Aus Respekt vor den Opfern

geschrieben von Georges Hallermayer

3. März 2015

Umbenennung der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung des Bundeswehrverbandes verlangt

René Vissé gibt auch mit 77 Jahren keine Ruhe. Seine 2008 erschienene Biographie bezeichnet ihn als kommunistisches Urgestein: Fünfmal in den Generalrat von Monthermé (Ardennes) gewählt, vertrat er bis 2004 im Regionalrat Ardennen die Interessen der kleinen Leute, drei Jahre auch als Abgeordneter in der Nationalversammlung Er verschrieb sich besonders dem französischen Widerstand – sein Vater wurde von den Nazis deportiert. Deshalb ließ es ihm auch keine Ruhe: 70 Jahre später trägt ausgerechnet die Stiftung des Bundeswehrverbandes immer noch den Namen von Karl Theodor Molinari, des »Henkers der Maquis des Manises«. Rene Visse war empört: »Der Name beleidigt die Toten«, zitierte ihn die regionale Tageszeitung L‘Union am 22. August 2014. Und René Vissé schrieb an den französischen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, denn »der Skandal dauert schon viel zu lange.«

Monument der 106 Maquis des Manises.

Monument der 106 Maquis des Manises.

106 Einwohner, die sich 1944 nach der Landung der Alliierten in der Normandie der örtlichen Résistance angeschlossen hatten, wurden exekutiert – Dutzende nach viehischen Folterungen. Major Karl Theodor Molinari, wie sein Chef Oberst Botho Grabowski 1951 in Metz in Abwesenheit zum Tode verurteilt, machte hingegen in Westdeutschland eine »Bilderbuch-Karriere«: in der CDU umtriebig, dann als Landrat gewählt, nach der Remilitarisierung in die Bundeswehr als hoher Offizier reaktiviert. Molinari wurde als General Personalchef des Heeres und blieb als Zwei-Sterne-General auch in Nato-Frankreich unbehelligt – bis 1969, in der Umbruchzeit mit Willy Brandt als Kanzler. Marcel Noiret, PCF-Bürgermeister von Vivier-au-Court (Champagne-Ardennes) entdeckte bei einem Besuch in der DDR den Namen Molinari als Unterstützer des »Prager Frühlings«. Nach seiner Rückkehr gründete er ein »Komitee für die Bestrafung des Molinari«. Am 5. Dezember 1969 verlangte dies im Parlament die aus den Nürnberger Prozessen berühmte Kommunistin Marie-Claude Vaillant-Couturier, Ehrenvizepräsidentin der Nationalversammlung. Um eine Wiederholung des ganz Frankreich empörenden Skandals um General Hans Speidel 1958 zu vermeiden, musste schnell etwas geschehen. Die Staatsanwaltschaft Hagen leitete ein Ermittlungsfahren gegen General Molinari ein, nachdem »ein Geisteskranker aus Bonn« Strafanzeige gestellt hatte. General Karl Theodor Molinari musste nach anfänglichem Leugnen zugeben, »anwesend« gewesen zu sein. Der Spiegel titelte »Kriegsverbrechen/Molinari: Dabei oder nicht?« . Die Beweise waren zu erdrückend, denn Überlebende hatten im Prozess 1951 in Metz bezeugt, ein »sehr großer Offizier« sei an »Misshandlungen« beteiligt gewesen. Und Molinari überragte alle mit seinem Gardemaß von 1,96 m.

Karikatur von Louis Mittelberg: Speidel: »Si cela peut vous consoler, sachez que j´aurai votre fils sous mes ordres« (»Wenn sie das tröstet: Irgendwann werde ich ihren Sohn unter meinem Befehl haben«)

Karikatur von Louis Mittelberg: Speidel: »Si cela peut vous consoler, sachez que j´aurai votre fils sous mes ordres« (»Wenn sie das tröstet: Irgendwann werde ich ihren Sohn unter meinem Befehl haben«)

René Vissé schrieb am 30. Juli 2014 an den französischen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian: »Diese Stiftung organisiert oder ko-organisiert mit Euromil, geleitet von (dem Belgier, G.H.) Emmanuel Jacob, Seminare zu Problemen der Zivilgesellschaft und Verteidigung. Unsere Militärakademien können außerdem durch die von diesen Organisationen geführten Studien beeinflusst werden … Sicher, es handelt sich nicht darum, die Geschichte neu zu schreiben, aber das geringste, was wir ohne jeden Zweifel erwarten können, ist aus Respekt und Ehrerbietung den Massakrierten von Manises und der Gesamtheit der Résistance gegenüber die Elimination dieser Stiftung wie auch eine ernste Untersuchung der ideologischen Natur der Ziele, die diese Stiftung wie auch Euromil bis heute verfolgt.« René Vissé beunruhigen u.a. die Bundeswehr in Afghanistan, Aufgaben und zukünftige Szenarios für die Neuordnung der nationalen und europäischen Streitkräfte, die Probleme der Erziehung zur militärischen Sicherheit. Man könnte die Reihe fortsetzen mit dem geplanten Einsatz im Innern etc. pp. Die linke Basisbewegung vor Ort unterstützt das Anliegen und stellte am 20. September 2014 eine Petition ins Netz, mit der die Auflösung der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung gefordert wird. Am 5. Dezember waren es über hundert Unterschriften. die damit auch gegen das Vergessen ankämpfen. Philipp Lecler, Historiker über die Résistance in den Ardennen, meinte, es sei sehr ehrenwert, nach 70 Jahren zu fordern, die Stiftung Molinari umzubenennen. »Ich kann nur damit einverstanden sein.«