»Man-wird-ja-wohl-noch«-Urteil
27. April 2015
Von der Abweisung der Klage der VVN-BdA Bayern vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht gegen deren Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2010, 2011, 2012 und 2013 bis zur Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung hat es einige Monate gedauert. Die über 25 Seiten zu verfassen muss jemandem Mühe gemacht haben. Oder der Text kam aus einer freistaatlichen »Eh-wurscht«-Abteilung, die vielleicht nicht ganz zu Unrecht davon ausgeht, dass das, was in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts möglich war, sich bis in die Mitte des aktuellen fortsetzen lässt. Eine Abteilung, die seit je den Standpunkt hat: Keine Eile, das kriegen wir locker mit Rechts hin.
Letzteres wird sich weisen. Die juristische Auseinandersetzung wird weitergehen – und die öffentliche, politische, zunehmen. Auch, weil die VVN-BdA (nicht nur in Bayern) Solidarität und Unterstützung gebrauchen kann. Vor allem aber, weil sie keineswegs alleine Ziel ist und bleiben soll für geheimdienstliche »Erkenntnis«-Schnipsel, Mutmaßungen, Zitat-Verschnitte, schräge Personen-Profile und subjektive Wertungen, wie sie in dem aktuellen Urteil, als Bekräftigung für die Klageabweisung gemeint, recht übersichtlich aufgelistet sind.
Der Prüfung der Stichhaltigkeit solcher Aussagen ging das Gericht meist dezent aus dem Weg, indem es sich auf die »Meinungsfreiheits«-Ebene begab: »Man wird ja wohl noch sagen dürfen…«. So steht es zwar nicht im Urteil, bestimmt aber inhaltlich die Begründung. Bereits widerlegte Tatsachenbehauptungen in den VS-Berichten ließen Beklagte wie Gericht ersatzlos fallen. Andere VS-Konstrukte (der »kommunistisch orientierte Antifaschismus« oder das »Verfassungswidrige« der Losung, dass »Faschismus keine Meinung sondern ein Verbrechen« sei) wurden für das Urteil recycelt.
Was sich weitgehend wie eine presserechtliche Auseinandersetzung liest – »Meinungsfreiheit« contra »Tatsachenbehauptung« mit dem Geheimdienst als »Meinungsäußerer« – wird »amtlich«, geht es um Konsequenzen. (Vorerst?) in Bayern will man so der VVN-BdA die »Gemeinnützigkeit« aberkennen und sie, ausgehend von einer 2009 vom Bundestag in die Abgabenordnung eingefügte Passage, ihrer finanziellen Rückhalte berauben.