Die einzigen »Befreier«?
12. November 2019
Auseinandersetzungen um eine Denkmalsinitiative in Buchenwald
Denkmale sind Zeichen der Erinnerung und Ausdruck des Geschichtsbildes einer Epoche. So abstrakt, wie diese Aussage klingen mag, so konkret ist der jeweilige geschichtspolitische Streit, wenn es um die Neuaufstellung von Gedenksteinen oder um die Beseitigung solcher Erinnerungszeichen geht. Das zeigt die Auseinandersetzung um die Denkmale für die militärischen Befreier von der faschistischen Okkupation – die Soldaten der sowjetischen Armee – in einigen osteuropäischen Ländern. Wenn man also in Polen Denkmale für die Befreier verteidigt, dann scheint es nur konsequent zu sein, sich für ebensolche auch in Deutschland einzusetzen. Doch bei genauerer Betrachtung ist das so einfach nicht.
Seit einiger Zeit existiert in Weimar eine Initiative, auf dem Ettersberg ein Denkmal für die amerikanischen Befreier des KZ Buchenwald zu errichten. Die Initiative dafür geht auf die »Jewish American Society of Historic Preservation« und ihren Vertreter, Jerry Klinger, zurück. Klinger will keine kleine Tafel an einer Hauswand, sondern »ein richtiges Denkmal, das an die Rolle der US-Armee erinnert«, erläutert der Thüringer Bernd Schmidt, der seit vielen Jahren mit einstigen US-Soldaten und deren Nachkommen Kontakt hält.
Dass diejenigen, die an der Zerschlagung des deutschen Faschismus großen Anteil hatten, durch Denkmäler geehrt und gewürdigt werden sollen, steht außer Zweifel. Skepsis kommt bei dieser Debatte jedoch bezüglich des geplanten Ortes und des geschichtspolitischen Kontextes auf. Klingers Intention ist es, ein Denkmal direkt vor dem Lagertor von Buchenwald zu erreichten. Es gehe ihm in erster Linie um die Erinnerung an die Befreier Deutschlands vom Faschismus, wie er in einer Mail formulierte. Die Befreier in Thüringen – und nicht nur in Buchenwald – waren US-amerikanische Soldaten. Ein zweiter Grund, erklärt er, sei sein Vater: »Er wurde im ›Kleinen Lager‹ befreit«.
So honorig und persönlich nachvollziehbar das Anliegen ist, so problematisch wird es jedoch, wenn man die verkürzte Aussage als Grundlage für ein neues – »in Stein gegossenes« – Geschichtsbild nimmt. In der Tat fehlt in Deutschland ein Denkmal für die Befreier – dort müsste aber gleichermaßen an die amerikanischen, britischen und sowjetischen Streitkräfte erinnert werden zusammen mit allen Kräften der Anti-Hitler-Koalition, zu der auch der deutsche antifaschistische Widerstand in seiner ganzen politischen Breite gehörte. Ein solches Denkmal wird es vor dem Hintergrund der politischen Debatten in unserem Land auch in absehbarer Zeit nicht geben. Jedes andere Denkmal spiegelt eher einen – durchaus subjektiven – Ausschnitt wider und erfüllt damit nicht den von Klinger selbst formulierten Anspruch.
Zum zweiten wird mit einem Denkmal für die »amerikanischen Befreier Buchenwalds« eine geschichtspolitische Setzung vorgenommen, die die historische Tatsache der Selbstbefreiung des Lagers durch die Häftlinge am 11. April 1945 – in der Sprachregelung der Gedenkstättenleitung eine »Befreiung von innen und von außen« – konterkariert. Die Überlebenden von Buchenwald haben dazu in den vergangenen Jahren zahllose Dokumente präsentiert, die können auch durch eine Denkmalsinitiative nicht in Frage gestellt werden.
Drittens wäre zu überprüfen, ob es in der Region tatsächlich keine öffentliche Erinnerungsstätte für die amerikanischen Befreier gibt. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass an verschiedenen Orten Tafeln und Denkmäler entstanden sind:
Am Weimarer Rathaus, Markt 1, existiert seit dem 7. Okt. 2000 eine Gedenktafel in deutscher und englischer Sprache mit folgendem Text: »Im Gedenken an die ehrenhafte und unblutige Übergabe von Weimar an die 80. Amerkianischen Infanteriedevision am 12. April 1945.«
Am Schloss Ettersburg findet man seit dem 13. Apr. 2002 eine Gedenktafel in englischer Sprache, die an den Einsatz von 273 Männern und Frauen des 120. Feldlazaretts der 3. U.S. Armee erinnert, das auch die deutsche Bevölkerung versorgte.
Und am 12. April 2005 wurde in Weimar in der Schwanenseestraße ein Denkmal für die amerikanischen Soldaten, die Thüringen im April 1945 von der NS-Diktatur befreit hatten, enthüllt.
Auch in Hottelstedt – der Ort liegt unterhalb des Lagers – erinnert ein Denkmal an die US-Soldaten im April 1945.
Die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis hat in einer Stellungnahme berechtigte Zweifel angemeldet, ob das geplante Denkmal – und dann auch noch an prominenter Stelle auf dem Gedenkstättengelände – ein sinnvoller Beitrag zur Erinnerungskultur sein kann. Irritationen löst zudem aus, dass Klinger zwar für die Idee eines Denkmals wirbt, auch Unterstützerschreiben beisteuert, aber erwartet, dass der Hauptteil der Kosten für dieses Projekt von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Dora übernommen werden soll.
Es befinden sich in der Region Weimar mehr Erinnerungstafeln an die amerikanischen Befreier als beispielsweise in Frankfurt/Main, Kassel oder Erfurt. Aber vielleicht steht dahinter auch ein ganz anderes Verständnis von Gedenken. Denn die Initiatoren ließen verlauten, dass sich im Frühjahr 2020 zum 75. Jahrestag der Befreiung ein »Liberty Convoy« mit historischen Fahrzeugen, Uniformen und Ausstattungsgegenständen durch das Weimarer Land bewegen wird. Reenactment als Erinnerungsarbeit?