Woher wir kommen

geschrieben von Heide Janicki, Paul Pockrandt

3. Februar 2019

Die Braunschweiger VVN erinnert an Robert Gehrke

Die Erinnerungen von Robert Gehrke ruhten lange Jahre unentdeckt im Bundesarchiv. Er beschreibt die Jahre vor der Novemberrevolution. Seine Anmerkung, das habe sich »vor mehr als 35 Jahren« zugetragen, lässt den Schluss zu, dass er sie Anfang bis Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts aufgeschrieben hat. Auch wenn er in dieser Niederschrift die Position des beobachtenden Berichterstatters einnimmt, so ist es doch sein eigenes Leben, an dem wir teilnehmen dürfen. Robert hat als organisierende, vorwärtstreibende Kraft in die Geschicke der Arbeiterinnen und Arbeiter Braunschweigs eingegriffen.

Die revolutionäre Arbeiterbewegung Braunschweigs

Die revolutionäre Arbeiterbewegung Braunschweigs

Es ist nicht die einzige bekannte Aufzeichnung von Robert Gehrke: So hält Robert Seeboth fest: »In Braunschweig wird 1928 aus Anlass des 10. Jahrestages der Novemberrevolution von 1918 eine Ausstellung erarbeitet, die vom 4. – 11. November 1928 unter dem Titel: »Revolution und Konterrevolution in Braunschweig«, im »Haus der geistigen Arbeit«, Hintern Brüdern, der Öffentlichkeit zugänglich war. In einem Artikel in der »Neuen Arbeiter Zeitung« dem Organ der KPD Niedersachsen, beschrieb Heinrich Rodenstein (nach dem 2.Weltkrieg Vorsitzender der GEW), die von ihm zusammengetragene Ausstellung. Gleichzeitig kommt einer der Hauptbeteiligten, Robert Gehrke, zu Wort, der am 8. November 1928 beginnt, die Erinnerungen an sein Leben und Wirken im revolutionären Braunschweig in der Neuen Arbeiter-Zeitung zu veröffentlichen. Der letzte Bericht der Serie in der NAZ erschien am 25. April 1929.«

In seiner Arbeit »Die sozialistische Jugendbewegung« beschreibt Robert Gehrke die Entstehung der organisierten Jugend im deutschen Reich und die Verhältnisse, die ihr zugrunde liegen, und geht dann mit hoher Sachkenntnis detailliert auf die Braunschweiger Jugend zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Wir kennen von ihm die »rote Broschüre«, in der er gemeinsam mit Robert Seeboth »50 Jahre November-Revolution« festgehalten hat.

Bei Recherchen zu »100 Jahre Novemberrevolution in Braunschweig« stießen wir auf die Signatur SgY30/0258, die uns zum Bundesarchiv und dieser hier vorliegenden Erinnerung von Robert Gehrke führte. Sie ist umfangreich und zusammenfassend.

Deutlich erkennbar lässt Robert sein privates Leben völlig unbeachtet. Doch er war nicht nur der politisch handelnde Mensch. Bereits als Jugendlicher lernt er Martha Ahlbrecht kennen. Sie heiraten 1920 und bekommen ihre Tochter Ingeborg. Martha war ebenfalls politisch tätig und kämpfte bis zuletzt an seiner Seite. Sie wird noch zu würdigen sein.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten hat das aus 155 Kopien bestehende Manuskript erworben und als Broschüre aufbereitet.

Die Beiträge aus dem »Volksfreund« und weitere Faksimiles sind von uns hinzugefügt worden. Die anschließende Kurzbiographie über Robert Gehrke beruht auf einer umfassenden Arbeit von Robert Seeboth, der wir hier Passagen entnommen haben. Wir lernen Robert Gehrke als Antifaschisten kennen, der 1933 verfolgt und verhaftet und nach Gefängnis und Zuchthaus ins KZ Buchenwald verbracht wurde, aus dem er nach zehn Jahren entlassen wurde. Wir lernen ihn kennen als jemanden, der die Lehren aus Faschismus und Krieg gezogen hat, der sofort das Ziel »Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg« in Braunschweig in Angriff nahm.

Robert Gehrkes Erinnerungen erzählen authentisch von den Kämpfen der Braunschweiger Arbeiter*innen-bewegung. Es ist ein Kapitel der von Menschen gemachten Geschichte, für die sie Verfolgung, Folter und Konzentrationslager auf sich genommen haben. Ihr Erbe ist die Erkenntnis, dass Geschichte veränderbar ist, für uns Aufgabe und Verpflichtung, in ihrem Sinne weiter zu handeln:

Befreiung von Ausbeutung und Fremdbestimmung, ein Leben in sozialer Sicherheit, Gleichheit und Frieden sind die humanistischen Werte der Arbeiter*innenbewegung – eine solidarische Gesellschaft bleibt das Ziel.