»Der Winter ist zu Ende!«

geschrieben von Monty Schädel

27. April 2015

Was das Zusammengehen mit den »Montagsmahnwachen« gebracht hat

 

In der Osterzeit liegt es eigentlich nahe, die Aussage »Der Winter ist zu Ende« auf die Jahreszeit zu beziehen. In der Friedensbewegung dürften dabei viele an aktuelle politische Entwicklungen denken, daran, dass in der Bewegung klar gemacht wurde: Friedensbewegung geht nur ohne Nazis!

Worum geht es? Der Putsch in der Ukraine und die daran anschließende Zuspitzung der Krise im Osten dieses Landes wurde Anfang 2014 von vielen hierzulande als bedrohlich empfunden. Auch Gruppen, die außerhalb der Friedensbewegung stehen und nicht zum linken Lager zu rechnen sind, griffen nun Themen wie »Widerstand gegen den Krieg« und »Frieden« auf. Es ging ihnen dabei oft nicht wirklich um humanistische Ziele, sondern darum, mit Forderungen und Formulierungen aus unserer Bewegung Menschen anzusprechen und unsere Strukturen zu nutzen.

Dabei muss deutlich zwischen zwei politisch unterschiedlichen Personen und Gruppen unterschieden werden. Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die mit solchen Interventionen Positionen verbreiten, die als geschichts-verklärend, nationalistisch, antisemitisch, rassistisch oder esoterisch bezeichnet werden müssen. Diese Gruppe treffen wir überwiegend in den sogenannten »Mahnwachen für den Frieden«, aber auch bei Pegida, Pegada oder Endgame. Die personellen Verflechtungen sind eng und die inhaltlichen fließend. Auf der anderen Seite gibt es Menschen aus der Friedensbewegung und solche, die sich bislang nicht engagierten, die aufgrund ihrer Besorgnis über die Ukraine-Krise punktuell mit Mahnwachen zusammen arbeiteten. Ihr Ziel war: eine größere Friedensbewegung sichtbar zu machen. Die zweite Gruppe stellte nach einiger Zeit fest, dass diese »Mahnwachen« in eine Sackgasse oder in eine rechte Richtung führen. Sie ging zu ihnen auf Distanz und engagierte sich verstärkt in anderen Bewegungen.

 

Neue Bewegung – alte »Querfront«

Parallel vernetzte sich die erstgenannte Gruppe und begann die Friedensbewegung als Struktur gegen Krieg, Gewalt und Militär anzugreifen. Mit der Übernahme von Forderungen der Friedensbewegung und versehen mit dem selbst aufgeklebten Etikett »Neue Friedensbewegung« versuchte sie sich als innovativ und zeitgemäß darzustellen. Dabei ließen Vertreter dieser Gruppe bereits damals oft die Abgrenzung zu faschistischen und rassistischen Positionen, Personen und Gruppen vermissen. Zupass kam ihnen, dass große Teile der Medien die Geschehnisse in der Ukraine äußerst einseitig darstellten, während sich die Friedensbewegung gleichzeitig eher auf die Analyse der Ereignisse als auf den spontanen Protest auf der Straße konzentrierte. Die neue »Bewegung« wurde öffentlich als das eingeordnet, was sie war: Eine Strategie der Gleichmacherei politischer Unterschiede. Der historische Begriff der »Querfront«, der angeblichen Gleichheit von rechter und linker Kapitalismus- und Gesellschaftskritik, wurde aktuell mit Leben ausgefüllt.

Bereits im Frühjahr 2014 konnte man verwundert registrieren, dass, wo diese »spontanen Mahnwachen« auftraten, überall üppige Technik und gute Organisationsstrukturen vorhanden waren. Nun konnte ja die Friedensbewegung in mehr als zehnjährigen Protesten gegen den Krieg in Afghanistan z.B. nur mäßige Mobilisierungserfolge erzielen. Und nun sollten beim selben Thema auf einmal – und vorbei an den vernetzten Strukturen der Friedensbewegung – »spontane Proteste« möglich sein?

In der Hoffnung, endlich doch Menschen auf die Straße zu bekommen, fanden sich im Sommer 2014 einzelne Personen und Organisationen der Friedensbewegung bereit zu ersten Gesprächen mit den »Mahnwachen«.

Vertreter der Friedensbewegung traten – trotz breiter Kritik aus der Friedensbewegung – auf den Bühnen der Mahnwachen auf; sie sprachen teilweise vor bzw. nach Personen mit Beiträgen, die früher nur bei rechten Zusammenschlüssen zu hören waren. Die Abgrenzungen blieben in solchen Fällen schwammig. Die Übergänge nach rechts wurden verwischt.

Das deckte sich mit der Philosophie der Mahnwachen, dass es ja kein »rechts« und »links« mehr geben würde. Um der Kritik an dieser Position der »Gemeinsamkeiten zwischen rechts und links« den Wind aus den Segeln zu nehmen, distanzierten sich die Mahnwachen dann von den widerlichsten Rassisten. Alles in Ordnung?

Im Oktober 2014 einigte sich eine Aktionskonferenz der Friedensbewegung auf einen Aktionsplan. Neben der Unterstützung und verstärkten Mobilisierung für traditionelle Veranstaltungen der Friedensbewegung (gegen die »Sicherheitskonferenz« im Februar in München, für die Ostermärsche 2015, und zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus) wurde für Dezember 2014 auch eine Aktionswoche beschlossen.

Propagandistisch sollte das in die Öffentlichkeit unter dem Begriff »Friedenswinter« wirken. Vertreter der Mahnwachen sagten Unterstützung zu. Die Mahnwachen verkündeten das »Bündnis zwischen alter und neuer Friedensbewegung«. Dennoch verstummte nie die Kritik, wonach Protagonisten der Mahnwachen parallel zum »Friedenswinter« – allerdings nicht mehr ganz so offen – mit dubiosen, rechten Personen kooperierten.

 

Friedensbewegung erlitt großen Schaden

Eine Bilanzkonferenz des sogenannten »Friedenswinters« Mitte März geriet weitgehend zum Fiasko. Auf dieser verteidigten Vertreter der Mahnwachen, die organisiert auftraten, eine umstrittene Demonstration mit der Beteiligung von Rassisten, die am 28. Februar in Berlin stattgefunden hatte. Darüber hinaus düpierten sie auch die Koordinatoren des »Friedenswinters«, in dem sie nunmehr die politischen Entscheidungen aus dem Vorfeld der Konferenz in Frage und zur Abstimmung stellten. Die Koordinatoren hatten eine Arbeitsgruppe deshalb abgesagt, weil die vorgesehene Moderatorin an einer Kundgebung in Berlin teilgenommen und dort geredet hatte, obwohl sich die Mahnwachen und der »Friedenswinter« von den dort auftretenden Personen wegen deren rassistischem Hintergrund distanziert hatten. Selbst der Organisator dieser umstrittenen Kundgebung durfte auf der Konferenz reden und bekam für seine Ausführungen breite Zustimmung. In der Folge plädierte ein großer Teil der Friedensbewegung für ein Ende des Projektes »Friedenswinter«. Mit dem direkten öffentlichen und personalisierten Angriff von Ken Jebsen, dem prominentesten Protagonisten der »Mahnwachen«, auf die Friedensbewegung am 16. März fiel gewissermaßen ein Vorhang, wenn nicht eine Maske.

Der entstanden Schaden dieser knapp sechsmonatigen offiziellen Kooperation ist für die Friedensbewegung noch nicht genau zu ermitteln; er dürfte beträchtlich sein.

Zu Beginn der Kooperation hieß es seitens der Mahnwachen, es gäbe mit dem Projekt »Friedenswinter« eine Kooperation zwischen den Mahnwachen und der Friedensbewegung. Vertreter der Friedensbewegung sprachen lediglich von einem Miteinander der Friedensbewegung »mit Personen, die auch bei den Mahnwachen aktiv sind«. Inzwischen hat sich die Argumentation gedreht. Vertreter der Mahnwachen sprechen heute bei dem Hinweis auf friedenspolitisch problematische Vorkommnisse (so nahmen Personen aus dem Mahnwachen-Spektrum an Veranstaltungen teil oder organisieren diese sogar, bei denen Nazis und Rassisten ungehindert sprechen durften, so geschehen in Halle am 21. Februar 2015 oder am 28. Februar 2015 in Berlin), von »Einzelfällen ohne Verbindung zu den Mahnwachen«. Schließlich gäbe es DIE Mahnwachen (auf ein Mal?) nicht.

Auch wird der Hinweis nachgeschoben, man müsse mal klären, was »rechts« überhaupt bedeute; schließlich könne man rechte Personen und Positionen nicht pauschal zurückweisen, wenn man doch »gemeinsam für den Frieden« streiten würde. Wie weit mit derlei Aussagen die Tür nach rechts bereits geöffnet ist, wird bei einem Blick auf die Positionen von Pegida und NPD deutlich. Klar muss sein: Mit NPD und anderen Nazis kann es keine gemeinsamen Forderungen wie »Stoppt den Waffenhandel« , »Stoppt die Drohnenkriege«, »Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr«, »Gemeinsam für den Frieden« geben. Um dieses zu erkennen, braucht es keine Diskussionen in der Friedensbewegung – Selbstverständlichkeiten müssen nicht künstlich hereingetragen und diskutiert werden. Rechts ist und bleibt die Tür zu! Faschismus ist und bleibt ein Verbrechen und keine Meinung – Friedensbewegung geht nur ohne Nazis!

Nationalisten, Antisemiten, Rassisten gehören ebenso wenig zur Bewegung wie Personen mit anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in ihren Äußerungen und Handlungen. Auch die aktuelle Erfahrung lehrt: Sobald in diese Richtung die Tür einen Spalt weit geöffnet wird, gibt die Friedensbewegung ihre Prinzipien preis. Für uns ist es nicht nur von Bedeutung, gegen den Krieg und für den Frieden allgemein, gegen Rüstungsproduktion, gegen weltweiten Waffenhandel, gegen Drohneneinsätze, gegen die Militarisierung im Innern und die Rekrutierungen der Bundeswehr in Schulen, für zivile Konfliktlösungen und zivile weltweite Entwicklungen zu demonstrieren und einzustehen.

Entscheidend ist dabei, dass das auf der Grundlage der umfassenden Ablehnung von Faschismus, Krieg und Gewalt erfolgt.