Les lilas et les roses
19. September 2019
Schriftsteller und Künstler in der französischen Résistance
Zu den großen gesellschaftlich getragenen Widerstandsbewegungen gegen die faschistische deutsche Okkupation gehörte die französische Résistance. In ihr waren nicht nur politische Gegner und ehemalige Angehörige der französischen Streitkräfte in bewaffneten Formationen aktiv, sondern viele gesellschaftliche Gruppen versuchten mit ihren Möglichkeiten, einen Beitrag gegen die Besatzungspolitik und die Kollaboration des Vichy-Regimes zu leisten.
Schon früh positionierten sich französische Schriftsteller in diesem Kampf. Exemplarisch sei hier das »Manifest der Nationalen Front der Schriftsteller« (Comité national des écrivains) angeführt, welches deutlich macht, in welchem Maße Künstler und Intellektuelle sich in die Widerstandsbewegung einordneten.
In dem Aufruf von 1943 hieß es: »Das Regime, das uns aufgezwungen wird, unter dem Gedankenfreiheit und freie Meinungsäußerung überhaupt abgeschafft sind, unter dem nur jene das Recht haben, frei zu schreiben, frei zu reden, die das Lob des Feindes singen, dieses Regime lässt ahnen, wie es um das Schicksal unserer Kultur in dieser ‚Neuen Ordnung‘ bestellt wäre.
Schriftsteller Frankreichs, wir müssen in diesem historischen Kampf, den die Nationale Front auf sich genommen hat, unseren Teil beitragen. Gegen das gesamte geistige Schaffen Frankreichs wird ein Angriff geführt. Wir werden es verteidigen.
Wir, die Vertreter aller Anschauungen und Konfessionen, Gaullisten, Kommunisten, Demokraten, Katholiken und Protestanten, wir haben uns geeinigt, um die Nationale Front der Französischen Schriftsteller zu konstituieren.
Wir sprechen den Völkern Großbritanniens, der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Chinas unsere Bewunderung für den von ihnen geführten Kampf gegen die Barbarei aus.
Wir sprechen unsere Bewunderung aus für die Opfer des Terrors, der gegenwärtig auf Betreiben Hitlers und seines Lakais, der Regierung Pétain, in Frankreich wütet. Wir werden das Unsere dazu beitragen, die Namen dieser Helden unauslöschlich dem Gedächtnis der Franzosen einzuprägen.«
Zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe gehörten Louis Aragon, Albert Camus und Jean Paul Sartre.
Louis Aragon gab ab 1941 gemeinsam mit seiner Frau Elsa Triolet und weiteren Literaten, wie François Mauriac, Claude Morgan, Edith Thomas, Georges Limbour, Raymond Queneau und -Jean Lescure in Nizza die Literaturzeitschrift »Les Lettres françaises« heraus. Als im Sommer 1942 mehrere Mitarbeiter verhaftet und durch die französische Polizei erschossen wurden, flohen Aragon und Triolet in die Provence, wo sie sich mit falschen Papieren verstecken konnten.
Andere stellten sich der politischen Aufklärungsarbeit zur Verfügung. So arbeitete Albert Camus von März 1944 an als Untergrundautor für die Zeitung Combat. 2014 erschienen in einer deutschsprachigen Ausgabe Aufsätze und Leitartikel, in denen sich die historische Entwicklung, aber auch die Hoffnungen auf Befreiung und antifaschistischen Neuanfang deutlich zeigten. Bis Juni 1947 blieb Albert Camus Chefredakteur und Leitartikler der Zeitung Combat.
Einen Kultstatus schon während der Besatzungszeit besaß die Novelle »Das Schweigen des Meeres« (frz. Le silence de la mer) von Jean Marcel Bruller (Pseudonym : Vercors) aus dem Jahre 1942. Er ließ den Text in Genf drucken. Es war der erste Titel des Untergrundverlages Éditions de Minuit, der heimlich im von den Deutschen besetzten Paris veröffentlicht wurde. Diese Geschichte verdeutlichte die Einstellung vieler Franzosen gegenüber der deutschen Besatzung. Sie berichtet nicht von einem aktiven Widerstand, sondern über die auf Distanz bedachte Haltung des bürgerlichen »stummen Frankreich« (»la France muette«). Vercors entlarvte mit diesem Text jegliche Illusion einer Verbrüderung zwischen Hitlerdeutschland und Pétain – Frankreich zu den Herrschaftsbedingungen, die Nazi-Deutschland seinen Nachbarn aufzwang.
Welche besondere Rolle Kunst und Kultur in der Résistance spielte, zeigt das wohl bekannteste Lied des französischen Widerstandes, »le Chant des Partisans« (Lied der Partisanen). Das Lied entstand in London 1943. Anna Marly, eine Exilrussin, nutzte als Grundlage die Melodie eines russischen Partisanenliedes. Joseph Kessel und Maurice Druon verfassten den Text, der zum Kampf um Leben und Tod für die Befreiung Frankreichs aufruft. Mehrfach trug Anna Marly das Lied in den französischsprachigen Sendungen der BBC vor. Das Lied wurde so populär, dass man es ohne Übertreibung als Hymne der französischen Forces Françaises Libres (F.F.I.) und der Résistance im Zweiten Weltkrieg bezeichnen kann. In Erinnerungsberichten wird davon gesprochen, dass das leise Summen der Melodie auch als Erkennungszeichen von Gruppen des Maquis genutzt wurde.
Welche Bedeutung der französischen Literatur für den Widerstand zukam, mag eine Anekdote über General Charles de Gaulle zum Ausdruck bringen. Der soll beim Einzug der französischen Befreier 1944 in Paris, an deren Spitze er marschierte, ein Gedicht von Louis Aragon »Der Flieder und die Rose« (Les lilas et les roses), welches – mit dem Symbol zweier Blumen – die Zusammenarbeit von Gaullisten und Kommunisten in der Résistance lobte, auswendig laut deklamiert und vor sich hergetragen haben »wie eine Trikolore« (Fritz Raddatz).
Zum Weiterlesen: Ulrich Schneider, Die Résistance, Reihe Basiswissen, PapyRossa Verlag 2019, 127 S.