Kritik unter Extremismusverdacht

geschrieben von Ulrich Sander

9. August 2017

Ein Konferenzbericht aus Berlin

Die Konferenz »Nicht zu fassen. Das Extremismuskonzept und neue rechte Bewegungen« wurde im Juni von einer Gruppe Stipendiaten und Stipendiatinnen der Hans-Böckler-Stiftung organisiert. Diese Überlegungen lagen der Konferenz zugrunde:

Während rassistischen und nationalistischen Bewegungen mit der Entschuldigung, lediglich »besorgt« zu sein, begegnet wird, geraten Akteure aus der kritischen Zivilgesellschaft zunehmend ins Visier staatlicher Behörden. Durch den Verdacht »linksextrem« zu sein, oder sich nicht von »Linksextremismus« abzugrenzen, werden sie als eine Bedrohung der Demokratie kategorisiert. Die Veranstalter: »Wir möchten der Fassungslosigkeit gegenüber dem Aufstieg neuer rechter Bewegungen wie AfD, Pegida und Co. in den letzten Jahren Reflexion und Motivation zur Aktion entgegensetzen.«

Weiter führten sie aus: »Während im öffentlichen Diskurs das Extremismuskonzept nach wie vor als Deutungsraster für rechte Bewegungen genutzt wird, halten wir diese Gegenüberstellung von guten Demokrat/innen und bösen Extremist/innen für einen Teil des Problems und nicht der Lösung: Die Einteilung kann weder den Aufstieg rechter Bewegungen erklären, noch alltägliche Diskriminierungsformen oder Ausgrenzungsideologien aus der gesellschaftlichen Mitte fassen.«

Best friends forever – die AfD und das Extremismuskonzept

Maximilian Fuhrmann berichtete in dieser Arbeitsgruppe über eine wenig beachtete Veranstaltung. Am 18. März 2017 führte die Alternative für Deutschland einen Extremismus-Kongress unter dem Titel »Deutschland im Fadenkreuz« durch. Vertreter von Sicherheitsbehörden und der Extremismusforschung diskutierten über die Gefahren für die bundesdeutsche Demokratie. Dass die AfD selbst keine solche Gefahr darstellt, sondern ein »Alternativangebot innerhalb des Systems« (Werner Patzelt) ist, darüber ist sich die Partei mit der Extremismusforschung und dem Verfassungsschutz einig. Folglich hindern deren Analysen die AfD nicht daran, das Sagbarkeitsfeld für menschenfeindliche Parolen auszuweiten.

Auch im Umgang mit dem politischen Gegner kommt der AfD das Extremismuskonzept sehr gelegen. Der Vorwurf des »Linksextremismus« verfängt nach wie vor relativ gut, auch weil die so Bezeichneten meist unsouverän mit diesem Vorwurf umgehen. Die skizzierten Strategien sind nicht neu, finden aber erheblichen Resonanzraum: Der »Durchmarsch von rechts« ist in vollem Gange und die AfD sitzt bald im Bundestag. Müssen die Instrumente gegen die Strategien des Extremismuskonzepts neu justiert werden? Ernstzunehmende Kritik an rechten Bewegungen wie der AfD ist zu üben, aber andererseits nicht die gesellschaftliche Mitte aus dem Blick zu verlieren.

Zu den eng mit der AfD verbundenen Bewegungen wurde festgestellt: Pegida wird gegen »antidemokratische Extremist/innen« abgegrenzt und als »normale demokratische Mitte« definiert. Tatsächlich erfüllt solches Reden über Pegida die Funktion, rassistische und nationalistische Inhalte zu verharmlosen, zu normalisieren und damit unkritisch in das Feld des demokratischen Diskurses und des legitimen Handelns zu integrieren.

Der Staat und sein einseitiges Vorgehen

Redner und Rednerinnen auf dem Podium der Auftaktveranstaltung hatten zunächst berichtet, wie sie zum Label »Extremist/in« gekommen sind und was dies für ihr politisches Handeln bedeutet.

Katharina König ist Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke in Thüringen. Sie war Mitglied des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses und beschäftigt sich mit Antifaschismus und der Arbeit der deutschen Geheimdienste. 2012 versuchte der Verfassungsschutz einen ihrer Mitarbeiter als V-Mann anzuwerben. Ihre Partei ist bis heute Extremismusvorwürfen und geheimdienstlichen Maßnahmen ausgesetzt.

Cécile Stephanie Lecomte engagiert sich als Umweltaktivistin gegen Atomkraft und Gentechnik in den sozialen Bewegungen. Bekannt geworden ist sie für spektakuläre Kletteraktionen, die ihr den Spitznamen »Eichhörnchen« eingebracht haben. Ihr Aktivismus hat sie auch ins Visier von Staatsschutz und Geheimdiensten gebracht.

Michael Csaszkóczy ist Lehrer und Mitglied der GEW. Wegen seines antifaschistischen Engagements war er jahrelang von einem Berufsverbot betroffen. Michael muss sich juristisch dagegen wehren und war letztendlich erfolgreich. Heute arbeitet er als Realschullehrer.

Andrea Hübler vertrat das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Pirna. Das AKuBiZ in Pirna organisiert politische Bildung, kulturelle Projekte mit Jugendlichen und setzt sich gegen Diskriminierung ein. Es geriet 2010 in die Schlagzeilen, als der Verein den Sächsischen Förderpreis für Demokratie ablehnte und somit ein Preisgeld von 10.000 Euro ausschlug. Grund für die Verweigerung des Preises war die Extremismusklausel der sächsischen Landesregierung gegen die das Akubiz auch juristisch vorging.

Der Autor dieses Beitrags ist Bundessprecher der VVN-BdA. Er ergänzte die Berichte aus dem Podium durch die Darstellung des Vorgehens des Verfassungsschutzverbundes der Inlandgeheimdienste von Bund und Ländern, in dem die Bespitzelung der Antifaschisten und das Vorgehen gegen die VVN-BdA koordiniert und sogar der Schwur von Buchenwald als verfassungsfeindlich denunziert wird.