Völkische Bienen?

geschrieben von Thomas Willms

1. März 2015

Historisches und Ideologisches aus der Imkerei

 

Macht man es sich vor einem Bienenstock bequem, kann man über kurz oder lang beobachten wie eine alte und schwache Biene von ihren Geschwistern aus dem Stock gezerrt und ins Gras geworfen wird, wo sie oft noch eine Weile mit ihren Beinchen zappelt. Andere Bienen entsorgen sich gleich selbst, indem sie mit letzter Kraft über das Flugbrett kriechen und sich sterbend in den Abgrund stürzen.

Soviel Selbstlosigkeit im Dienste der Gemeinschaft verleitete die deutschen Imker den sozialen Organismus der Honigbiene mit der Bezeichnung »Staat« oder »Volk« zu adeln. Abgelöst wurde damit die noch Ende des 19. Jahrhunderts gängige Bezeichnung »der Bien«, die heute nur von ganz besonders Exzentrischen in der an stark akzentuierten Persönlichkeiten nicht armen Imkerschaft verwendet wird.

Foto: Imker-Einheitsglas mit Reichsadler. Das ist noch nicht lange her.

Foto: Imker-Einheitsglas mit Reichsadler. Das ist noch nicht lange her.

Die Abwehrhaltung gegen ausländische Konkurrenz brachte in den 1920er Jahren die Losung vom »echten deutschen Honig« und das »deutsche Honig-Einheitsglas« mit einschlägig deutschtümelnder Gestaltung hervor.

Die Entwicklung der Imkerei in der Zeit des Nazismus ist laut Auskunft des Deutschen Imkerbundes nicht erforscht. Klar ist, dass die Imkerei wie andere Bereiche gleichgeschaltet, und ein »Bundesführer Reichsgruppe Imker« eingesetzt wurde. Naheliegend ist die Frage nach der »Arisierung« des Besitzes jüdischer Imker. Das Vermögen eines Imkers steckt in seinen Bienen und ist nur im Verkehr mit anderen Imkern in Geld umsetzbar. Außerdem können Bienenvölker nicht einfach mitgenommen werden. Transportabel sind sie nur im Sommer und eigentlich auch nur von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Daraus resultiert eine hohe Erpressbarkeit, sollte ein Imker zur Auswanderung genötigt sein.

Zur gängigen ideologische Metapher für den totalen Staat brachte es das Bienenvolk nicht. Stattdessen kam es zur Verschärfung des Leistungsdenkens in der Imkerei. In Fr. Th. Ottos »Die Grundschule des Imkers« von 1938 heißt es z.B. im Vorwort, die Bienenwirtschaft solle »zum Nutzen unseres Volkes …das herausholen, was möglich ist.« Dazu gehörte, die heimische Bienenrasse (»dunkle Biene«) derart zu dezimieren, dass sie heute nur noch als gefährdete Nutztierrasse vorkommt.

Ein gewisser Härtekult (echter Imker ist man erst, wenn man so oft gestochen wurde, dass es nicht mehr weh tut) und eine Aufopferungsrhetorik (»Er lebte nur für die Bienen.« Zitat aus einem Imker-Nachruf) sind in der stark männlich geprägten Imkerei bis heute geläufig.

Während des Krieges wurde die Imkerei für genügend kriegswichtig gehalten, dass ihr der Rohstoff zur Wintereinfütterung– reiner Zucker – bis ganz zuletzt bereitgestellt wurde. Mit der Niederlage des Deutschen Reiches begann hingegen die dunkle Zeit, wenn es nach den Chroniken der Imkervereine geht. Ohne den vorher vermutlich aus Europa zusammengeraubten Zucker kam es zu einer Bienen-Apokalypse. Die Urangst jedes Imkers, dass das Bienenvolk den Winter nicht überlebt, wurde massenhaft wahr.

Doch damit nicht genug. Ein missglücktes Kreuzungsexperiment führte ungewollt zum Tiefpunkt des Bienen-Ansehens. Der Vormarsch der in Süd-amerika entstandenen und doch recht unangenehmen »Killer-Bienen« schreckte die Öffentlichkeit auf. Kinofilme wie »Terror aus den Wolken« und »Operation Todesstachel« von 1978 taten ihr übriges. Einen nachhaltigen Umschwung, auch bei den Imkervereinen, brachte erst das letzte Jahrzehnt. Heute werden schon vertrauensselige Grundschüler an die Bienenstöcke herangeführt und in die Geheimnisse des Insektenlebens eingeweiht. Insbesondere der erfolgreiche Dokumentarfilm »More than honey« inszenierte die Honigbiene als Globalisierungsopfer. Statt dem Waldsterben gilt die allgemeine Sorge nun dem »Bienensterben« und motiviert Scharen akademischer Hobby-Imkerinnen und Imker (inklusive des Autors) nun die Welt ein bisschen mit dem Stockmeißel retten zu wollen.

Knurrige Alt-Imker wissen manchmal nicht, ob sie sich über das unerwartete frische Blut freuen oder ärgern sollen.

Wen das alles überhaupt nicht interessiert, sind die Honigbienen selbst. Für sie ist der Mensch nichts weiter als ein Hindernis, das es zu umfliegen gilt. Es sei denn, sie halten ihn für ihren Todfeind, den Bären. Und dann wird wie schon immer gestochen, ohne Rücksicht darauf, ob nun böse Kommerzimker oder gute Guckimker am Werk sind.