Kommunalwahlen im Osten

geschrieben von Marek Winter

26. Juli 2019

Künftige Bündnisse mit der AfD zeichnen sich ab

Kommunal- und Europawahlen waren, verglichen mit Bundes- und Landtagswahlen, jahrzehntelang von geringer Bedeutung. Das EU-Parlament war der Abladeplatz für verdiente Parteiveteranen, denen man da, wo es zur Sache ging, keinen Sitz mehr zubilligen wollte. Und in den Kommunen bildete sich in der alten BRD stabil die regionale Präferenz für Sozial- oder Christdemokraten ab. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Krise des politischen Systems der Bundesrepublik erscheint zuvorderst als Krise des Parteiensystems, am ausgeprägtesten auf dem ehemaligen Gebiet der DDR. Und so wurden die Ergebnisse der in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 26. Mai durchgeführten Kommunal- und Europawahlen bundesweit als weitere Eskalationsstufe dieser Krise zur Kenntnis genommen.

Von besonderer Relevanz sind in der Hinsicht die Wahlergebnisse der AfD: in Brandenburg wurde sie mit 15,9 % drittstärkste Partei, in Mecklenburg-Vorpommern mit 14 % viertstärkste (wobei hier die NPD noch 1,3 % erzielte) und in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit 23,7%, 16,4 % und 18% jeweils zweitstärkste Partei. Bezüglich der im Herbst in Brandenburg, Sachsen und Thüringen anstehenden Landtagswahlen sind das keine guten Vorzeichen. Tatsächlich dürfte dabei der Blick auf die Kommunalwahlergebnisse auch noch ein geschöntes Bild ergeben. Denn bei den gleichzeitig stattfinden Europawahlen wurde die AfD in Brandenburg und Sachsen mit 19,9% und 25,3% stärkste, in Thüringen mit 22,5 % zweitstärkste Partei. Prognosen für die Landtagswahlen orientieren sich sinnvoller Weise eher an den Ergebnissen der Europa- als denen der Kommunalwahlen. Denn bei Kommunalwahlen spielen die, oft den Wählern bekannten, Persönlichkeiten der Kandidaten eine ausschlaggebende Rolle, während bei den EU-Wahlen reinweg ideologisch abgestimmt wird. Und vom ländlichen Raum Brandenburgs, Sachsens und Thüringens aus gesehen, ist das politische Establishment in Potsdam, Dresden und Erfurt nur unwesentlich weniger weit entfernt, als die EU-Bürokratie in Brüssel.

Vor allem in Potsdam und Dresden macht sich bei den Regierenden Panik breit, hat man dem Erfolg der AfD doch nichts entgegen zu setzen. Während in Brandenburg in den letzten Monaten offenbar wurde, dass die ab den späten 1990er Jahren mit viel Geld aufgebaute Zivilgesellschaft der lokalen Bündnisse gegen rechte Gewalt in den letzten drei Jahren unter dem Druck der rassistischen Massenmobilisierung wie ein Kartenhaus zusammengebrochen ist, drohte im sächsischen Görlitz der erste Einzug eines AfDlers ins Amt des Oberbürgermeisters. Dies konnte nur durch ein breites Bündnis der anderen Parteien verhindert werden, das aber auch nicht mehr als einen knappen Sieg des CDU-Kandidaten bewirken konnte.

Hier zeigt sich, wie hilflos die demokratischen Parteien im Angesicht des Aufstieges der AfD sind. Da wird es schon als Erfolg gefeiert, dass man statt eines AfDlers einen Politiker jener Partei zum Bürgermeister gemacht hat, die mit ihrer drei Jahrzehnte währenden Hatz auf alles, was links ist, den braunen Grundton sächsischer Politik maßgeblich mit zu verantworten hat. Letztlich dürfte jedoch in ganz Ostdeutschland der Wahlerfolg der AfD auf ähnliche Faktoren zurückzuführen sein: die erfolgreiche Mobilisierung rassistischer Ressentiments und jener temporär befriedeten breiten Bevölkerungsschicht, die in den 1990er Jahren landauf landab Pogrome und Hetzjagden durchführte oder beklatschte; der Unwille und die Unfähigkeit kommunaler Strukturen, v.a. auf Landkreisebene, die Menschenrechte von Nichtdeutschen und die Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft engagiert zu verteidigen und schließlich die Aufgabe der strategischen und effektiven Verteidigung sozialer Positionen durch die Linkspartei zu Gunsten ihrer Beteiligung an Koalitionsregierungen.

Die Kommunalwahlergebnisse werden diese Situation nicht verbessern, im Gegenteil. In vielen Regionen Ostdeutschlands wird es über kurz oder lang auf lokaler Ebene zu Kooperationen von CDU, FDP etc. mit der AfD kommen. Man kennt sich schließlich und im Gegensatz zur NPD wird die AfD in den Kommunalparlamenten nicht (nur) mit tumben Schlägern vertreten sein, die den Mund nicht aufbekommen. Andernorts nähern sich SPD und Linkspartei im Wettbewerb um Wählerstimmen jetzt schon AfD-Positionen an. Das Klima für Migranten und die linken und demokratischen Minderheiten vor Ort, für alternative Jugendzentren, Migrationsberatungsstellen, Theater etc. wird sich absehbar verschlechtern. Und wieder werden viele in die Metropolen flüchten oder ihr Engagement einstellen. Der Blick in unsere östlichen Nachbarländer zeigt, wohin zumindest Ostdeutschland steuert: verfestigte politische Verhältnisse, die durch die dauerhafte Besetzung von Machtpositionen durch völkische Nationalisten geprägt sind und durch eine Opposition mit schwacher lokaler Basis, deren Anhängerinnen eher in den Zentren der Arbeitsmigration nach Westen bzw. in die regionalen Metropolen zu finden sind.

In Brandenburg, Thüringen und Sachsen sind im Vorfeld der Kommunalwahlen unter dem Motto »Wann wenn nicht jetzt« zahlreiche Veranstaltungen gegen den rechten Vormarsch auf zentralen Plätzen geplant.

 

Informationen unter:

wannwennnichtjetzt.org