Helft den Gefangenen

geschrieben von Michael Dandl

18. November 2016

Erster Band der Schriftenreihe zur Geschichte der Roten Hilfe erschienen

Mit der seit September 2016 vorliegenden Arbeit Silke Makowskis wird zum ersten Mal ein ausführlicher erinnerungspolitischer Text veröffentlicht, der sich vertiefend und klar konturierend mit der unerträglichen Situation auseinandersetzt, in die eine in der Weimarer Republik aufgebaute Massenorganisation nach der Machtübertragung an die Faschisten geraten war. Der 120 Seiten umfassende, durchweg bebilderte DIN A4-Band mit dem Titel »Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern« beschäftigt sich mit der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) in der Illegalität ab 1933.

Silke Makowski: »Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern«. Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933, Schriftenreihe des Hans-Litten-Archivs zur Geschichte der Roten Hilfe [Band 1], Herausgegeben vom Hans-Litten-Archiv, München im September 2016: Verlag Gegen den Strom, Brosch. DIN A4, 120 Seiten, ISBN 3-9809970-4-9, Preis: 7,00 €.

Silke Makowski: »Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern«. Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933, Schriftenreihe des Hans-Litten-Archivs zur Geschichte der Roten Hilfe [Band 1], Herausgegeben vom Hans-Litten-Archiv, München im September 2016: Verlag Gegen den Strom, Brosch. DIN A4, 120 Seiten, ISBN 3-9809970-4-9, Preis: 7,00 €.

Mit ihm ist es nun möglich, sich einen nahezu kompletten Zugang zu verschaffen zu den antirepressiven Konfliktlinien in einem an die Schaltstellen der Staatsmacht gehievten Herrschaftssystem des offenen Terrors und der nahezu lückenlosen Ausmerzung aller als »volksgemeinschaftsgefährdend« Deklarierten. Politische Repression ist zwar immer der auf das jeweilige Regime »zugeschnittene« Versuch, grundlegenden Wandel der Verhältnisse dauerhaft zu verhindern; aber die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel können sich derart divergierend materialisieren, dass das für die von ihrem Einsatz Betroffenen den Verlust ihres Arbeitsplatzes, ihrer Gesundheit, ihrer Freiheit, ihres sozialen Umfelds oder eben ihres eigenen Lebens bedeuten kann.
Der Band ist in sieben große Themenblöcke ge-gliedert, die je nach Fülle des zur Verfügung stehenden Materials in aller Ausführlichkeit präsentiert werden: Nach einem kurzen historischen Abriss über die RHD in der Weimarer Republik -beginnt die Arbeit mit dem ersten großen Kapitel, das sich dem Übergang dieser Massenorganisation in den Untergrund widmet und die jeweils zum Tragen kommenden Formen der klandestinen Solidaritätsarbeit sowie den illegalen Apparat der RHD beschreibt. Das zweite Kapitel handelt von Rote-Hilfe-Zellen in der Provinz, gefolgt von einem Abschnitt über die unter ständiger Lebensgefahr entstehenden Druckschriften der RHD in der Illegalität. Im folgenden Text zur Situation von Frauen in der verbotenen RHD spürt Makowski den Gründen nach, die dazu führten, dass sich auch die Arbeit in der Klandestinität nicht zu einer reinen Männerdomäne entwickeln konnte, sondern viele Genossinnen eine aktive Rolle in der »Solidaritäts- und Kampffront« spielten. Auf ein Kapitel zu den RHD-Grenzstellen und zur internationalen Emigrantinnenarbeit folgt ein ausführlicher Text, der sich intensiv mit dem faschistischen Staatsterror gegen RHD-Aktivisten beschäftigt, der direkt nach dem Reichstagsbrand mit der Stürmung der Räumlichkeiten der sozialistischen Massenverbände und einer damit einhergehenden gewaltigen Verhaftungswelle eingeläutet worden war. Gesondert geschildert werden die letzten Jahre der Roten Hilfe, die anhand zweier Widerstandsgruppen veranschaulicht werden. Den Abschluss bildet ein fünfseitiger Exkurs zum politischen Exil in der Sowjetunion, in dessen Verlauf viele dorthin geflüchtete Rote Helfer und Helferinnen in den Strudel der Stalinschen »Säuberungen« gerieten.
Mit diesem Band wird die mühevolle Aufgabe in Angriff genommen, Antirepressionsarbeit im Rahmen einer strömungsübergreifenden, linken Solidaritätsorganisation punktgenau in die jeweils um sie herum installierte staatliche Herrschaftsarithmetik einzubauen und auf der Basis der bisher gemachten Erfahrungen nach gangbaren Wegen Ausschau zu halten, die Zugriffsmöglichkeiten des nach innen und außen aufgerüsteten politischen Systems permanent ins Leere laufen zu lassen. Dass antirepressives Engagement an keiner Stelle der Geschichte jemals einen Punkt der »absoluten Sicherheit« vor staatlichen Angriffen erreichen konnte, beweist nur, dass der politische Feind Mittel anwendet, die bisweilen auch ins Eliminatorische gehen können.