Kunst in Buchenwald

geschrieben von Ulrich Schneider

15. Juni 2018

Auftrag im Widerspruch zwischen SS-Anspruch und Kreativität

Wer sich den menschenfeindlichen Alltag in einem Konzentrationslager vor Augen führt, dem erscheint es unmöglich, dass unter diesen Bedingungen der kreative Freiraum existierte, der für die Schaffung von Kunst notwendig ist. Umso beeindruckender ist es, wenn man entdeckt, was Häftlinge des KZ Buchenwalds an künstlerischen Werken hervorgebracht haben.

Der SS war bekannt, dass sich unter den Häftlingen auch einige befanden, die in einen künstlerischen Beruf ausgeübt hatten und als Maler, Bildhauer, Gestalter, Kunsthandwerker oder Musiker tätig waren. Um deren Fähigkeiten für die Interessen der SS auszunutzen, entstand im Komplex der »Deutschen Ausrüstungswerke« neben dem eigentlichen Lager eine »Künstlerwerkstatt«, in der zuerst deutsche Häftlinge, später auch künstlerisch Begabte aus anderen Ländern für die SS Alltagsdekor und andere Produkte erstellen mussten. Bekannt sind ein Schreibtischset für den Lagerkommandanten, Aschenbecher in verschiedenen Formen, Holzkästchen mit Intarsien-Arbeiten und andere Gebrauchsgegenstände sowie Segelschiffmodelle, die als Vitrinendekor von verschiedenen höheren SS-Leuten und anderen Dienststellen angefordert wurden. Natürlich gehörten auch Aquarell- und Ölbilder mit Portraits, Landschaftsmalereien und Dekorcharakter dazu. Daraus entwickelte sich ein regelrechtes »Auftragswesen« für die SS.

Die Arbeit in der Künstlerwerkstatt hatte für die Häftlinge durchaus positive Seiten. Dadurch, dass ihre Fähigkeiten für die SS von Nutzen waren, war die Behandlung der Häftlinge in diesem Arbeitsbereich deutlich besser, als in vielen anderen Arbeitskommandos. Ein wichtiger Punkt bestand allein schon darin, dass man in geschlossenen Räumen arbeitete, die regelmäßig beheizt wurden. Im Vergleich zu den Baukommandos, bei denen man Wind und Wetter ausgesetzt war, war die Überlebenschance hier deutlich höher. Auch die Behandlung durch die SS-Aufseher war besser als in vielen anderen Arbeitskommandos. Es konnte vorkommen – insbesondere, wenn das Ergebnis die SS-Leute überzeugt hatte – dass Häftlinge als Belohnung für die Arbeit kleine Vergünstigungen erhielten, zusätzliche Lebensmittel, Zigaretten oder weitere Entlohnungen.

Für einen Künstler war diese Arbeit trotzdem einschränkend, da jegliche Kreativität und freie künstlerische Ausdrucksform von der Vorstellung der SS-Auftraggeber begrenzt war. Und diese »Herrenmenschen« sahen sich selbst oftmals als »Kulturmenschen«, so dass ihre Vorstellungen von Gestaltung und Darstellung die verbindlichen Vorgaben für die Häftlinge darstellten. So musste der holländische Häftling Henri Pieck in Öl eine »See- und Stadtlandschaft« im Stil der alten Niederländer für den SS Arzt Ernst Reichelt malen.

In diesem System fanden die Häftlinge aber immer wieder Freiräume, die sich aus der Inkonsequenz faschistischer Kulturpolitik ergaben. Ein gutes Beispiel dafür ist das schmiedeeiserne Eingangstor des KZ Buchenwald. Schon Mitte der 20er Jahre hatten die NSDAP und das reaktionäre Weimarer Bürgertum das »Bauhaus« als »links und internationalistisch« erfolgreich aus der Stadt vertrieben. Als jedoch der Bauhaus-Meisterschüler Franz Ehrlich nach seiner Zuchthaushaft ins KZ Buchenwald verschleppt wurde, befahl ihm der SS-Bauleiter 1938, einen typografischen Entwurf für den zynischen Spruch »Jedem das Seine« im Lagertor anzufertigen. Dort nach innen lesbar angebracht, demonstrierte er das Recht der SS auf brutale Aussonderung und Ermordung der Häftlinge. Franz Ehrlich entwarf die Buchstaben im Stil der Bauhaus Typographie, ohne dass das von der SS beanstandet wurde.

Manche Künstler nutzten die sich bietenden Gelegenheiten und die vorhandenen Materialien und Möglichkeiten für eigene kreative Arbeiten. Erst vor einigen Jahren wurden in einem Gebäude des Außenkommandos Schönebeck bei Magdeburg die Wandmalereien des polnischen Häftlings Józef Szajna gefunden. Seine »Karpatenlandschaft« schildert zwar eine »heile Welt«, er entwarf damit jedoch eine Gegenvision zur Lagerwirklichkeit, über die es im Buchenwald-Lied heißt »und einmal kommt der Tag, dann sind wir frei!« In einem aufwändigen Verfahren, wurden die Wandstücke abgetragen, gesichert und nun in der Dauerausstellung zur Kunst präsentiert.