Nazialarm im Bundestag

geschrieben von Cornelia Kerth

10. Dezember 2017

Erste Kooperationen mit der AfD in Landtagen

12.000 Menschen demonstrierten am 22. Oktober rund um den Bundestag, einige Hundert direkt davor zur ersten Sitzung des neuen Parlaments gegen die AfD. 12,6 Prozent der Wähler haben sie gewählt. Noch am Wahlabend hat Spitzenkandidat Gauland allen anderen – den 87,4 Prozent, die andere Parteien gewählt haben, den 25 Prozent, die nicht gewählt haben und den vielen, die nicht wählen durften – gedroht: »Wir holen uns unser Land zurück und wir holen uns unser Volk zurück«. Er spricht es nie offen aus, aber das »Zurück« verortet das handelnde »Wir« ganz deutlich in der deutschen Vergangenheit.

94 Sitze hat die AfD gewonnen, 92 Abgeordnete bilden ihre Fraktion. Die »Abtrünnigen« haben für das gleiche Programm kandidiert. Gewählt haben ihre Wählerinnen sie nicht trotz Höcke, sondern auch wegen ihm und wegen all der extrem rechten Positionen und Provokationen, die im Wahlkampf öffentlich wurden. Wie sonst wäre zu erklären, dass ihr Stimmenanteil sich seit ihrem Kölner Parteitag, bei dem Frau Petri und ihre angeblich gemäßigten Anhänger völlig isoliert waren, stetig nach oben entwickelt hat?

Gerd Wiegel, Referent der Linksfraktion im Bundestag, hat die neuen Abgeordneten aufgelistet und die verfügbaren Informationen ausgewertet. Bei 30 von ihnen ist eine politische Einschätzung bisher nicht möglich, vorläufig 40 rechnet er der »Parteirechten« zu.

Darunter der Vorsitzende der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier (»Wenn wir kommen, wird aufgeräumt«), der Freiburger Staatsanwalt Thomas Seitz, der SPD, Grüne und Linke als »Verräterbande« und Geflüchtete als »Invasoren« bezeichnet, der Berliner Naturwissenschaftler Gottfried Curion, der von »Geburten-Djihad« spricht und die »Entheimatung« der Deutschen halluziniert und Siegbert Dröse aus Sachsen, dessen PKW das Kennzeichen »L-AH 1818« trägt.

Der älteste Abgeordnete des Bundestags, der traditionell die erste Sitzung eröffnet hätte, zitierte die Aussage des italienischen Neofaschisten Mario Consoli, der Holocaust müsse »ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bliebt und als Vize-Präsidenten schlug die AfD mit Albrecht Glaser einen Kandidaten vor, der Muslimen das Grundrecht auf freie Religionsausübung entziehen will. Dass Glaser in drei Wahlgängen nicht gewählt wurde, trug der Fraktionsvorsitzenden eine Einladung in die Tagesthemen ein, in der sie über Demokratie, Grundgesetz und den Islam dozieren durfte. Das lässt erahnen, dass auch nach den Wahlen Medienpräsenz und Themen der AfD gesichert bleiben.

Ganz sicher ist, dass 94 Abgeordnete rund 400 Mitarbeiterinnen in Bundestags- und Wahlkreisbüros einstellen werden. Angesichts der geringen Dichte an eigenem Personal, dürften diese zu einem erheblichen Teil der alten und der »neuen« Rechten entstammen, dem Umkreis der »Jungen Freiheit« und der Sezession, den Identitären und verschiedenen Burschenschaften. Wir wissen, welche Macht, die »Deutsche Stimme« im Verbund mit der sächsischen Landtagsfraktion der NPD und ihren Mitarbeitern in Sachsen entfalten konnte. Nicht zufällig hat die AfD dort und ganz besonders in der Sächsischen Schweiz ihre besten Ergebnisse erzielt.

Kaum weniger als 500 aus Steuergeldern bezahlte Nazis und ihnen Nahstehende werden in den nächsten vier Jahren versuchen, ihren Einfluss in Deutschland zu vergrößern. Es ist unser Auftrag, das zu verhindern.

Dabei können wir nicht bei der AfD stehen bleiben. Breiter Protest gegen die extreme Rechte im Land muss auch die in die Verantwortung nehmen, die ihnen den Weg bereitet und rassistische Diskurse gesellschaftsfähig gemacht haben: Die hessische CDU mit ihrer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, Thilo Sarrazin mit »Deutschland schafft sich ab«, die SPD, die ihn nicht ausgeschlossen hat und die Medien, die das Machwerk zum Bestseller gemacht haben. Breiter Protest muss auch gegen die gerichtet werden, die im Windschatten der AfD nach rechts außen streben, wie die CSU, die eine angeblich »rechts offene Flanke schließen« will. Schon gibt es die ersten Kooperationen zwischen CDU und AfD: gemeinsam haben sie in Sachsen-Anhalt die Einrichtung einer Enquete-Kommission zum »Linksextremismus« beschlossen.

Die AfD zu isolieren bedeutet auch Kritik an jenen, die glauben, Wähler und Wählerinnen zurückzugewinnen, indem sie Themen und Haltungen von rechts übernehmen oder nach rechts korrigieren, von »Obergrenze« bis »man habe sich die Haltung zu den Flüchtlingen zu einfach gemacht.« Nicht der Aufruf des »dienstältesten« Abgeordneten Solms (FDP) auf Ausgrenzung und Stigmatisierung zu verzichten, darf die nächsten vier Jahre bestimmen, sondern der Appell, den »Aufstehen gegen Rassismus« an alle neugewählten Abgeordneten gerichtet hat: Keine Zusammenarbeit mit der AfD!

Das wollen wir gemeinsam mit vielen Bündnispartnern noch einmal deutlich machen, wenn die AfD beim Bundesparteitag am 2. Dezember in Hannover ihren Einzug ins Parlament feiern und Björn Höcke in den Bundesvorstand wählen will: Stoppt die AfD. Aufstehen gegen Rassismus. Unsere Alternative heißt Solidarität

 

Stolz auf die »Leistungen der deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen«, Deutschland als »Marionetten«-Staat, »Siegermächte« und Araber und Sinti und Roma als »kulturfremde Völker« – solche Äußerungen des Spitzenpersonals gingen breit durch Medien. Die Wähler und Wählerinnen hat es zumindest nicht gestört. Auch »Protest« hat eine Richtung.