Einheitsfront und Partisanenkampf
30. August 2015
Die Rolle der Resistenza in der italienischen Geschichte
Ein zentrales historisches Narrativ der italienischen Gesellschaft ist der bewaffnete Widerstand in Mittel- und Norditalien gegen die deutsche Okkupation, die »Resistenza« von 1943 – 1945. Gerhard Feldbauer hat eine kurze Geschichte dieser Periode vorgelegt, die jedoch weit über den kurzen Zeitraum hinausreicht und die Voraussetzungen und Wirkungen ebenfalls beleuchtet.
In der gebotenen Kürze skizziert der Autor die Entstehung der faschistischen Herrschaft in Italien, die Übertragung der Macht an Benito Mussolini, den »Marsch auf Rom« der faschistischen »Schwarzhemden« und die Absprachen mit zentralen Kräften in Politik, Wirtschaft und Kirche. Die Reaktion der politischen Gegner und die Debatten innerhalb der Organisationen der Arbeiterbewegung auf die Etablierung des gewalttätigen Regimes werden ebenfalls nachgezeichnet.
Anders als später in Deutschland, kam es zur Formierung einer antifaschistischen Einheitsfront auch mit linksbürgerlichen Kräften, die sich zu einem »Antikriegskomitee« weiterentwickelte. Auf dieser Basis wurde im September 1943 selbst die neu gegründete Democrazia Cristiana (DC) in das Nationale Befreiungskomitee (CLN) integriert.
Zum antifaschistischen Widerstand in Italien vor dem Sommer 1943 gehörten auch Streikaktionen in den Rüstungsbetrieben, die sozialen und politischen Charakter besaßen. Vor dem Hintergrund der wachsenden Kriegsmüdigkeit und der sich ausweitenden antifaschistischen Bewegung, verbunden mit der militärischen Niederlage der italienischen Truppen in Nordafrika und der Landung der alliierten Truppen in Sizilien, kam es im Juli 1943 zum Sturz Mussolinis und zur Einsetzung der Regierung unter Marschall Pietro Badoglio. Diese nahm Kontakt zu den Alliierten auf und erklärte später dem faschistischen Deutschland den Krieg.
Als Reaktion darauf ließ das faschistische Deutschland Mussolini in einem Kommandounternehmen befreien, besetzen deutsche Truppen Nord- und Mittelitalien und errichteten – mit Mussolini als Marionette – eine »Republik von Salo«.
Aufgrund dieser Situation entstanden für die antifaschistischen Kräfte völlig neue Bedingungen. Der Charakter des Kampfes wechselte vom Widerstand gegen die eigene faschistische Herrschaft zu einer nationalen Befreiungsbewegung gegen eine fremde Okkupation. Im Aufruf zum 1. Oktober 1943 hieß es: »Heute gibt es für die Italiener nur noch eine Front: Gegen die Deutschen und die fünfte faschistische Kolonne.«
Zur Entwicklung des Widerstandes als Massenphänomen trug auch das brutale Vorgehen der deutschen Wehrmachts- und SS-Einheiten bei, die in den besetzten Gebieten zahlreiche Kriegsverbrechen und Massaker an Zivilisten und Partisanen begingen.
Feldbauer geht zwar auf einzelne militärische Aktionen der »Gruppi di Azione Patriottica« (GAP) ein, skizziert jedoch vorrangig die politischen Hauptlinien und wichtige strategische Optionen (»Wende von Salerno« und Gramscis »blocco storico«) für antifaschistisches Handeln. So erklärte die italienische KP »heute nicht für eine Diktatur des Proletariats zu kämpfen, sondern für eine progressive Demokratie«.
Zu den großen Ereignissen im nationalen Selbstverständnis gehört der Aufstand zur Befreiung Mailands und Norditaliens am 25. April 1944, bevor die alliierten Streitkräfte das Territorium Italiens erreichten. Die Partisaneneinheiten leisteten mit ihrer militärischen Offensive einen wichtigen Beitrag zum Sieg der Anti-Hitler-Koalition, der auch von den alliierten Kommandeuren anerkannt werden musste. Gleichzeitig hatten die Westalliierten keinerlei Interesse an einer sozialpolitischen Veränderung und betrachteten alle Bestrebungen einer volksdemokratischen Entwicklung als Bedrohung, so dass sie nach der Besetzung die sofortige Entwaffnung der Partisanen forderten.
In den Abschlusskapiteln wird Feldbauers kritische Einschätzung auch gegenüber der KP-Politik deutlich. Er spricht von einer »revolutionären Situation«, die jedoch nicht angemessen ausgenutzt worden sei, und kritisiert das »beschämende Schweigen« und weitere »Versäumnisse der IKP-Führung«.
Am Schluss dieses Überblickswerkes findet sich eine kurze Bilanz »Was erreicht wurde«. Hier nennt er das erfolgreiche Referendum für die republikanische Staatsform und den breite Konsens über eine antifaschistische Verfassung, die nicht nur grundlegende Freiheiten des Volkes fixiert, sondern auch weitergehende sozialpolitische Rechte (Recht auf Arbeit, angemessene Entlohnung etc.) enthält.
Feldbauer Überblickswerk ist ein wichtiger Beitrag gegen alle Versuche, die Resistenza »als wichtigste Wurzel der Italienischen Republik aus den Seiten der Geschichte zu löschen«.