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8. März 2015

Langzeitwirkung

Die von Nazigegnern in den vergangenen Jahren erreichte Blockierung und Verhinderung von Neonazi-Aufmärschen in Dresden hat offensichtlich Langzeitwirkung. Auch in diesem Jahr verzichteten die Neonazis auf Versuche, große Aufmärsche zu organisieren. Dagegen fanden wieder antifaschistische Mahngänge, die Menschenkette und weitere Veranstaltungen gegen den Missbrauch des Gedenkens, aber auch gegen das Ausblenden der Ursachen und Hintergründe des Geschehens statt.

Droh- und Gewalttaten

Auch im vergangenen Jahr haben Neonazis wieder deutlich mehr als 10.000 Straftaten verübt. Offiziell wurden bundesweit 10.541 Delikte gezählt, darunter 496 Gewalttaten. Dabei wurden 431 Menschen verletzt. Das ergibt sich aus Antworten des Bundesinnenministeriums auf Anfragen der Linksfraktion.

Ebenso häuften sich 2014 die Angriffe auf jüdische Menschen und auf jüdische Einrichtungen (Gedenkstätten, Friedhöfe usw.). Die Amadeu Antonio Stiftung registrierte für 2014 rund 170 solcher Vorfälle. Die tatsächliche Zahl dürfte noch höher sein, denn allein in Berlin wurden vom LKA im Jahr davor (2013) bereits über 192 Vorfälle gezählt.

Die Folgen

Nach einer Dokumentation von Pro Asyl und der Amadeu Antonio-Stiftung kam es 2014 in 153 Fällen zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, darunter 35 Brandanschläge, sowie in 77 Fällen zu tätlichen Angriffen auf Flüchtlinge. Laut Rechtsextremismusforscher Hajo Funke hat Pegida ein Klima geschaffen, das Gewalttaten fördert. Nach Feststellung von »Report Mainz« haben sich die Angriffe auf Migranten, Flüchtlinge und deren Unterkünfte seit Beginn der Pegida-Auftritte mehr als verdoppelt.

Pegida weiter aktiv

Trotz sinkender Teilnehmerzahlen sind die Pegida-Organisatoren weiter aktiv. In Dresden kehrte nach der Spaltung der Führung der vorher wegen der Proteste gegen seine Hitler-Imitation zurückgetretene Hauptorganisator Lutz Bachmann in die Pegida-Leitung zurück. Beim abgespaltenen »Oertel-Flügel« wurden die Teilnehmerzahlen noch geringer. Beide Gruppierungen kündigten an, festere Organisationsformen (Partei- oder Verbandsbildungen und dergl.) anzustreben.

Laut Bachmann fand Mitte Februar in Dresden ein Treffen von »Gida«-Ablegern aus dem Bundesgebiet statt. Die zentralen Parolen richten sich weiter vor allem gegen Ausländer. Gefordert werden »sofortige Abschiebungen«. In einer Studie wurde festgestellt, »die Zustimmung zu rechtsextremen Positionen« sei »auffällig hoch« (FAZ 20.1.15). Zu den Pegida-Beteiligten gehören weiterhin Neonazis, Rassisten und Rechtsextremisten.

Verschärfungen

Im Jahr 2014 wurden 10.884 Menschen aus der Bundesrepublik abgeschoben, so viele wie seit acht Jahren nicht mehr. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Nahezu die Hälfte der Abgeschobenen kam aus Balkanstaaten, die von der Bundesregierung zu »sicheren Herkunftsländern« erklärt wurden. Mehr als ein Drittel der Zehntausend wurden unter Inanspruchnahme der Dublin-Regelung ohne Prüfung ihres Asylbegehrens in andere EU-Staaten abgeschoben. Abschiebungen und Ausweisungen sollen noch verstärkt werden. Eine entsprechende Gesetzesverschärfung wurde vom Bundeskabinett beschlossen.

»Querfront mit Nazis«

Nach Pegida-Muster auftretende Gruppierungen in Sachsen-Anhalt und Thüringen nennen sich »Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas« (»Endgame«). Auf ihrer Webseite bezeichnen sie sich als »Friedensbewegung«. Nach Feststellung des Bündnisses »Halle gegen Rechts« wirkten an der Endgame-Kundgebung in Halle bekannte Neonazis und Kader von NPD und ‚Die Rechte‘ sowie der »Provisorischen Reichsregierung« mit. Damit habe Endgame gezeigt, »dass sie nicht für Frieden, sondern für Antisemitismus, Nationalismus und eine Querfront mit Neonazis stehen«.

Sächsische Justiz

Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt gegen eine Grünen-und eine Linken-Politikerin, weil sie in einer Pressekonferenz zur Verhinderung von Legida-Aufmärschen aufgefordert hätten. Das sei eine »öffentliche Aufforderung zu Straftaten«. Das Vorgehen orientiert sich an den Gepflogenheiten sächsischer Justiz gegenüber Nazigegnern, die in Dresden dazu beigetragen haben, Neonazi-Aufmärsche zu verhindern. Im Fall von Tim H. legte die Staatsanwaltschaft Dresden Revision dagegen ein, dass der Antifaschist vom Landgericht Dresden im dortigen Revisionsverfahren statt der 22 Monate Haft ohne Bewährung, zu denen ihn das Amtsgericht (trotz polizeilich manipulierter »Beweise« ) verurteilt hatte, »nur« eine Geldstrafe von 4.000 Euro zugewiesen bekam.

DDR statt Holocaust

Während der Zentralrat der Juden forderte, nicht zuletzt wegen der Zunahme von Angriffen auf Juden und jüdische Einrichtungen, an den Schulen in den oberen Klassen »mehr Informationen über den Holocaust« zu vermitteln, brachte die hessische Landesregierung ein Projekt auf den Weg, das herbeiführen soll, dass Schülerinnen und Schüler »mehr über die Unterdrückung und Verfolgung in der DDR« erfahren. Die Landesregierung schuf dazu extra ein »Zeitzeugenprogramm«. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, lobte das hessische Programm. Es könne die Jugend » befähigen, ihren Eltern gute Fragen zu stellen«, wenn diese »die DDR mit rosaroter Brille sehen« würden.

KZ-Wächter angeklagt

Wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen hat die Staatsanwaltschaft Dortmund Anklage gegen einen heute 93jährigen ehemaligen KZ-Wächter erhoben. In Schwerin soll ein heute 94jähriger früherer SS-Unterscharführer wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen vor Gericht gestellt werden. Dass die SS-Männer, die die Massenmorde in Auschwitz ausführten, erst nach 70 Jahren vor Gericht kommen sollen, ist dem jahrzehntelangen Verzögern und Verschleppen solcher Verfahren geschuldet. Sie sind dennoch angebracht und notwendig, um Verantwortung und Schuld der Täter und des Tätersystems festzustellen.

Schändlich

70 Jahre nach Kriegsende zeichnet sich nach unermüdlichem Drängen aus der Linksfraktion im Bundestag eine mögliche Mehrheit dafür ab, wenigstens den noch lebenden ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen eine kleine Entschädigung und Anerkennung des erlittenen Unrechts zu gewähren. Von mehr als fünf Millionen sowjetischer Kriegsgefangenen haben weniger als die Hälfte die gezielte Vernichtung durch die Nazipraktiken überhaupt überlebt. Sie warten noch immer auf eine Entschädigung.

(Zusammengestellt von P.C. Walther)