Früher Widerstand

geschrieben von Günter Wehner

24. Juli 2018

Junge Sozialdemokraten bildeten den »Roten Stoßtrupp«

Der »Rote Stoßtrupp« war eine der ersten illegalen Widerstandsgruppen gegen das NS-Regime. Bereits 1932 wurde die Gruppe von Rudolf Küstermeier initiiert. Zu ihr gehörten ca. hundert vorwiegend sozialdemokratische junge Arbeiter, Angestellte und Studenten, die unmittelbar nach Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland aktiv wurden. Mit ihrer illegalen Zeitung »Roter Stoßtrupp« betrieben sie wirkungsvolle Aufklärungsarbeit in Berlin, die sie landesweit ausdehnten. Der Autor schätzt ein, dass ca. 7500 Leser die illegale Zeitung lasen und auch weitergaben.

Diese umfangreiche illegale Aufklärungsarbeit war nur möglich durch eine straffe Führung, die durch den »Roten Stab« unter Leitung von R. Küstermeier erfolgte.

Dennis Egginger-Gonzalez: »Der Rote Stoßtrupp - Eine frühe linkssozialistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus«  Lukas Verlag Berlin 1. Auflage 2018, 794 S. Das Buch basiert auf der Dissertation des AutorsDennis Egginger-Gonzalez: »Der Rote Stoßtrupp - Eine frühe linkssozialistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus«  Lukas Verlag Berlin 1. Auflage 2018, 794 S. Das Buch basiert auf der Dissertation des Autors

Dennis Egginger-Gonzalez: »Der Rote Stoßtrupp – Eine frühe linkssozialistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus«
Lukas Verlag Berlin 1. Auflage 2018, 794 S. Das Buch basiert auf der Dissertation des Autors

E. Egginger-Gonzalez betont, dass es sich bei den zwölf Führungspersönlichkeiten der Widerstandsgruppe um junge Männer im Alter von zwanzig bis dreißig Jahre handelte, die stark sozialdemokratisch geprägt waren. Sie konzentrierten sich bei ihrem illegalen Wirken auf die Herausgabe und den Vertrieb des »Roten Stoßtrupp« sowie der Bildung eines weit gefächerten illegalen Netzes und wandten auch die Taktik des Trojanischen Pferdes an. Zur Absicherung gegen die Gestapo schufen die Widerständler ein Fünfergruppensystem, in dem immer nur der Leiter der Gruppe den Kontakt zur Nachbargruppe hielt.

Gedeckt durch diese konspirative Arbeitsweise entwickelte sich der »Rote Stoßtrupp« zu einer der bedeutendsten Widerstandsgruppe in Berlin. In mehreren Stadtbezirken konnten die Antifaschisten per Rotationsdruck ihre illegale Zeitung herstellen und sie über ein ausgeklügeltes Versandnetz verbreiten.

Durch das Wirken des »Roten Stoßtrupps« wurden unterschiedlichste Widerstandskreise auf die Gruppe aufmerksam. Ab Mitte 1933 bemühte sich der Rote Stab, Kontakte zu überregionalen Widerstandsgruppen herzustellen sowie ein breit gefächertes illegales Netz gegen die NS-Diktatur zu schaffen. Gleichzeitig versuchte er gezielt, mit internationalen Arbeiterorganisationen Kontakt aufzunehmen, um sich Finanzierungsmöglichkeiten für das illegale Wirken zu erschließen.

Gestützt auf akribische Forschungs- und Recherchearbeit schildert D. Egginger-Gonzalez den Aufbau der Widerstandsorganisation auch außerhalb von Berlin.

Bedingt durch die umfangreiche illegale Propagandarbeit und durch die massenhafte Verbreitung der Zeitung »Der Rote Stoßtrupp« war die Gestapo früh auf die Gruppe aufmerksam geworden und verfolgte sie rigoros. Der Autor berichtet detailliert, wie ab Ende 1933 bis Anfang 1934 rund 150 Antifaschisten verhaftet und davon 61 angeklagt und zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. D. Egginger-Gonzalez erläutert in Bezug auf die Justizverfahren, dass in Berlin vier Prozesse gegen den Roten Stoßtrupp durchgeführt wurden und zwar unterteilt in Leser und Verteiler der illegalen Zeitung. Der Prozeß gegen den Roten Stab erfolgte vor dem neu gegründeten Volksgerichtshof in Berlin, der besonders harte Strafen aussprach.

Entsprechend der territorialen Breite der Organisation fanden auch in Hameln, Hamburg und in Leipzig Prozesse statt. Der Autor hebt hervor, dass über die gleichgeschaltete deutsche Presse aber auch die freie Presse des Auslandes ausführlich über die Prozesse gegen die Angehörigen des »Roten Stoßtrupps berichtetet wurde. Den NS-Repressivorganen gelang es bis Ende 1933, den »Roten Stoßtrupp« weitgehend zu zerschlagen. Dennoch blieben nicht wenige Mitglieder unentdeckt und setzten die illegale Arbeit fort.

Zu Recht betont der Autor, dass die Geschichte des »Roten Stoßtrupp« für den Zeitraum nach 1933 bis zum Mai 1945 unerforscht blieb und bisher nicht geschrieben wurde.

Die Vielfalt des illegalen Wirkens der in Freiheit verbliebenen Antifaschisten skizziert er am Aufbau eines Hilfsfonds für die Inhaftierten und deren Angehörige. Ferner konnte D. Egginger-Gonzalez gestützt auf seine exakte Forschung nachweisen, dass sich der »Rote Stoßtrupp durch Kurt Megelin erneut zuerst in Berlin, dann aber auch über das gesamte Land teilweise rekonstruieren konnte. So gab es Verbindungen zum Kreisauer Kreis, zu Wilhelm Leuschner und zu Emigranten im Ausland

Es ist dem Autor gelungen, umfassend und anschaulich über die jahrelange illegale Arbeit des »Roten Stoßtrupp zu berichten und mit der faktenreichen Publikation der illegalen Organisation den gebührenden Stellenwert in der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes zu verschaffen.

Ein besonderer Vorzug des vorliegenden Buches sind die vom Autor erarbeiteten Kurzbiografien der Angehörigen der illegalen Organisation, sie stellen 230 Personen vor.

An Hand umfangreichen Quellenmaterials in Form von Faksimiles, einer detaillierten Zeittafel und Fotos erhalten die Leser ein umfassendes Bild über den »Roten Stoßtrupp«. Abgerundet wird die Publikation durch einen fundierten Anhang.

Das Buch verdeutlicht, dass es immer noch weiße Flecken in Bezug auf den antifaschistischen Widerstand gibt. Es regt zum weiteren intensiven Forschen an.