Alles Lüge und Angabe?
21. Oktober 2018
Skandalöser Freispruch im Wehrhahn Prozess
Ende Juli hat das Düsseldorfer Landgericht im Wehrhahn-Prozess den Angeklagten Ralf S. freigesprochen. Vor achtzehn Jahren war am Düsseldorfer S-Bahn Bahnhof Wehrhahn eine mit dem Sprengstoff TNT gefüllte Rohrbombe explodiert. Nur durch Zufall wurde niemand getötet. Der Anschlag galt einer Gruppe jüdischer Einwanderer, die dort jeden Tag von der S-Bahn zum Sprachunterricht liefen. Von den zwölf Mitgliedern der Gruppe wurden zehn zum Teil schwer verletzt und eine hochschwangere Frau verlor ihr Baby.
Ralf S, ein bekannter Düsseldorfer Neonazi, war bereits kurz nach dem Anschlag ins Visier der Ermittler geraten. Der ehemalige Bundeswehrsoldat betrieb in unmittelbarer Nähe zum Tatort einen Militarialaden. Zeugen sagten aus, er hätte die jüdischen Einwanderer dafür verantwortlich gemacht, dass sein Geschäft nicht lief. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei auf seinem Computer Fotos vom Ort des Bombenanschlags. Seine damalige Freundin bezeugte, dass nach seinen Angaben die Polizei keine Spuren vom TNT gefunden habe, weil er alles gut versteckt hatte. Obwohl bereits damals einiges für Ralf S. als Täter sprach, wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Erst als er 2014 während einer Haftstrafe wegen Überschuldung und nicht bezahlter Rechnungen einem anderen Häftling gegenüber die Tat gestand und den Tod des ungeborenen Babys zynisch kommentierte, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf.
Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 war auch kurz der Frage nachgegangen worden, ob das Terrortrio für den Anschlag verantwortlich war. Bekannt ist, dass das NSU-Kerntrio 2001 und 2004 Bombenanschläge in Köln verübte. Einen Bezug gab es auch durch die Art der Bombe: Mit TNT gefüllte Rohrbomben sind von Neonazis immer wieder für Anschläge benutzt worden.
Das Gericht hat Ralf S. als Lügner und Angeber bezeichnet. Es hat aber unterlassen, sich mit der Theorie des führerlosen Widerstands und der einsamen Wölfe zu beschäftigen. Diese Theorie ist seit Mitte der achtziger Jahre in neonazistischen Strukturen diskutiert worden, Ihre Kernthese besagt, dass ein »einsamer Wolf« nach außen den Kontakt zu neonazistischen Gruppen meidet und allein Morde und Anschläge verübt.
Die Staatsanwaltschaft ist sofort nach der Urteilsverkündung in Revision gegangen.
1991 waren 40 kg TNT aus einer Kaserne in Thüringen gestohlen worden, die bis heute nicht wieder aufgetaucht sind. Bei der Durchsuchung der Garage, die das NSU-Kerntrio in Jena zum Bombenbauen benutzt hatte, wurde ebenfalls TNT gefunden. Wahrscheinlich halten Neonazis noch bis zu 38 kg davon versteckt.