Wo bleibt die Wehrhaftigkeit?
27. April 2015
Jede Woche drei Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte
Da tritt ein Bürgermeister zurück, weil Neonazis drohen, ihm bis vor sein Wohnhaus zu folgen und dort aufzumarschieren. Da lassen die Behörden einen Neonazi-Aufmarsch vor dem Haus der Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau zu. Da brauchen Oberbürgermeister und Landräte Polizeischutz, weil sie von Neonazis bedroht werden. Da wird eine potentielle Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz zur Brandruine und auf eine andere, bewohnte Flüchtlingsunterkunft im südhessischen Hofheim, wird geschossen. Im abgelaufenen Jahr 2014 registrierte die Polizei bundesweit 162 rechtsextreme Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, knapp die Hälfte davon (70) im Westen. Zwei Jahre zuvor, 2012, waren es 24. Inzwischen werden im Durchschnitt jede Woche drei Heime angegriffen.
Nicht zu übersehen ist, dass die Angriffe und Anschläge auf Flüchtlinge und Flüchtlingseinrichtungen seit dem Auftreten von AfD, Pegida und Co. massiv zugenommen haben. Das verdeutlichen diese Zahlen.
Auch die etablierte Politik leistet ihren Beitrag, sowohl mit den ständigen Klagen über »Ströme von Flüchtlingen«, die »kaum noch zu bewältigen« seien, als auch mit der praktizierten Abschottung, den Ausgrenzungen und Ausweisungen, die Inhalt und Ziel dieser Politik sind. Das schafft wahrlich keine Empathie für Flüchtlinge.
Gleichzeitig besteht Nachsicht oder gar Blindheit gegenüber den Ursachen, Kräften und Auswirkungen rechtspopulistischer und rassistischer Hetze und Umtriebe. Das verstärkt den Eindruck von Hilflosigkeit und Duldung. Von »wehrhafter Demokratie« ist da nichts zu spüren.
Die Brandstiftung in Tröglitz ist wahrlich kein Einzelfall. Da müssen wir uns nicht erst an Mölln oder Lichtenhagen erinnern. Im vergangenen Dezember wurde im fränkischen Vorra ein Gebäudekomplex, der für Flüchtlinge vorgesehen war, in Brand gesteckt. Im Februar wurde in Escheburg in Schleswig-Holstein ein brennender Benzinkanister in ein Haus geworfen, in das Flüchtlinge aus dem Irak einziehen sollten. Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden.
Was die Brandstiftung in Tröglitz ganz und gar unerträglich macht, ist ihre historische Verbindung: Hier in der Nähe befand sich zur Nazizeit ein KZ-Außenlager. Geschichtliche Lehren wurden daraus offensichtlich nicht gezogen. Anderenfalls hätte gerade hier kein einziger Neonazi-Aufmarsch stattfinden dürfen. Am Beispiel von Tröglitz wird noch einmal bestätigt: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Wann endlich handeln Politik, Behörden und Justiz nach dieser Erkenntnis?