Kein Pakt mit Nazis
23. März 2020
Auszüge aus der Rede von Ferda Ataman zum 20. Jahrestag der Gründung von attac
1. Das Problem
Wir leben in einer Zeit, in der eine bisweilen faschistische, stramm nationalistische Partei erschreckend viele Wähler*innenstimmen bekommt und in allen Parlamenten sitzt. Wir leben in einer Zeit, in der der Chef des Bundesverbands der Feuerwehr sich gegen die AfD positioniert – und am Ende gehen muss. Etwa zur gleichen Zeit bekommt die ›Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten‹ die Mitteilung, dass ihnen die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Anfang letzten Jahres, das wissen Sie, entschied der Bundesfinanzhof über die Gemeinnützigkeit von Attac und erklärte, dass die ›Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung […] keinen gemeinnützigen Zweck erfüllt.‹ So allgemein formuliert ist diese Aussage fatal und demokratieschädigend.
Auch Vereine von Schwarzen Menschen und People of Color bekommen inzwischen Briefe vom Finanzamt, weil die Frage nicht geklärt ist, ob Engagement gegen Rassismus und Empowerment für Minderheiten gemeinnützig ist. Wir arbeiten in Berlin mit daran, dass diese enorm wichtige Frage geklärt wird und die Abgabenordnung an die Bedürfnisse in einer modernen Demokratie angepasst wird. Und dann gibt es noch die akute, flächendeckende Bedrohungslage: Wer sich öffentlich gegen die AfD positioniert oder einfach nur gegen Antisemitismus, Antiziganismus, anti-schwarzen oder antimuslimischen Rassismus kämpft, ist potenziell gefährdet.
2. Antifaschismus als bürgerlicher Konsens
Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages dafür kämpfen würde, den ›Antifaschismus‹ wieder salonfähig zu machen. Für mich war das Wort auch lange viel zu krass. Aber meine kluge Kollegin Sheila Mysorekar sagte neulich sinngemäß: ›Wir Schwarzen Menschen und People of Color (BPoC) sind gerade so etwas wie die Kanarienvögel der Gesellschaft. Kanarienvögel wurden früher beim Bergbau mit in den Schacht genommen und funktionierten als Warnsignal. Verstummten sie oder kippten sie um, wussten die Arbeiter: jetzt nichts wie raus hier, zu viele giftige Gase. Kanarienvögel reagieren empfindlicher auf Sauerstoffmangel als Menschen. Auch viele BPoC reagieren gerade empfindlicher auf die Gefährdung der Demokratie, als die meisten weißen Menschen – so mein Eindruck. Anders als die Kanarienvögel verstummen wir aber nicht. Im Gegenteil: Migrant*innen und Deutsche of Color werden immer lauter. So warnen sie davor, dass die Luft immer dünner wird. Eines unserer Probleme ist, dass viele glauben, der Faschismus sei heute keine reelle Gefahr mehr. Wir hatten in den letzten Wochen den Holocaust-Gedenktag und eine Feierstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag. Doch eine der wichtigsten Lektionen, die meines Erachtens bei der Erinnerung untergeht, ist die, wie leicht der Faschismus an die Macht kommen kann: Die NSDAP und Adolf Hitler kamen NICHT durch eine »Machtergreifung« oder einen gewaltsamen Putsch an die Macht. Ihr Aufstieg war demokratisch legitimiert, durch Wahlen und Bündnisse mit etablierten Politiker*innen.
Sollte sich ein CDU-Landesverband mit der AfD zusammentun, werden sie uns aber bestimmt erklären, dass das der Demokratie guttue. Sie werden behaupten, dass sich die Positionen der antidemokratischen Partei in der Regierungsverantwortung schon zurechtschleifen. Was man halt so sagt, wenn man mit Faschisten paktiert, um die eigene Macht zu halten. Dabei müssten alle aus unserer Geschichte gelernt haben, dass der Faschismus sein wahres Gesicht nie von Anfang an zeigt. Alle Führer gaben sich erst mal volksnah, bürgerlich und versprachen nur, die Ordnung wiederherzustellen. Ethnische und politische Säuberungen kommen erst später. Wer es bislang nicht geglaubt hat, weiß spätestens seit der gescheiterten Regierungsbildung in Thüringen letzte Woche: Es ist eine reelle Gefahr, dass auch bei uns wieder Faschisten mitregieren. Und ich möchte mir nicht ausmalen, was auf unseren Straßen passiert, wenn die rassistischen, antisemitischen, sexistischen, homosexuellen- und transfeindlichen Hetzer aus dem Internet sich endgültig politisch legitimiert fühlen.
Laut Grundgesetz gehört zu unserer Demokratie:
- dass Gewaltherrschaft und Willkürherrschaft verboten sind,
- dass Minderheiten- und Menschenrechte geschützt werden,
- und die Presse- und Meinungsfreiheit gewahrt wird.
Wer das ablehnt, ist undemokratisch. Unsere Verfassungsväter und -mütter waren kluge Leute und – damals selbstverständlich – Antifaschist*innen. Sie wussten, dass antidemokratische Gewaltherrschaften nicht für immer aus der Welt sind. Deswegen haben sie das Grundgesetz dagegen gerüstet. Was wir brauchen, damit die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie funktioniert, sind standhafte, verlässliche Politiker*innen, die den Antifaschismus als kleinsten gemeinsamen Nenner aller demokratischen Parteien betrachten. Die universelle Parole, die aus Verantwortung der deutschen Geschichte hervorgeht, muss lauten: Keine Zusammenarbeit mit Nazis. Ganz einfach.
1932 wurde die NSDAP mit 33 Prozent der Stimmen gewählt, woraufhin Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt hat. Was fehlte, war ein antifaschistischer Minimalkonsens. Wie das Experiment »Paktieren mit Nazis« ausging, wissen wir. Abermillionen von Menschen sind gestorben. Einige bis heute traumatisiert.