Überraschende Wiederbegegnungen

geschrieben von Janka Kluge

1. November 2019

Was von der Sprache der Faschisten bis heute übrig blieb

Sprache prägt unsere Vorstellungen von den Dingen. Der Journalist Matthias Heine hat ein Wörterbuch mit Begriffen aus der Zeit des Faschismus erarbeitet und ist der Frage nachgegangen, inwieweit wir diese Worte auch heute noch benutzen. Am Ende eines jeden Begriffes wägt er ab, ob das Wort heute bedenkenlos benutzt werden kann.

Im Vorwort beschreibt Heine, wie die Nazis die Sprache geprägt und geformt haben. Er arbeitet dabei vier unterschiedliche Strategien heraus. Zum ersten bildeten sie neue Wörter (Neologismen), als Beispiel hierfür führt er die Begriffe »Vergeltungswaffen« und »Kulturschaffende« an. Als zweite Strategie benennt er die Bedeutungsänderung von Worten. »Fanatisch« dient ihm hier als Beispiel. Hitler hat sich in dem Buch »Mein Kampf« selbst als fanatisch beschrieben. Seitdem wurde das Wort von Mitgliedern der NSDAP als positive Eigenbeschreibung genutzt. Davor hatte es eher eine negative Bedeutung.

Als drittes nennt Heine Hochwertwörter. Das heißt Worte, die in der Ideologie der Nazis eine besondere Bedeutung hatten. Als Beispiel nennt er hier »Volk«, »Rasse« und »Reich«. Mit ihnen wurden neue Worte wie Reichsnährstand, Volksempfänger, oder Volkswagen gebildet. Auch Volkskanzler gehört in diese Reihe. Als viertes identifiziert Heine Worte, die es schon vorher gab, die dann von den Nazis weiter benutzt worden sind. Als Beispiele dafür nennt er Pimpf und Gau, die beide eigentlich aus der Sprache der Jugendbewegung kommen.

Matthias Heine »Verbrannte Wörter« Duden Verlag 2019, 219 Seiten, 18 Euro

Matthias Heine »Verbrannte Wörter« Duden Verlag 2019, 219 Seiten, 18 Euro

Der lexikalische Teil reicht von Absatzbewegung bis zersetzen. Bei einigen Worten war ich überrascht, sie in dem Wörterbuch zu finden. »Entrümpeln« ist so ein Begriff. Heine schreibt dazu: »Der zweite Weltkrieg begann unter deutschen Dächern und keiner hat es gemerkt. Seit Mitte der Dreißigerjahre wurden die Deutschen von den Aufsichtspersonen und der Propaganda des NS-Regimes angehalten, ihre Dachböden und Keller zu entrümpeln.« Heine führt in seiner Untersuchung verschiedene andere Autoren an. Bei dem Stichwort »entrümpeln« zitiert er Victor Klemperer. Dieser hat in seiner Untersuchung LTI zur Sprache des 3. Reichs über das Wort »entrümpeln« geschrieben, dass es ein typisches Naziwort mit der Vorsilbe »ent« ist. Weiter schreibt Klemperer: »Fenster mussten vor der Fliegergefahr verdunkelt werden, und so ergab sich die tägliche Arbeit des Entdunkelns. Hausböden durften bei Dachbränden den Löschenden kein Gerümpel in den Weg stellen, sie wurden entrümpelt.«

Besonders spannend ist das Buch in Bezug auf Wörter, die auch heute noch von Rechten benutzt werden. Eindeutig ist das bei dem Wort »Gleichschaltung«. Wenn heute AfD-Anhänger davon sprechen, dass die Presse gleichgeschaltet sei, wollen sie damit sagen, dass die Presselandschaft genauso gelenkt wird, wie unter Goebbels. Dabei dürfen sie sehr wohl ihre Meinung sagen und machen auch ausgiebig Gebrauch davon. In diesem Zusammenhang ist auch immer wieder von der »Systempresse« die Rede. Heine schreibt dazu: »Noch mehr lässt es frösteln, dass Rechte neuerdings von der Systempresse reden, wenn sie ein Synonyme für das bei ihnen ebenfalls allgegenwärtige Schmähwort Lügenpresse benötigen.« Er erwähnt aber auch, dass das Wort lange vor 1933 aufkam und auch bei Linken beliebt war, und teilweise bis heute noch ist. Seine Karriere machte es aber, genau so wie Systembonze und Systembeamter, während des Dritten Reichs zur Diffamierung der Demokratie.

Auf Demonstrationen von Gruppen wie Pegida ist auch immer wieder vom »gesunden Volksempfinden« zu hören. Die Vorstellung, dass eine Ansicht, oder Meinung gesund ist und eine andere nicht, geht auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Bei den Nazis fand der Begriff jedoch Einzug in Gesetze. Mit der Verschärfung des Strafgesetzbuches vom Juni 1935 wurde er offiziell eingeführt. Im Paragraph 2 hieß es: »Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt, oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach dem gesunden Volksempfinden Bestrafung verdient.« Allerdings hat einer der führenden faschistischen Richter, Roland Freisler, in einem Kommentar 1935 davor gewarnt, dass sich das Empfinden des Volkes auch einmal gegen die braunen Machthaber wenden könnte und warnte: »Hier muß der Richter zunächst sich hüten vor der Verwechslung eines tatsächlichen Volksempfindens mit dem gesunden Volksempfinden (…) Ob das Empfinden gesund ist, das muß an Hand der Maßstäbe geprüft werden, die der Führer selbst in wichtigen Lebensfragen vielfach dem Volke gegeben hat.« Vermeintliches »gesundes Volksempfinden« ist also eher, was Höcke und Weidel von sich geben.

Das Buch ist nicht nur für Menschen, die sich für Sprache interessieren, spannend zu lesen. Es ist auch eine wichtige Lektüre für alle, die sich immer wieder mit Rechten auseinandersetzen müssen. Wenn wir ihre Worte und ihre Sprache verstehen, können wir besser dagegen halten.