Mia und das Nazi-Netz
4. Januar 2015
Friedrich Anis neuer Krimi mit Bezug zu NSU und anderen
Es gibt in der Kriminalliteratur Autoren, die immer wieder aktuelle Geschichten in ihren Büchern verarbeiten. Zu ihnen gehört der 1959 geborene Friedrich Ani. Eine seiner Figuren ist Kommissar Tabor Süden. Der arbeitet bei seinen ersten Fällen als Polizist auf der Suche nach Vermissten. In einem Interview aus dem Jahr 2003 mit der Süddeutschen Zeitung sagte Ani dazu: »Ich fand es erstaunlich, dass vorher eigentlich kaum jemand über Vermisste geschrieben hat, merkwürdigerweise. Das war eigentlich immer mein Thema. Ich habe eine große Zuneigung zu Leuten, die verschwinden oder weggehen wollten.«
Doch das Schreiben von Krimis war Friedrich Ani, obwohl die Reihe um Tabor Süden erfolgreich war, zu wenig. Neben Hörspielen schrieb er immer wieder auch für das Fernsehen. Die Krimis haben ihn jetzt aber wieder eingeholt. In seinen neuen Reihen spielen ein ehemaliger Mönch, der jetzt bei der Kripo arbeitet und ein blinder Kommissar unter dem Namen »Seher« die Hauptrollen. Für seinen neuen Krimi »M« hat Friedrich Ani aber auch Tabor Süden wieder aktiviert. Der arbeitet inzwischen in einer Münchner Detektei und sucht nach wie vor nach verschwundenen Personen.
Eines Tages kommt eine gewisse Mia Bischof in die Detektei und bittet Tabor Süden, einen verschwundenen Freund zu suchen. Während dieser Suche und vor allem bei der Recherche nach den Lebensumständen des Vermissten stellt Süden fest, dass der gesuchte Siegfried Denning Kontakte zu Neonazikreisen in München hat. Denning arbeitet als Taxifahrer und ist immer wieder gebucht worden, wenn Nazis ein Taxi brauchten. Die jüngeren, militanten aus dem Umfeld des Freien Netzes Süd und der Kameradschaften brauchen zwar kein Taxi, dafür umso mehr die alten Herren der Burschenschaften und der NPD. Immer wieder wurde er zu einem Hotel in Starnberg gerufen, das Mias Vater, Lothar Geiger, gehört. In diesem Hotel treffen sich regelmäßig führende Personen der NPD um Feste zu feiern, oder geheime Treffen abzuhalten. Mit der Zeit wird klar, dass Mia fester Bestandteil dieses neonazistischen Netzes ist. Sie arbeitet als Journalistin im Lokalteil einer Tageszeitung und gilt als engagierte junge Frau, in der niemand eine überzeugte Nazianhängerin vermutet. Sie engagiert sich in einem Kinderhort, betreut manchmal die Kinder und singt mit ihnen alte Volkslieder. Sie ist es auch, die immer wieder neue Frauen mit Kindern für den Hort gewinnt. Niemandem fällt auf, dass alle Mütter und Kinder Deutsche sind. Mia hat einen Mädelring, eine Organisation für Neonazistinnen gegründet und den Kinderhort unterwandert. In einem Gespräch zwischen Mia und ihrem Vater, sagt der ihr, dass er sie irgendwann als Chefredakteurin der Deutschen Stimme und als Leiterin des dazugehörigen Verlags sieht. Den Einwand Mias, dass die nationalen Internetseiten, auch die der NPD, doch gut besucht werden, lässt er nicht gelten. Nach seiner Meinung kann die nationale Bewegung nur siegen, wenn sie eine auflagenstarke Zeitung an den Kiosken hat.
Früher war Mia mit Karl zusammen. Karl, Mitglied einer Münchner Kameradschaft und des Freien Netzes Süd, war nach dem gescheiterten Anschlag auf den Neubau einer Synagoge in München abgetaucht. Er hatte sich bei Kameraden im Osten versteckt. Der Verfassungsschutz vermutet ihn sogar im direkten Umfeld der Zwickauer, wie es im Buch heißt. Karl ist aber schon lange nicht mehr im Osten, sondern in einer konspirativen Wohnung in München, die ihm Mias Vater zur Verfügung gestellt hat. Nach wie vor ist er eine feste Größe in der Münchner Neonaziszene, obwohl er sich bei Versammlungen und Kundgebungen nicht sehen lässt.
»Seit fast zehn Jahren lebte Karl im Untergrund, Niemand, auch ihr Vater nicht, zweifelte daran, dass Karl, wäre der Anschlag auf die Synagoge damals geglückt, heute ein Held wäre und nicht, mehr oder weniger auf sich allein gestellt, wie ein Aussätziger durch Deutschland vagabundieren müsste. Zum Glück, wie Lothar Geiger vor den Kameraden immer wieder betonte, legten sich die Ermittlungsbehörden der herrschenden Polit-Kaste gegenseitig lahm, so dass Karl von dieser Seite wenig zu befürchten habe.«
Als Siegfried Denning sich verdächtig macht, die jungen und alten Kameraden auszuspionieren, lässt Karl ihn entführen. Am Ende sind viele Knoten entwirrt, es gibt eine Reihe Verhaftungen, doch an das Hotel am Starnberger See und seine Besucher geht die Polizei nicht heran. Es hätten sich keine Verbindungen zu den militanten Nazis ergeben.
Das Buch ist nicht nur für Fans von Krimis lesenswert, sondern auch für alle, die nicht unbedingt ein Sachbuch über neonazistische Strukturen lesen wollen. Friedrich Ani hat zwar einiges vereinfacht und wichtige Verbindungen weggelassen, wie die Unterstützertätigkeit von Blood & Honour, trotzdem ist ihm ein guter aktueller Krimi gelungen. Er wird im März als Taschenbuch erscheinen.