»Gefährdung auszuschließen«

geschrieben von Peter Ritter

1. Oktober 2019

Zum Umgang mit Rechtsterrorismus in Mecklenburg-Vorpommern

»Rechte in Mecklenburg-Vorpommern: Razzia bei Nordkreuz-Administrator«

»Leichensäcke bestellt?: Neuer Verdacht gegen Nordkreuz«

»Ermittlungen gegen Prepper-Gruppe
Nordkreuz: Geschasster Güstrower Schießaus-bilder sagt: Ich bin ein Baueropfer«

»Nordkreuz-Mitglieder bleiben Reservisten«

»Informationspolitik zu ›Nordkreuz‹-Listen wirft Fragen auf«

Dies sind nur einige Schlagzeilen aus den Medien im Juli 2019.Doch das mutmaßlich rechtsextreme Prepper-Netzwerk »nordkreuz« beschäftigt uns nun schon fast zwei Jahre. Das Problem wurde zum Dauerthema im Innenausschuss des Landtages. Im Innenministerium wurde eine Expertenkommission eingesetzt. Zahlreiche Kleine Anfragen wurden gestellt um Licht ins Dunkel zu bringen. Mit wenig bis gar keinem Erfolg.

So stellte ich z.B. im Oktober 2017 (!) eine Anfrage zur Kommission zur »Prepper-Szene« und wollte wissen, wann die Kommission ihre Arbeitsergebnisse der Öffentlichkeit vorstellt. Die Antwort: »Es ist geplant, mit Ablauf des ersten Halbjahres 2018 einen Bericht vorzulegen«. Beim Plan ist es geblieben, einen Bericht gibt es bis heute nicht. Angesichts der Vorwürfe, die im Raum stehen, können die erreichten Ermittlungsergebnisse nicht zufrieden stellen. Von Schlussfolgerungen und Konsequenzen ist schon gar keine Rede.

Dabei geht es bei den Ermittlungen des Generalbundesanwaltes um den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Darüber hinaus ermitteln Staatsanwaltschaften in Mecklenburg- Vorpommern wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz. Und es geht um Listen, auf denen die Mitglieder von »nordkreuz« tausende Namen von Menschen gesammelt haben, die im antifaschistischen, gewerkschaftlichen, linken und grünen Spektrum unterwegs sind, oder sich in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Der Autor ist Sprecher der Fraktion Die Linke. für Friedens- und Innenpolitik, Gender Mainstreaming, Datenschutz und Gleichstellung im Landtag Mecklenburg Vorpommern.

Der Autor ist Sprecher der Fraktion Die Linke. für Friedens- und Innenpolitik, Gender Mainstreaming, Datenschutz und Gleichstellung im Landtag Mecklenburg Vorpommern.

Dabei ist es völlig belanglos, ob die Listen als »Todeslisten« oder »Feindeslisten« bezeichnet werden. Entscheidend ist, was diejenigen, die solche Listen anlegen mit der Sammlung von Namen, Adressen und Telefonnummern bezwecken.

So erhielten zunächst 29 Personen eine Vorladung vom BKA. In den Gesprächen setzte man sie darüber in Kenntnis, dass sie auf der »nordkreuz«- Liste stehen. Wenige Tage später teilte Innenminister Caffier mit, dass nunmehr 1200 Personen und Institutionen aus Mecklenburg-Vorpommern schriftlich informiert würden.

Eine Erklärung dafür, warum es erst keine Betroffenen, dann 29 und nunmehr 1200 Personen gibt, sucht man allerdings vergeblich.

In dem Schreiben an mich und viele andere heißt es: »Eine Gefährdung der dort genannten Personen, Institutionen und Organisationen ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes aktuell auszuschließen. Der derzeit medial und öffentlich verbreitete Begriff der Feindes-´ oder der `Todeslisten´ ist daher konsequent zurückzuweisen…. Ich kann Ihnen nach derzeitigen Erkenntnissen mitteilen, dass dem Bundeskriminalamt und dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern keine Gefährdungsaspekte zu Ihrer Person vorliegen….«

»Keine Gefährdungsaspekte« – so liest man es auch in der Antwort auf meine jüngste Kleine Anfrage zum Thema. Angesichts jüngster Ereignisse, wie dem Mord an Lübcke, die Bombendrohung gegen die Parteizentrale der Linken in Berlin oder dem Sprengstoffanschlag gegen eine Stadträtin der Linken in Zittau, fällt es nicht nur mir schwer daran zu glauben, dass es keine Gefährdungsaspekte gibt.

Es ist ein absoluter Skandal, dass einer der Tatverdächtigen offenbar behördeninterne Informationssysteme nutzte, um die Zielpersonen weiter auszuforschen. Doch für den Innenminister war selbst dies kein Grund, die Personen, die ins Fadenkreuz der »Nordkreuzler« geraten sind, zu informieren. Stattdessen ging er in die Gegenoffensive und sprach jüngst von ‚unzutreffenden Bewertungen‘, die sowohl in der Presse als auch im politischen Raum Widerhall fänden.

Seit 2017 wird die Causa ‚Nordkreuz‘ im Innenministerium systematisch verharmlost und auf Zeit gespielt. Dies hat nicht erst die Einrichtung der so genannten Prepper-Kommission verdeutlicht, die dem Landtag bis heute keinen Bericht vorgelegt hat. Es geht hier auch nicht um ‚das (reine) Sammeln von Informationen zu politisch anders Denkenden‘, die im Bereich der politischen Auseinandersetzung nicht unüblich sei, wie es in der Antwort auf meine Kleine Anfrage heißt. Es geht hier um ein mutmaßlich rechtsterroristisches Netzwerk, um hochausgebildete Polizisten und Waffenträger, um den Missbrauch dienstlicher Mittel zur Ausforschung politisch missliebiger Menschen, um konkrete Mordphantasien, um zehntausende Schuss Munition, Leichensäcke und Löschkalk. Und in der Konsequenz muss es mittlerweile auch um die politische Verantwortungsübernahme gehen.

Auch der »NSU« hatte solche Listen. Das schreckliche Resultat ist bekannt. Deshalb müssten bei allen politisch Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen, wenn erneut Meldungen von »Listen« auftauchen. Doch das ist nicht der Fall! Fast zwei Jahre wird nun schon abgewiegelt, verharmlost. Wenn informiert wird, dann nur tröpfchenweise und hinter verschlossenen Türen. Nur wenn man sich dem öffentlichen und medialen Druck nicht mehr entziehen kann, wird man aktiv.