Versagen und Vertuschung

geschrieben von Götz Schubert

7. April 2019

Reflexion eines Gesprächs über: »Ende der Aufklärung – die offene Wunde NSU«.

Anlässlich der Herausgabe des Buchs »Ende der der Aufklärung« hat die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten« ein Gespräch mit einem der Herausgeber, Thumilan Selvakumaran, geführt.

Als Anlass für diese Buch bezeichnet Selvakumaran vollkommen zu Recht die Gefahr, dass an der weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes nach dem Ende des Münchner NSU-Prozesses und der meisten NSU-Untersuchungsausschüsse kein öffentliches Interesse mehr besteht. Das aber wird den Opfern nicht gerecht. Besonders nach dem NSU-Prozess oder nach dem Ende vieler NSU-Untersuchungsausschüsse schätzt Selvakumaran weitere Aufklärungschancen für gering ein. Dagegen steht der Untertitel: »Die offene Wunde NSU«.

Dieses Buch leistet vor allem wichtige Beiträge zur weiteren Aufklärung des »NSU-Komplexes«, aber auch zum »Fall Amri« und zur ehemaligen V-Person Verena Becker in der »Roten Armee Fraktion«. Auch enthält es einen Beitrag zur Geschichte von informellen Netzwerken, wie beispielsweise im Fall des Münchner Oktoberfest-Attentats 1980 mögliche Spuren von Faschisten zur damaligen NATO-Geheimarmee »Gladio« führen, Spuren, denen niemals nachgegangen wurde. Letztlich dienen solche Netzwerke unter Einbeziehung von Faschisten und V-Leuten auch einer bewussten Destabilisierung der herrschenden Verhältnisse und als Vorwand für den weiteren Abbau demokratischer Rechte. Auch das zeigt dieser Beitrag auf.

Im weiteren Gespräch ging es dann um einzelne Beiträge zur weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes, so etwa über »Die Methode Drexler« von Rainer Nübel. Er nimmt vor allem die Zeugenbefragungen des Vorsitzenden der Stuttgarter NSU-Untersuchungsausschüsse aufs Korn. »B

Thumilan Selvakumaran wurde 1982 auf Sri Lanka geboren und kam als Kriegsflüchtling nach Baden-Württemberg. Heute lebt er als Journalist und Redakteur der Südwestpresse Hohenlohe in Schwäbisch Hall. Seit 2012 recherchiert er intensiv zum NSU und dem Ku-Klux-Klan. Er ist Mitautor des Buchs »Geheimsache NSU«.

Thumilan Selvakumaran wurde 1982 auf Sri Lanka geboren und kam als Kriegsflüchtling nach Baden-Württemberg. Heute lebt er als Journalist und Redakteur der Südwestpresse Hohenlohe in Schwäbisch Hall. Seit 2012 recherchiert er intensiv zum NSU und dem Ku-Klux-Klan. Er ist Mitautor des Buchs »Geheimsache NSU«.

ehinderung der Aufklärung unter dem Deckmantel der großen Aufklärung« nannte sie Selvakumaran im Gespräch. Besonders wichtig ist in Nübels Beitrag der erneute Nachweis, dass am 25.04.2007 am Ort der Ermordung von Michèle Kiesewetter auf der Heilbronner Theresienwiese, ein längst nachgewiesener »Geheimdienst-Treff« stattfand. Für Drexler allerdings ohne jede Bedeutung, denn das FBI habe einen Einsatz in der BRD zum damaligen Zeitpunkt bestritten, ließ er schon vor längerem verlauten! Und für den NSU-Untersuchungsausschuss II in Baden-Württemberg ein erneuter Anlass, Rainer Nübel ein weiteres Mal öffentlich anzufeinden und seine journalistische Kompetenz in Frage zu stellen.

Andererseits deckt auch der Beitrag von Thumilan Selvakumaran eine Menge Ungereimtheiten bei den Ermittlungen zum Mord an Michèle Kiesewetter auf. Er nennt viele Fakten gegen die Behauptung der Bundesanwaltschaft, diese Tat sei allein von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangen worden. Dagegen sprechen allein schon die Erkenntnisse der »Soko Parkplatz«, die von vier bis sechs Tätern ausgeht. Oder die 14 Phantombilder, die nach Zeugenangaben von Personen nahe dem Tatort nach der Bluttat erstellt wurden, die aber nie als Beweismittel anerkannt wurden. Keines ähnelt den beiden Uwes. Die Reihe ließe sich fortsetzen.

Einig wurden wir uns in dem Gespräch, dass bei der bisherigen Verhinderung einer lückenlosen Aufklärung des NSU-Komplexes durch Staatsorgane sowohl Versagen als auch aktive Vertuschung und Verschleierung eine Rolle spielen.

Bewegend sind die im Buch abgedruckten Schlussworte von Angehörigen der NSU-Opfer im NSU-Prozess. Ihre Forderungen und die Forderungen der Nebenkläger nach weiterer Aufklärung des NSU-Komplexes dürfen nicht ungehört verhallen.

Das Buch »Ende der Aufklärung« ist größtenteils leicht verständlich geschrieben. Ihm ist weite Verbreitung zu wünschen.