Muster der Holocaustleugnung

geschrieben von Janka Kluge

23. März 2017

Die neue Rechte entwickelt faschistische Apologien weiter

Seit Jahren gehört das Leugnen des Holocaust zur den Grundmustern faschistischer Rhetorik. Neofaschisten wissen, dass einer Wiederbelebung nationalistischer Überzeugungen der millionenfache, planmäßig und industriell verübte Mord an den europäischen Juden im Weg steht. Neben der offenen Leugnung hat sich jetzt eine weitere Form entwickelt.
Der inzwischen aus der Fraktion ausgeschlossene baden-württembergische AfD Abgeordnete Wolfgang Gedeon schreibt, dass es sich bei Auschwitz um eine »Zivilreligion des Westens« handele. Der Begriff der Zivilreligion geht zurück auf Rousseau, der in seinen Schriften gefordert hat, dass eine säkulare Gesellschaft eine »religion civile« brauche um einen Zusammenhalt zu entwickeln. Dieser Konsens einer Gesellschaft kann neben grundlegenden Gesetzen, wie dem Grundgesetz, auch aus Mythen bestehen. Also aus angenommen Behauptungen, die aber ähnlich wie der Glaube an einen Gott, letztendlich nicht bewiesen, sondern nur geglaubt werden können.
Wolfgang Gedeon ist nicht der erste, der behauptet, der Holocaust sei eine Zivilreligion. Bereits im Februar 2000 schrieben die Sozialwissenschaftler Lothar Probst und Winfried Thaa in der »Welt« einen Artikel mit dem Titel »Welche Zivilreligion braucht Europa«, dass der Holocaust sich nicht als Element einer Zivilreligion eigne. »Auch in der Vision einer auf die Erinnerung an den Holocaust begründeten europäischen Innenpolitik lauert die Gefahr einer Unterordnung des Politischen unter eine moralische Instanz, die ebenso unangreifbar wie instrumentalisierbar ist.«
Mit der Bezeichnung des Holocaust als Zivilreligion wird aber noch ein anderer Aspekt eingeführt. Es ist damit Sache des Einzelnen, daran zu glauben und nicht mehr gesichertes historisches Wissen.
Marc Jongen, Mitglied im Bundesvorstand der AfD und so etwas wie ihr Hausphilosoph, schrieb im Juni 2016 in einem Artikel in der Jungen Freiheit über die Auseinandersetzungen mit Gedeon:
»Bestätigt der Aufschrei, den die Presse und die etablierten Parteien wegen dieser und anderer Äußerungen Gedeons veranstalten, nicht exakt dessen These, daß sich der Holocaust längst zu einer ›Zivilreligion des Westens‹ entwickelt hat, zu einer Art negativem Heiligtum, vor dem sich alle in den Staub zu werfen haben und demgegenüber Kritik – auch berechtigte und vernünftige – bei Strafe der bürgerlichen Existenzvernichtung tabuisiert ist?«
Damit hat er deutlich gezeigt, dass in der Formulierung von der »Zivilreligion« noch mehr Zündstoff steckt. Die weitere Argumentationskette läuft ungefähr so: Weil die meisten Menschen daran glauben, dass von den deutschen Faschisten und ihren Helfern Millionen jüdischer Menschen ermordet wurden, darf es in Deutschland keine freie Geschichtsforschung geben. Damit wird die Argumentation von Revisionisten und Holocaustleugnern übernommen. Bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben Holocaustleugner angefangen ihre Strategie zu ändern. Sie erklärten jetzt, dass sie »offene Fragen« haben, die geprüft werden müssen und versuchten, sich als ein Teil der Geschichtswissenschaft darzustellen. Sie bestritten zwar immer noch den Holocaust, suchten aber neue Argumente. 1981 gründeten Alfred Schickel und Hellmut Diwald die »Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt«. Hier versammelten sich Holocaustleugner und viele, die sie unterstützen wollten. Zweimal im Jahr finden Tagungen statt, auf denen die vermeintlichen neuen »Erkenntnisse« über den Nationalsozialismus vorgetragen werden. Ziel dieses Vereins, der seit über 35 Jahren aktiv ist, ist es, die Geschichtsschreibung zu verändern. Die Tagungen werden in den meisten rechten Zeitschriften positiv besprochen und aufgenommen. Besonders pikant ist, dass der ehemalige Bürgermeister Ingolstadts, Alfred Lehmann (CSU), mehrfach an den Tagungen teilgenommen hat und Horst Seehofer die Arbeit der »Forschungsstelle« in Grußworten lobte.
Eine weitere Strategie, den Holocaust zu relativieren, ist die Benutzung des Wortes in anderen Zusammenhängen. In Dresden demonstrierten beispielsweise jahrelang tausende alte und junge Nazis um an den »Bombenholocaust« zu erinnern. Unverhohlen verglichen dabei Redner die Bombardierung deutscher Städte mit dem Holocaust.
Immer wieder zweifeln Revisionisten auch das einzige erhaltene Protokoll der Wannseekonferenz an. Sie bestreiten dann, was kein Historiker behauptet, dass es einen Befehl Hitlers zur Ermordung der jüdischen Menschen gegeben hat und behaupten, dass alle Dokumente die gefunden worden sind, Fälschungen von Zionisten sind, die von Deutschland Geld erpressen wollen.
Damit schließt sich dann auch der Kreis zu Wolfgang Gedeon wieder. Er behauptet bis heute von sich, mit Antisemitismus nichts zu tun zu haben, sondern Antizionist zu sein. Deswegen beruft er sich wahrscheinlich auch immer wieder auf die einflussreichste antisemitische Schrift der Neuzeit »Die Protokolle der Weisen von Zion«. Zumindest das hat er mit Hitler gemeinsam, für ihn waren die »Protokolle« auch ein geschichtliches Zeugnis aus dem er seinen Antisemitismus schöpfte.