Kein »gemeinnütziger Zweck«?
7. April 2019
Das Finanzurteil gegen attac und andere Attacken
»Das Urteil muss Sorgen machen; es hat toxische Wirkung.« So schätzt Heribert Prantl, Jurist und seit vielen Jahren engagierter Redakteur und politischer Kommentator der Süddeutschen Zeitung, die Entscheidung des obersten deutschen Gerichts für Steuersachen ein, dem globalisierungskritischen Verein attac die Gemeinnützigkeit abzusprechen. Ein Akt, der bekanntlich konkrete Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten von Organisationen und Verbänden hat – was deren Finanzen und die diese sichernde Unterstützung durch Mitglieder, Spenderinnen und Spender betrifft.
Prantl zitiert aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs den seiner Meinung nach »entscheidenden Satz«: »Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck.« (Siehe dazu auch die Meldung »Politikverbot« auf Seite 10 dieser antifa)
Der Hinweis auf die »toxische Wirkung« solch eines Urteils wirkt – führt man sich vor Augen, welche Vereine und Gruppierungen künftig davon alle betroffen sein könnten – da beinahe noch milde. Im Grunde genommen wird hier demokratischem Engagement in seiner ganzen Fülle und Vielfalt die gemeinnützige Berechtigung abgesprochen. Für Politisches seien, so die Quintzessenz des Bundesfinanzhofes, die politischen Parteien da. Das müsse ja wohl reichen…
Interessant ist schon, dass es da gerade eine Initiative treffen soll, die aus ihren kritischen Positionen gegenüber weltweiten kapitalistischen Einflussnahmen und Projekten, gegenüber Umweltvernichtern, Klimakillern und Kriegsvorbereitern kein Hehl macht. Und interessant ist auch, wem dieses Urteil gelegen zu kommen scheint. Dazu der SZ-Kommentator: »Schon gibt es aus der CDU/CSU Forderungen nach einer Ausdehnung des Urteils zum Beispiel auf die Deutsche Umwelthilfe. Der CDU-Parteitag in Hamburg im Dezember hatte deren steuerliche Überprüfung gefordert. Die Parteipolitik versucht, auf die Finanzämter durchzugreifen.«
Derlei ist nun manchen Landesvereinigungen der VVN-BdA oft seit längerem nicht ganz fremd, wenngleich es für solche »Durchgriffe« bisher nicht des aktuellen Bundesfinanzhof-Urteils bedurfte. Hier berief man sich stattdessen bei Angriffen auf die Gemeinnützigkeit der NS-Verfolgtenorganisation auf »Erkenntnisse« des Inlandsgeheimdienstes Verfassungsschutz. Noch geht es in diesen Fällen um »schwebende Verfahren«. Auch im attac-Fall ist ja das letzte Wort noch nicht gesprochen. Solidarität, demokratische Unterstützung und öffentliche Kritik sind hier wie dort also weiterhin wichtig und hilfreich.