Der Weg zum Tanz der Toten

geschrieben von Ernst Antoni

4. Januar 2015

Erinnerung an Leben und Werk des Künstlers Felix Nussbaum

 

Das Schreiben an den damals 27jährigen Maler und Grafiker Felix Nussbaum war datiert vom 8. August 1932, Absender der »Preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung«: »Den gewünschten Studienaufenthalt in der Deutschen Akademie (Villa Massimo) in Rom bewillige ich ihnen als Studiengast vom 1. Oktober 1932 ab zunächst für 6 Monate. Ein Geldstipendium ist mit der Aufenthaltsbewilligung nicht verbunden, jedoch wird Atelier und freie Wohnung einschließlich Beleuchtung sowie Morgenfrühstück gewährt. Für Verpflegung müssen Sie selbst sorgen.«

Immerhin eine Anerkennung für das Schaffen eines jungen Künstlers, obwohl der, aus Osnabrück kommend, einige Monate zuvor in Berlin mit dem gegenüber damaligen Kunst- und Akademie-Autoritäten recht despektierlichen Gemälde »Der tolle Platz« für einen kleinen Wirbel gesorgt hatte. Dennoch nun, zwar nicht gleich als »Stipendiat«, wohl aber als »Studiengast«, die Einladung in die Villa Massimo. Zu den damaligen »Stipendiaten« gehörte übrigens auch der Bildhauer Arno Breker, der in den folgenden Jahren zu einer der Hauptfiguren im Nazipropaganda-Dekorationswesen werden sollte.

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Für Felix Nussbaum, einer jüdischen Kaufmannsfamilie entstammend, sollte nicht nur sein künstlerischer Lebensweg sehr rasch eine andere Richtung nehmen. Antisemitische Angriffe hatte es schon Anfang der 30er-Jahre an Berliner Hochschulen gegeben. Nicht zuletzt sah sich ihnen Max Liebermann ausgesetzt, den Nussbaum in seiner malerischen Autoritäten-Persiflage vom »tollen Platz« als weltentrückten Malerfürsten durchaus in sein ironisches Spektakel einbezieht. Dennoch ist es wohl gerade die liberale Ausbildungs-Atmosphäre in Berlin (neben Liebermann sind da etwa Käthe Kollwitz oder Karl Hofer, der für Nussbaum als Lehrer besonders wichtig wird), die das Schaffen des jungen Mannes beeinflusst.

Mit der Machtübernahme der Nazis mehren sich auch in der Villa Massimo antisemitische Attacken. Felix Nussbaum beschließt, mit seiner Malerkollegin, Freundin und späteren Frau Felka Platek im Exil zu bleiben: zuerst in Italien, dann in Frankreich und schließlich ab 1937 in Belgien, wo das Paar heiratet. Er malt anfangs in Brüssel Bilder in einem von ihm auf eigene Art weiter entwickelten, von Künstlern wie Girgio de Chirico und James Ensor beeinflussten, »magischen Realismus«.

Dabei versteht sich Nussbaum, wie schon in Berlin, durchaus auch als »politischer« Künstler. In Brüssel gibt es Kontakte zu einem »Sozialistischen Club«, zu seinem Berliner Kollegen- und Freundeskreis gehörte das kommunistische Künstlerpaar Dore und Walter Meyer-Vax, abgebildet in der Malergruppe vom »tollen Platz«, wie der Kunsthistoriker und Galerist Richard Hiepe 1986 nachwies.

»Akribische Zeugnisse von Kunst im Widerstand«, seien Felix Nussbaums Bilder, schreibt Reinhard Schweicher 2003 in den »Informationen des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933- 1945«. »Spätestens 1938, als er sich auf Einladung des emigrierten Kunstkritikers Paul Westheim mit der unter dem Titel ‚Freie Deutsche Kunst‘ gegen die Nazi-Schau ‚Entartete Kunst‘ aufgebotenen ersten Kollektivausstellung des ‚Freien Künstlerbundes‘ in Paris beteiligte«, könne man die Nussbaum-Werke so bezeichnen.

Mit dem deutschen Einmarsch in Belgien beginnt die Zeit der Verfolgung – und zunehmend entstehen jene Bilder, die seit der Wiederentdeckung des Werkes des lange verschollenen Künstlers in den 70er-/80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts die öffentliche Wahrnehmung prägen: Selbstbildnisse in verschiedenen Variationen (oft »mit Judenpass«), Bilder, in denen die Internierung im französischen Lager St. Cyprien thematisiert werden, die Flucht, das Untertauchen… Illegal wieder zurück in Brüssel, werden Felix und Felka nach einer Denunziation von der Wehrmacht verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort in den letzten Monaten des Jahres 1944 ermordet.

Das Bild »Triumph des Todes«, datiert 1944, Felix Nussbaums Variation der seit dem Mittelalter immer wieder gestalteten »Totentanz«-Motive ist das letzte überlieferte Gemälde aus dem Nachlass des Künstlers. Als Drehorgelmann hat er sich, das Gesicht bereits im Stadium der Verwesung, noch einmal selbst ins Bild gebracht. Zu Füßen der musizierenden Skelette versammelt sind diverse Zeugnisse der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte, die er einst so gerne allegorisch in viele seiner Werke hineinzitiert hat. In diesem Gemälde sind nun auch sie Opfer der Nazibarbarei geworden.