsarbeit.
Das Bestreben der AfD-Führung eine »kompetent« wirkende Mannschaft zusammen zu bringen, zeigt sich bei den Berufen der Gewählten, bei denen Juristen, Unternehmer, Unternehmensberater, Manager und ähnliche dominieren. Von den 36 Gewählten sind nur 9 Frauen. Weniger erfolgreich war die AfD darin, ihre Ränge auch politisch »sauber« zu halten. In allen Fraktionen sind Mitglieder vertreten, die bereits Funktionen in anderen rechten Gruppierungen, insbesondere in »Die Freiheit« und der »Pro-Bewegung«, innehatten.
Alle drei Landesverbände gelten im AfD-Jargon als »patriotisch-konservativ«, d.h. in ihnen haben aus der FDP stammende nationalliberale Kräfte wenig zu sagen.
Die Führungskräfte der drei neuen Fraktionen zeigen trotzdem die Bandbreite der AfD.In Sachsen steht die bekannte Chemikerin aber farblose Politikerin Frauke Petry an der Spitze. Wäre man gehässig, könnte man sagen, dass sie sich vielleicht besser mehr um ihr Unternehmen gekümmert hätte, das nämlich insolvent gegangen ist. Petry beschrieb ihre Partei explizit als »konservativ«, nach wie vor kein selbstverständlicher Begriff in der deutschen Politik-Landschaft. Damit meint sie z.B., dass auf Kindergeburtstagen eher deutsches Liedgut und nicht mehr so viel »Happy Birthday« gesungen werden sollte.
Ihr brandenburgischer Kollege Alexander Gauland hat mit dem Konservatismus-Stempel ebenfalls keine Probleme. Gauland ist im Gegensatz zu Petry ein erfahrener Berufspolitiker. Er ist Fleisch vom Fleische der CDU, der zuletzt als Leiter der hessischen Staatskanzlei (1987 – 1991) unter Walter Wallmann diente. Es folgte eine Karriere als Her-ausgeber der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« und als gefragter Kolumnist.
Im Spiegel konnte man lesen, Gauland habe vier der Gewählten wegen ihrer rechtsgerichteten Vergangenheit zum Mandatsverzicht gedrängt. Es folgte eine bizarre Affäre, in deren Ergebnis die Fraktion gleich um eine Person kleiner geworden ist. Der Verräter, der Sohn von Gaulands Freundin, die wiederum Redakteurin der Märkischen Allgemeinen ist, darf jetzt alleine sitzen. Immerhin dürfte das Gauland immer noch lieber sein, als mit dem potentiellen Nachrücker, einem offenkundigen Antisemiten, zusammensitzen zu müssen. Gauland, früher im Stiftungsrat des Jüdischen Museums in Berlin, kann man immerhin das abnehmen. Im Kern ist Gauland ein konservativer Außenpolitiker, der »Realpolitik« im »deutschen Interesse« machen möchte: lieber mit Russland als den USA, wenn immer nötig auch mit Waffengewalt.
Der undurchsichtigste Vertreter ist der thüringische Fraktionsvorsitzende Björn Höcke. Der Gymnasiallehrer tritt auf als »Anti-Politiker«, der es den Altparteien einmal zeigen möchte. Ausgerechnet dem ohne Zweifel neofaschistischen Magazin »Zuerst!« erklärte er in der Oktober-Ausgabe seine Vorhaben. Ein Dorn im Auge ist ihm besonders die »political correctness«. Seine Visitenkarte ziert der Spruch »Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau über unserem Land. Ich bin angetreten, um diese politische Korrektheit wegzuräumen.«
Was er unbedingt sagen möchte und nicht zu dürfen behauptet – »Zuerst!«-Leser wissen sicher Bescheid. Das angebliche Aussterben des »deutschen Volkes« zu verhindern ist ihm jedenfalls eine erkennbar starke Antriebskraft.