Weiterhin »leuchtende Vorbilder«?

geschrieben von Jakob Knab

15. Juli 2018

Die Umbenennung dieser Kasernen stünde jetzt dringend an

Niedersachsen ist die politische Heimat der Bundesministerin der Verteidigung. Am 28. März 2018 wurde in Hannover die Umbenennung der Emmich-Cambrai-Kaserne öffentlich inszeniert. Auszug aus der Rede der Ministerin: »Was können wir aus der Geschichte für das Heute lernen? Wo sind unsere Fundamente, auf die wir die Gestaltung unserer Zukunft bauen?« An diesem Tag wurde auch der neue Traditionserlass in Kraft gesetzt. Hier ein Auszug: »Der verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig. Die Bundeswehr ist freiheitlichen und demokratischen Zielsetzungen verpflichtet. Für sie kann nur ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf professionelles Können im Gefecht reduziert, sinn- und traditionsstiftend sein.« Als zwingende Konsequenz daraus sehen wir die Umbenennung dieser Liegenschaften:

Schulz-Lutz-Kaserne in Munster

Am 3. Februar 1944 meldete der Völkische Beobachter: »Generalmajor Adalbert Schulz ist gefallen, Held vieler Panzerschlachten. Er war hart wie Stahl, und er war so ein wahrer Panzermann. Furchtlos war er, dieser Mann. Generalmajor Schulz ist tot. Rattern der Panzermotoren, Klirren der Raupenketten, Krachen der Panzerkanonen – das ist sein Trauermarsch.« Meldung im Heeresbericht vom 28. Januar 1944: »Schicksal und Haltung dieses Mannes sind ein leuchtendes und verpflichtendes Vorbild.« Für die Traditionspfleger in Niedersachsen allemal…

Hindenburg-Kaserne in Munster

Als Leiter der III. Obersten Heeresleitung (OHL) stand er seit August 1916 für eine Militärdiktatur und für die totale Mobilmachung von Wirtschaft und Gesellschaft zugunsten einer radikalen Siegfriedenspolitik. Nach dem Ende des Krieges nährte Hindenburg die »Dolchstoßlegende«. Sein unheilvolles Vermächtnis: Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler zum neuen Reichskanzler. Mit Erlass vom 12. März 1933 vollzog Hindenburg die Tilgung von Schwarz-Rot-Gold als Nationalfarben; das wurde dadurch bewirkt, dass nur noch Schwarz-Weiß-Rot sowie Hakenkreuzflagge (gemeinsam!) gesetzt wurden. Dies war eine bewusste Abkehr von der 1848er Demokratiebewegung. Der »Tag von Potsdam« (21. März 1933), als sich Hitler vor Hindenburg verbeugte, erhöhte das Ansehen des NS-Regimes im In- und Ausland.

Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst

Auszug aus dem MGFA-Gutachten vom 15. Januar 2013: »Sein militärischer Einsatz diente der gewaltsamen Durchsetzung der rasseideologischen Ziele des nationalsozialistischen Regimes, das vor allem auf dem ost- und südosteuropäischen Kriegsschauplatz den Massenmord an den europäischen Juden, der Vernichtung des ‚jüdischen Bolschewismus‘, betrieb. Am 1. April 1966 wurde die Kaserne in Delmenhorst nach Lilienthal benannt. Mit dieser öffentlichen Ehrung durch die Bundeswehr wurde die kriegerische Tüchtigkeit des ehemaligen Unteroffiziers Lilienthal gewürdigt. Denn seine Taten zeugen, so die Begründung für die Namensgebung, »von militärischer Pflichterfüllung und von einer Haltung, die gerade den heutigen Soldaten Vorbild sein könnte«.

Lent-Kaserne in Rotenburg (Wümme)

Noch am 22. Juni 1944, am dritten Jahrestag des Angriffs auf die Sowjetunion, sprach Lent vom Endsieg und rief seine Männer dazu auf, »in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen«. Er forderte auch, dass »Feiglinge erbarmungslos ausgerottet« werden müssen. Beim Staatsakt für den im Oktober 1944 tödlich verunglückten Lent rühmte Reichsmarschall Göring dessen »unvergängliches Heldentum«. Im Juli 1964 ging Görings Vermächtnis in Erfüllung, als die Kaserne in Rotenburg (Wümme) nach Lent benannt wurde. Hier führte ein Weg von der NS Kriegspropaganda zur landläufigen Traditionspflege. Indes: Die öffentliche Ehrung von Hitlers Kriegshelden ist die Verherrlichung von Gewalt.

Lents falsche Glorie glänzt aber weiterhin. Denn ein Oberstleutnant d.Res. gelangte bei einem Vortrag am 28. April 2017 zu dieser Umerzählung: »Der Name Lent ist nach alledem unbefleckt, sowohl militärisch als auch persönlich.« Angesichts dieser Plättung der Geschichte stimmte dann die überwältigende Mehrheit der Vertrauensleute in der Kaserne dafür, den angeblich makellosen Traditionsnamen »Lent« beizubehalten. Das Ministerium in Berlin hält sich dennoch an dieses ermessensfehlerhafte Votum der Soldaten vor Ort. Man beruft sich dabei auf »bewährte Verfahren« statt zwingend korrigierend einzugreifen, wenn vor Ort per Mehrheitsvotum gegen die Richtlinien zur Traditionspflege verstoßen wird. Der geschichtspolitische Skandal um die Lent-Kaserne wurde für die Ministerin zum öffentlichen Test darüber, ob die Neubenennung in Hannover der Auftakt zur Reform des Traditionsverständnisses oder nur Kosmetik, Schaulaufen und eine medienwirksame Inszenierung war.

Jakob Knab ist Sprecher der »Initiative gegen falsche Glorie«