Ein unbesungener Held
24. Juli 2018
Das letzte Buch der Vera Friedländer
Vera Friedländer setzt mit ihrem Buch dem unbekannten Krefelder Alfred Wohlgemuth ein Denkmal. Er half jüdischen Menschen, und wurde deswegen selbst Opfer des Nazi-Terrors.
Seine Frau, Maria Wohlgemuth, hat später mit Historikern über ihre Geschichte gesprochen, doch die glaubten ihr nicht. Einer stieß dann im Buch Vera Friedländers auf den Namen Tawrigowski. Die Tawrigowski genannten Friedländers waren Veras Familie. Frau Wohlgemuths Erzählung war also wahr.
Alfred arbeitet in der Krefelder Commerzbank. Sie veranlasst ihn zur NSdAP- Mitgliedschaft und schickt ihn 1942 nach Berlin. Nach langer Suche findet das Paar ein Zimmer in der Tilsiter Str. 66, bei einem alten polnischen Juden. Sie helfen ihm, nach dem Fußbad die Füße abzutrocknen und die Socken anzuziehen.
Erika Tawrigowski und Maria lernen sich auf merkwürdige Weise kennen: Erika steht schwanger in der Straßenbahn, Maria bietet ihr ihren Platz an, doch Erika sagt: »Für mich ist Sitzen verboten.« Sie steigen gemeinsam aus und verabreden sich. Ihre Männer, die beide gerne Musiker geworden wären, verstehen sich. Dass Erika und Benno Tawrigowski Sternträger sind, behindert die Freundschaft nicht. Alfred sieht in Benno seinen einzigen Freund in Berlin. Sie treffen sich bei ihm, gehen aus, musizieren. In größter Not vertrauen sich die Tawrigowskis dem westfälischen Paar an.
Maria versucht daraufhin, die dreijährige Gitta in Krefeld zu verstecken. In Berlin fälscht Alfred für Benno einen NSDAP-Ausweis und gibt ihm seinen Ausmusterungsschein. Die jüdische Familie will in die Schweiz, doch in Lörrach wartet die SS. Bennos Spuren verlieren sich sofort. Alfred wird vier Wochen nach Benno‘s Abreise von der SS abgeholt. Er gibt die Fälschung zu. Der Grund: »Sie haben mir leid getan.« Er wird brutal misshandelt, verliert ein Auge. Der schwangeren Maria droht der Entzug von Wohnraum und Lebensmittelmarken. Ihr Mann bekommt bei Gericht 3 Monate Haft wegen unbefugter Überlassung von Ausweispapieren an Juden. Wie ein Postpaket wird er gegen Unterschrift seiner Frau übergeben, für immer ein kranker Mann. Bei ihm werden innere Blutungen vermutet, die nur kurze Zeit gestoppt werden können. 1947 zieht die Familie nach Krefeld zurück. Alfred Wohlgemuth stirbt 1950 mit 30 Jahren.
Eine Opferanerkennung wird ihm erst zugesprochen, dann wieder aufgehoben, da das Überlassen von Papieren an Juden keinen Kampf darstelle. Ein Kämpfer war er auch nicht. Er handelte, weil er sein Gefühl für Menschlichkeit nicht verloren hatte.
Eines Tages liegt Knut Elstermanns Buch in Vera Friedländers Post. Seine Heldin Gerda fuhr am 18. April 1944 mit dem 51. Osttransport nach Auschwitz. Im Zug sprach Gerda mit einer gleichaltrigen Frau mit einer kleinen Tochter darüber, was sie am Zielort erwartet. Die kleine Gitta war Vera Friedländer.