Hamburg: Kein Sekt, kein Hurra
3. April 2020
Die Freudenrufe war eindeutig verfrüht: Schon kurz nachdem am Abend der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 23. Februar die ersten Prognosen die AfD bei 4,7 Prozent sahen, knallten mancherorts die Sektkorken. Viele Antifaschistinnen und Antifaschisten sehnten sich nach der ersten großen Wahlschlappe jener Partei, die das letzte Mal 2017 in Schleswig-Holstein mit 5,9 Prozent bei einer Wahl in einem Bundesland zumindest in die Nähe der 5-Prozent-Hürde gekommen war und weiterhin in allen Landesparlamenten der BRD insgesamt mehrere hundert Abgeordnete stellt. Nach der Auszählung waren es in der Hansestadt dann 5,3 Prozent der gültigen Stimmen, die die AfD nach ihrer Zitterpartie auf sich vereinigen konnte. Auf Prognosen zu bauen, wie es auch bundesweit aktive linke Gruppen kurz nach 18 Uhr in den sogenannten sozialen Netzwerken mit ihren Hurra-Meldungen taten, sollte sich bei der gegebenen Faktenlage eigentlich verbieten.
Dennoch ist ein wenig Zuversicht nicht fehl am Platze. Eine breite Mehrheit sieht kurz nach den Neonazimorden in Hanau eine Verbindung zur rassistischen Stimmungsmache der AfD. Dies verdeutlichen nicht nur die Meinungsumfragen, auch auf den vielerorts spontan organisierten Gedenkdemonstrationen für die Opfer von Hanau wurde diese Parallele in Reden und auf Transparenten immer wieder betont. Es sind ungewohnt defensive Töne, wenn dann der neue AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla am Hamburger Wahlsonntag schon Stunden vor 18 Uhr in einem offenen Brief an die AfD-Mitglieder schreibt: »Die Tat von Hanau ist ein rassistisches Verbrechen. Ihr Motiv war Ausländerhass.« Und weiter: »Wir müssen uns fragen, warum es unseren politischen Gegnern gelingt, uns überhaupt mit solch einem Verbrechen in Verbindung zu bringen.« Jedoch ist es wichtig, ebenso deutlich zu machen, wie es sich hier mit dem Wolf im Schafspelz verhält und auch nicht zu vergessen, dass keinesfalls nur die AfD dem rassistischen Terror den Boden bereitet. Hass auf Migranten und Geflüchtete, aber ebenso Antisemitismus, Homophobie und Sozialchauvinismus sind viel tiefer in der Gesellschaft verwurzelt.