Treffen in Rom
28. Januar 2019
Internationale Vernetzung antifaschistischer Kräfte notwendiger denn je
Offene Rassisten und extrem rechte Parteien in Regierungsverantwortung, antidemokratische, nationalistische und rechtspopulistische Parteien im Aufwind, offen faschistische und gewalttätige Gruppen auf den Straßen – mit solchen Stichworten lässt sich die aktuelle Situation in Europa beschreiben.
Vor diesem Hintergrund hatte die von ehemaligen Partisanen in Italien gegründete Organisation ANPI am 14. und am 15. Dezember zu einer internationalen Konferenz unter dem Motto »Antifaschist sein im heutigen Europa« (»Essere antifascisti oggi in Europa«) nach Rom eingeladen. Unter den gut hundert Gästen waren Vertreter antifaschistischer Organisationen sowie von Veteranenverbänden unter anderem aus Spanien, Portugal und Griechenland, aus Belgien, Deutschland, Großbritannien, Österreich, Kroatien, Slowenien und Ungarn sowie aus Polen und Russland. Grußschreiben kamen aus Frankreich, Polen und weiteren Ländern. Zumeist waren es Mitgliedsverbände der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), der seit 2004 auch Antifaschisten jüngerer Generationen beitreten können.
In Redebeiträgen und Diskussionen ging es nicht nur um eine Bestandsaufnahme aktueller Entwicklungen, sondern um politische Antworten der antifaschistischen Kräfte auf die Rechtsentwicklung und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Land und in Europa.
Gäste aus Italien, Belgien, Polen und Ungarn berichteten über die Probleme, die sich aus dem Einfluss der rassistischen, antidemokratischen und nationalistischen Parteien auf die Regierungen für politisches Engagement im Sinne der sozial Schwächsten der Gesellschaft und der Flüchtlinge ergeben.
Die Vertreter Österreichs, Sloweniens, Kroatiens und Serbiens verwiesen auf die Gefahren der Rehabilitierung von Ustascha-Faschisten als »Kämpfern für ein unabhängiges Kroatien«. Sie schlugen vor, auf das jährliche Geschichtsrevisionistentreffen in Bleiburg in Kärnten mit internationalen Aktionen zu antworten.
Sichtbar wurde die Vielfalt antifaschistischer Positionen in den jeweiligen Ländern. Einige forderten vor allem ihre Regierungen auf, das Handeln rassistischer und extrem rechter Parteien und Gruppen zu verbieten, andere, zum Beispiel der Vertreter einer Gewerkschaftsgruppe aus London, berichteten von Erfahrungen des gesellschaftlichen Widerstandes, Blockaden und anderen Aktionen. Unterschiedliche Meinungen gab es in der Frage, gegen wen oder was sich antifaschistische Aktivität konkret richten müsse. Einzelne vertraten die Position, dass nur konsequentes Handeln gegen den Kapitalismus als Wurzel der faschistischen Gefahr und gegen die EU beziehungsweise die NATO nötig sei. Die Mehrheit der Anwesenden plädierte aber für möglichst breitangelegte Aktionen gegen Rassismus und Faschismus, die ganz unterschiedliche politische Kräfte einbeziehen.
Positiv aufgenommen wurde der Vorschlag der FIR, eine Kampagne unter der Losung »Für ein Europa ohne Rassismus und Faschismus!« mit gemeinsamen Plakaten zur Europawahl im Mai 2019 auf den Weg zu bringen.
Der Blick war nicht nur auf die Mitgliedsverbände der FIR gerichtet, sondern auch auf die Vernetzung mit anderen antirassistischen und zivilgesellschaftlichen Initiativen wie »Stand up to Racism« in Großbritannien und dem Netzwerk »United«.
Zu einem internationalistischen Höhepunkt wurde der kurze Auftritt von Marina Silva, einer Gegenkandidatin zu Jair Bolsonaro im brasilianischen Präsidentschaftswahlkampf, der im Oktober mit dessen Sieg geendet hatte. Sie schilderte eindringlich die dramatische Entwicklung in ihrer Heimat, die durch juristische Verfolgung von Politikern der Linken, den Abbau demokratischer Freiheiten und vor allem der Rechte der Frauen sowie eine zunehmende Aggression gegen Venezuela geprägt ist.
Carla Nespolo, Präsidentin von -ANPI, betonte in ihrer Abschlussrede noch einmal die Verantwortung aller Antifaschisten für die Verteidigung der Freiheit, die Bewahrung des historischen Vermächtnisses und die Solidarität mit Menschen auf der Flucht. Sie unterstrich die Notwendigkeit der Vernetzung und Einheit der antifaschistischen und antirassistischen Kräfte in Europa und der Welt. Symbolisch wurde diese Einheit am Ende deutlich, als alle Teilnehmenden in ihrer jeweiligen Sprache das Partisanenlied »Bella Ciao« anstimmten.