Für Konsens und Vernunft PC Walther verstand es, mit Widersprüchen umzugehen

geschrieben von Ernst Antoni

23. März 2020

Anfang 2005, vor 15 Jahren, veröffentlichten wir in der kurz davor zu einer »gesamtdeutschen« VVN-Zeitschrift fusionierten »antifa« (die »Ost«-Zeitschrift hieß schon seit Anfang der 90er-Jahre so, das »West«-Vorgängerblatt »antifa-rundschau«) eine Seite »antifa-Redaktion stellt sich vor«. Mit Fotos und Kurzbiographien der damaligen Redaktionsmitglieder.

Eines der Porträts zeigte einen freundlichen nicht mehr ganz jungen bärtigen Herren: »Peter Christian (PC) Walther«, stand darunter, »Jahrgang 1932, Journalist. Von 1968 bis 1978 Redakteur VVN-Zeitung ›die tat‹. Seit über 50 Jahren politisch engagiert in diversen Funktionen als Gewerkschafter, Sozialist, Sozialdemokrat, Antifaschist und friedenspolitisch; seit 1973 in der VVN-BdA; nach 1990 auch auf Bundesebene aktiv. Verheiratet, 3 Kinder, 2 Enkel. Beheimatet in Südhessen.«

Foto: W. Girod

Foto: W. Girod

Seither sind 15 Jahre vergangen. Das politische und publizistische Engagement PC Walthers blieb bis Ende letzten Jahres ungebrochen. Aktuelles Beispiel: Die »Januar/Februar 2020«-Ausgabe der antifa. Neben der seit über einem Jahrzehnt von Walther regelmäßig zusammengestellten »Meldungsseite« über Neuigkeiten zu Faschismus und Antifaschismus ist da sein ausführlicher kritischer Artikel »Eine alarmierende Bilanz. Urteile und Entscheidungen zugunsten von Neonazis« abgedruckt.

Von einem Weihnachts-Neujahrs-Urlaub auf den Kanarischen Inseln nach Frankfurt/Main zurückgekommen, erlitt PC Walther einen Herzinfarkt. Am 6. Januar hat er uns, 87 Jahre alt, für immer verlassen. Für seine Redaktions- und Vorstandskolleg/innen in verschiedenen VVN- und sonstigen Gremien war dies ein großer Schock. Obwohl die meisten wussten, dass PC altersbedingt seit längerer Zeit nicht mehr der Gesündeste war, dass er deshalb auch einige seiner Mandate und Aufgabenbereiche reduziert hatte, war es doch immer wieder die ruhige Unermüdlichkeit seines Engagements, die uns beeindruckte.

Auch und gerade dort, wo es unterschiedliche politische Ansätze und Meinungen gab, wo – der größeren gemeinsamen Ziele wegen – Konsensfähigkeit gefragt und wichtig war. Besonders beeindruckend zeigte sich PCs Fähigkeit zu undogmatischer Herangehensweise, die bei ihm alles andere war als Standpunktlosigkeit, bei den »Vereinigungsverhandlungen«, die schließlich zum Zusammenschluss der Alt-BRD-VVN-BdA mit den aus DDR-Strukturen hervorgegangenen Vereinigungen IVVdN und BDA führten.

»Ich war der Beauftragte der West-VVN für den Zusammenschluss.«, sagte er vor zwei Jahren in einem Interview. »Das war ein sehr schwieriges Unterfangen, das hat drei bis vier Jahre gedauert. Diskussionen, Gespräche, die manchmal am Rande des Abbruchs waren, weil: Das waren zwei unterschiedliche Sozialisationen! Deswegen hab ich mich da so engagiert. 2002, nach dem Zusammenschluss, konnte man ja nicht zwei Bundesvorstände, also die doppelte Personenzahl, machen. Da hab ich dann gesagt, ich hab meine Arbeit gemacht auf dem Feld, ich zieh mich ins zweite Glied zurück und bin dann noch im Bundesausschuss verblieben. Das ist das höchste Bundesgremium, daraus hab ich mich dann nach 25 Jahren zurückgezogen.«

1932 in Dresden als uneheliches Kind auf die Welt gekommen landet er erstmals 1935 im hessischen Frankfurt bei einer Tante als Pflegemutter. In den NS-Kriegs- und den Nachkriegsjahren geht es dann immer wieder hin und her zwischen Mutter und auch mal Vater, Pflegeeltern, Kinderheimen und allem, was es da so gab und gibt…Nach 1945 spielen dann verschiedene Orte in Ost- und Westdeutschland eine Rolle, verbunden mit dem Vater auch mal das bayerische Oberland, Anfang der 50er-Jahre schließlich BRD, DDR, dann wieder die BRD… Und immer wieder wechselnde »Bezugspersonen«.

Ein Heranwachsen unter solchen Bedingungen führt im Normalfall nur selten zu »stabilen« Arbeits- und Beziehungsverhältnissen. Sondern »in den Wald« oder gleich ins ewige Elend. Bei PC Walther war das anders. Warum, das hat er uns immer wieder gezeigt und bewiesen. Aber er hat auch nie behauptet, er habe das alles aus eigener Kraft geschafft und keiner Unterstützung bedurft.

In seiner Kurzbiographie in der damaligen »antifa« fehlen Hinweise auf seine langjährige Tätigkeit im Presseamt der Stadt Frankfurt unter – auch parteipolitisch – verschiedenen Oberbürgermeistern. Ein Beispiel dafür schildert er im erwähnten Gespräch, als er von seinem Engagement in der damaligen Ostermarsch- und Friedensbewegung und anderen gesellschaftlichen Bereichen spricht und von Widersprüchen, die da auftreten: »Und später bei der Startbahn West. War auch eine schöne Funktion: Als Mitarbeiter des Presseamtes habe ich werktags den Standpunkt der Stadt Frankfurt referieren müssen, warum die Startbahn West notwendig und richtig ist. Und habe dann am Wochenende dagegen demonstriert. Aber wenn du so einen Beruf hast, kannst du das nicht ändern.« Ja, die Dialektik…

PC Walther hat es immer wieder verstanden, mit so etwas ganz unverkrampft und unopportunistisch umzugehen. Und hat dabei durchaus brauchbare Lösungen gefunden. Auch deshalb hätten wir ihn noch viele Jahre lang gebraucht.

Bei der Trauerfeier im Frankfurter Hauptfriedhof wurde deutlich, wie viele Menschen, weit über PCs hessische Heimat hinaus, sich dem Verstorbenen und seinen gesellschaftlichen Aktivitäten verbunden fühlten. Und deutlich wurde auch – nicht zuletzt dank des erwähnten Interviews, dieses öffentlichen Gesprächs, das Renate Wolter-Brandecker im November 2017 »auf dem roten Sofa«, beim »Frankfurter Bund für Volksbildung«, mit PC Walther über dessen Lebensweg geführt hatte – welch abenteuerlichen Lebensweg dieser Mann hinter sich hatte.