Widerspruch!
23. März 2020
Zum Beitrag von Rosel Vadehra-Jonas »Nationalismus raus aus den Köpfen« in der Januar-Ausgabe
So, wie in dem angegebenen Artikel, werden durch Aktivitäten der deutschen Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis (LGRF) und auch durch die kurz genannte Uckermark-Initiative in Wort, Schrift, im Internet, auf Veranstaltungen und auch auf der Tagung in Heideruh seit mehr als einem halben Jahrzehnt Verunglimpfungen antipolnischen Charakters verbreitet.
Meiner Meinung nach diffamieren die Funktionsträger der LGRF national und international das Gedenken der Polinnen und Polen zu Unrecht als nationalistisch und antisemitisch. Das Entsetzen polnischer Überlebender darüber wird nicht zur Kenntnis genommen, ebenso wenig wie Briefe der beleidigten Jugendlichen, geschweige denn wird angemessen darauf reagiert.
Die Aufforderung einer Uckermark-Überlebenden »gegen die braune Pest zu kämpfen« wird dazu benutzt, Nationalismus ausgerechnet den Polen zu unterstellen. Auch die Behauptung, jugendliche Polen würden wie die Hitlerjugend auftreten, ist mehr als herabwürdigend. Weiß denn keiner mehr, was die »braune Pest« ist und woher sie kam?
Diese Kränkungen widerfuhren jugendlichen Sportlern, Überlebenden des KZ und deren Angehörigen, Nonnen, Bürgern verschiedener polnischer Städte, Schülergruppen, ja sogar den offiziellen Regierungsvertretern dieses Landes. Da sich dies im Namen des Antifaschismus öffentlich vollzieht, muss man die Akteure fragen, was sie unter Antifaschismus verstehen. Die Polen, die mit dem »Gerangel« konfrontiert waren, konnten an dem Verhalten der Teilnehmer mit deutscher Sprache nichts Positives erkennen. Und ja, sie bleiben nun fort.
Mit den, auf der Tagung in Heideruh angekündigten, neuen erweiterten Maßnahmen, wollen Vertreter der LGRF und der Uckermark-Initiative nunmehr selbst nach Polen/Warschau fahren, um dort »Aufklärungs-« und Einladungsarbeit für den 75. Jahrestag der Befreiung zu leisten. Die Vertreter der polnischen Ravensbrückerinnen, die seit Jahrzehnten europaweit die aktivste Erinnerungsarbeit leisten, seien dazu eingeladen. Ist das nicht eine Anmaßung?
Wie konnte es soweit kommen, dass sich Menschen, die vorgeben, sich ehemaligen Häftlingen nahe zu fühlen, so daneben benehmen? Eine Ausländerin im IRK sagte dazu: »Denen sollte man mal ein Buch schenken, aus dem sie etwas über diesen Krieg erfahren!«
Ist es legitim, dass die LGRF Beschlüsse fasst, die sich gegen die Teilnahme von Abgesandten unseres Nachbarlandes wenden, das die größten Opfer durch die deutschen Okkupanten zu erleiden hatte? Darf man Polinnen und Polen vorschreiben, an wen sie denken dürfen und ihnen vorwerfen, die anderen Besucher zu stören, weil sie zu viele sind und polnische Fahnen tragen? Das kann nicht der Antifaschismus sein, den uns die ehemaligen Häftlinge als Erbe hinterlassen haben. Ich distanziere mich ausdrücklich davon.
In der Vermächtniserklärung der ehemaligen Häftlinge von Ravensbrück und deren Angehörigen aus dem Jahr 2005 steht der Satz: »Die SS versuchte, uns gegeneinander aufzubringen: wegen unserer nationalen, sozialen, politischen oder religiösen Zugehörigkeit. Diesen Versuchen haben wir unsere Solidarität entgegengesetzt. Nur so konnten wir auch unter Terror eigene Würde bewahren.«
Auch in Deutschland nimmt übrigens der Antisemitismus zu. Rund um den Ort Ravensbrück hat die AfD mehr als 5000 Wähler und in der Stadt Fürstenberg verprügeln Jugendliche regelmäßig Ausländer. Die Forderung ist mehr als berechtigt: Nationalismus raus aus den Köpfen!
Bärbel Schindler-Saefkow, Tochter einer Mitbegründerin der Gemeinschaft der Ravensbrückerinnen