„Im Namen des Volkes“

19. November 2017

Zitate aus dem Urteil im Verfahren Silvia Gingold gegen das Land Hessen

„In dem Verwaltungsstreitverfahren der Frau Silvia Gingold… gegen das Land Hessen, vertreten durch das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen… hat das Verwaltungsgericht Kassel – 4.Kammer – …aufgrund der mündlichen Verhandlung am 19. September 2017 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.“

Über mehrere Seiten hinweg übernimmt das Verwaltungsgericht Kassel im schriftlichen Urteil vom 5.10. 2017  (Az: 4 K 641/13.KS) die Behauptungen des hessischen Verfassungsschutzamtes und macht sie damit zu einer Grundlage des Urteils:

„Der Beklagte trägt vor, im Falle der Klägerin lägen tatsächliche Anhaltspunkt vor, dass sie linksextremistische Bestrebungen verfolge.“

„Die Personenakte der Klägerin sei 2009 neu angelegt worden, da im Rahmen der Bearbeitung linksextremistischer Bestrebungen Aktivitäten der Klägerin innerhalb einer linksextremistischen Gruppierung bekannt geworden seien; weitere Ausführungen könnten aus Geheimhaltungsgründen nicht gemacht werden.“

Silvia Gingold wird „Aktivität für die VVN-BdA“ vorgeworfen.

Dabei wird insbesondere auf „eine Lesereise zusammen mit einem Funktionär der VVN-BdA im Oktober 20111 zu VVN-BdA-Veranstaltungen in Bayern (Bamberg, Hof, Regensburg, Freising, Würzburg)“  hingewiesen. „Grund der Speicherung sei hier gerade nicht die Tatsache, dass die Klägerin aus der Biographie ihres Vaters gelesen habe bzw. bei einer entsprechenden Lesung zugegen gewesen sei, sondern dass dies im konkreten Fall ihre Aktivität für die VVN-BdA belege.“

Schließlich wird ohne weitere Erklärungen aufgezählt:

„Die Klägerin habe im Rahmen des Pfingstcamps Süd der SDAJ am 18.05.2013 einen Vortrag gehalten.

In der Tageszeitung ‚junge welt‘, dem auflagenstärksten Printmedium des Linksextremismus, sei am 31.07.2013 unter der Überschrift ‚Aufklärerin im Blick ein Artikel über die Klägerin erschienen.

Auf den Pressefesten der DKP-Zeitung ‚unsere zeit‘ 2014 und 2016 sei nach der Vorführung eines Films über die Eltern der Klägerin ein Gespräch mit der Klägerin und ihrer Schwester vorgesehen gewesen.

Die Klägerin habe am 18.04.2015 auf der Konferenz der VVN-BdA und der Marx-Engels-Stiftung e.V. ein Referat zum Thema ‚Der Umgang der BRD mit Widerstandskämpfern und heutigen Antifaschisten‘ gehalten.

Auf der DGB-Veranstaltung am 14.11.2014 in Marburg habe die Klägerin ein Referat über das gegen sie verhängte Berufsverbot gehalten, aus dem sich ergebe, dass sie immer  noch DKP-Mitglied sei.

Die Klägerin habe für das Kasseler Friedensforum zusammen mit Dr. Ulrich Scheider von der VVN-BdA einen Aufruf zur Einrichtung eines nationalen Gedenktages am 08.Mai unterzeichnet.

Schließlich habe die Klägerin als Kontaktperson einen Mobilisierungsaufruf der DKP Gießen zur Teilnahme am Protest gegen eine Bundeswehr-Veranstaltung in Fritzlar am 13.06.2015 unterstützt.“

Unter „Entscheidungsgründe“ für die Abweisung der Klage führt das Gericht u.a. an,

„dass sie (die Klägerin) am 28.01.2012 eine Rede zum Thema ’40 Jahre Berufsverbote in der BundesrepublikDeutschland‘ im Rahmen einer Demonstration unter dem Motto ‚Staatliche Unterstützung für Nazis beenden – Verfassungsschutz auflösen‘ gehalten hat, sowie ihre Teilnahme an einer ‚Lesereise‘ zusammen mit einem Funktionär der VVN-BdA in Bayern im Oktober 2011.“

Über die Teilnahme an der Demonstration vom 28. Januar 2012 heißt es bereits vorher im Urteilstext:

„Die Demonstration am 28.01.2012 sei von dogmatischen und undogmatischen linksextremistischen Gruppierungen durchgeführt worden. Die Klägerin habe durch ihre Teilnahme deren Positionen unterstützt. Das Thema ihres Vortrages sei unerheblich, weil sie sich nicht von diesen Gruppierungen distanziert habe.“

Schließlich erklärt das Gericht in dem schriftlichen Urteil:

„Die streitbefangenen Dateneinträge hat das Landesamt für Verfassungsschutz vor dem Hintergrund einer aus behördlicher Sicht hinreichend dokumentierten Einbindung der Klägerin in linksextremistische Kreise und Betätigung innerhalb dieser Szene vorgenommen.

Linksextremismus steht im Allgemeinen als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen.

Anhänger linksextremistischer Gruppen stellen regelmäßig zumindest einzelne der verfassungsrechtlichen Schutzgüter in Frage… Solche Personen richten sich damit gegen Grundbestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Teile der betreffenden Szene verfolgen ihre Ziele im Übrigen auch unter Anwendung von Gewalt…

 

Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass die Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen grundsätzlich als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung… anzusehen sind und die hieran anknüpfende Sammlung von Informationen und personenbezogenen Daten sowie deren Speicherung für verfassungsschutzrechtliche Zwecke rechtfertigen können“.