»Gesucht«-Plakate: Fehlanzeige

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21. Oktober 2018

»XX, du Jude« und »Das KZ wartet auf dich«, das waren die letzten dieser Inschriften an unserem Wohnhaus. Die Hausgemeinschaft machte das weg. Mails wie: »Kommt Zeit kommt Rat kommt Attentat« löschte ich still für mich. Als die Polizei kam, um meinen Sohn und mich daran zu hindern, den Galgen auf der Kirchhofmauer gegenüber wegzumachen und das »Wir kriegen dich« – wir machten es mit einer schönen Friedenstaubenschablone -, da wurde es begründet mit einer Anzeige wegen Sachbeschädigung. Wir sagten, die Sache ist schon beschädigt und wir fühlten uns körperverletzt. Dann zogen die Nazis nächtelang vermummt und drohend ums Haus. Einmal grölten sie, betrunken von der Kirmes kommend: »Wir hängen XX an den höchsten Ast des Baums, Glorie Halleluja.« Doch da waren sie unvermummt. Und wir fotografierten sie; sie kamen vor Gericht und wurden verurteilt.

Ich stehe seit der Todesliste »Einblick« des Herrn Worch von 1993 vermutlich in weiteren solchen Listen. Es sollen 25.000 Namen auf Listen dieser Art bei Hausdurchsuchungen bei Neonazis gefunden worden sein. Die darin Aufgeführten wurden von der Polizei nicht benachrichtigt und gewarnt. Es gibt 457 Haftbefehle (Zahl vom März 2018) gegen Naziterroristen, die einfach nicht vollstreckt werden. Nie haben wir für diese Personen die »Gesucht«-Plakate« gefunden, die im Falle der RAF jahrelang an allen Tankstellen hingen. Und auch in allen Polizeidienststellen hingen sie. Dort hat man nicht mal mehr die »Einblick«-Liste im Archiv, wie mir im Polizeipräsidium eingestanden wurde. Ich legte dann eine Fotokopie dieses Dokuments vor, das offenbar noch immer als Anleitung zum Handeln kursiert. Darin heißt es – und die NSU-Mitglieder, von denen sicher noch viele frei herumlaufen, handeln nach dieser Aufforderung:

»Wir werden es hier tunlichst vermeiden, zur Gewalt im Sinne von Körperverletzungen, Tötungen usw. gegenüber unseren Gegnern aufzurufen. Jeder von uns muß selbst wissen, wie er mit den ihm hier zugänglich gemachten Daten umgeht. Wir hoffen nur, ihr geht damit um!!!« Und so geschah es. Und so geschieht es weiterhin.