Ein kämpferisches Paar

geschrieben von Ulrich Sander

31. August 2015

Beate und Serge Klarsfeld mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt

 

In Rom wird ein Platz nach Martin Luther benannt. Eine späte Ehrung nach fast 500 Jahren. Solange mussten Beate und Serge Klarsfeld nicht warten, jedoch sind immerhin fast 50 Jahre seit ihrer Missetat vergangen – bis zum Bundesverdienstkreuz 1. Klasse in diesem Jahr. Vor drei Jahren kandidierte Beate Klarsfeld gegen Joachim Gauck für das Bundespräsidentenamt. Da wich dieser noch der Frage nach einer Ehrung für Beate Klarsfeld aus. 1967 startete Beate Klarsfeld, geb. 1939 in Berlin, gemeinsam mit ihrem jüdischen Mann Serge, geb. 1935 in Paris, ihre Aufklärungsarbeit gegen die Nazis. Am 7. November 1968 hat sie dem NSDAP-Mann, NS-Rundfunkchef und späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf einem CDU-Bundesparteitag in Westberlin die weltweit Aufsehen erregende Ohrfeige verpasst und gerufen: »Nazi Kiesinger abtreten«. Und Serge, dessen Vater Arno Klarsfeld im Herbst 1943 in Auschwitz ermordet wurde, sammelte Dokument um Dokument, um die Mörder zu brandmarken.

Kennen und lieben gelernt hatten sich Beate und Serge, nachdem sie nach Paris gekommen war, um im deutsch-Französischen Jugendwerk zu arbeiten. Sie wurde entlassen, als sie in der DFJW-Leitung Antisemiten ausmachte.

Bis in unsere Tage gab es solche Meldungen wie jene aus der FAZ: »Ohrfeigen-Beate von der Stasi gesteuert?« Angespielt wurde auf Serges Dokumentationen, für die er in Ost und West Belege sammelte. Entlarvt wurden Nazikriegsverbrecher, die im okkupierten Frankreich tätig waren und deren Gräueltaten von bundesdeutschen Gerichten nicht geahndet wurden. Insbesondere konzentrierte sich das Paar auf Leiter des nazistischen Polizeiapparats und des SD, die so viele Widerstandskämpfer folterten und fast 80.000 Juden aus Frankreich in die Gaskammern nach Auschwitz schickten, unter ihnen Tausende Kinder.

In dem Buch »Die Endlösung der Judenfrage in Frankreich« stellten sie eine Serie von Dokumenten der deutschen Judenverfolgung in Frankreich zusammen. Sie sind von Kurt Lischka, Herbert Hagen, Ernst Heinrichsohn, Hans-Dietrich Ernst, Ernst Achenbach, Fritz Merdsche u.a. unterzeichnet, die straffrei – obwohl in Frankreich in Abwesenheit verurteilt – in der BRD lebten und nach 1945 erneut als Rechtsanwälte, Richter, Polizisten, Industrielle oder Politiker Karriere machten. Die französische Regierung benötigte über zehn Jahre, um von der deutschen Bundesregierung am 2. Februar 1971 die Unterzeichnung eines Zusatzabkommens zu erlangen, das die Verurteilung dieser Verbrecher vorsah. Und es vergingen weitere vier Jahre, bis der Bundestag es ratifizierte. Allerdings schützte die deutsche Justiz diese Verbrecher weiterhin und verzögerte die Eröffnung von Strafprozessen.

Forderungen in diesem Sinne hatten natürlich auch die Opfer des Faschismus in der BRD gestartet, mit deren VVN-BdA die Klarsfelds zusammen arbeiteten. Um ihnen Nachdruck zu verleihen, starteten Beate und Serge gefährliche Entführungsaktionen, so gegen den Gestapo-Schergen und in Frankreich zu lebenslänglich verurteilten Kurt Lischka in Köln im Jahre 1971, was Beate Gefängnis eintrug. Später sagten die Klarsfelds: »Für uns am wichtigsten war, dass wir den Kölner Prozess gegen Hagen, Lischka und Heinrichsohn, die Hauptverantwortlichen für die Deportation der Juden aus Frankreich initiiert und eine Verurteilung erreichen konnten.« Und dann der Prozess gegen Klaus Barbie, den Gestapo-Chef von Lyon, den sie in Bolivien aufspüren konnten. Auch gegen weitere Verbrecher wurden durch ihre Initiative Verfahren eingeleitet. Dass seit kurzem endlich Naziverbrecher verurteilt werden, die am Tatort zum Mordkollektiv gehörten, nicht aber direkt beim Töten beobachtet wurden, das finden die »Nazijäger« richtig – es kommt aber viel zu spät. Ein Rückfall ist der Freispruch im Prozess gegen Werner Christukat gewesen, der im Juni 1944 im südfranzösischen Dorf Oradour-sur-Glane an dem Massaker an 642 Menschen teilnahm. Er hatte gesagt, dass er anwesend war, aber nicht geschossen habe. Die Strafen, die schon vor 60 Jahren hätten verhängt werden können, blieben aus.

Schon 1960 hatte die VVN Klage gegen Barbie erhoben, ab 1971 stiegen die Klarsfelds in diese Aktion ein. Beate fand den Mörder in Bolivien, kettete sich vor Barbies Büro an und erregte endlich die Weltöffentlichkeit. Barbie wurde ausgewiesen.

Heute sind die Klarsfelds besorgt wegen der Rechtsentwicklung auch in Frankreich. Alle sollten gegen den gemeinsamen Hauptfeind, den Front National, zusammenstehen.