Klimaschutz als Angriffsziel

geschrieben von Markus Roth

3. April 2020

Warum »Ende Gelände« ins Fadenkreuz von Neonazis gerät

Das Bündnis »Ende Gelände« hat sich zum Ziel gesetzt, den Abbau und die Nutzung von Kohle im Sinne des Klimaschutzes zu beenden. Das Bündnis fordert unter dem Motto »Systemwandel statt Klimawandel« eine Abkehr vom »fossilen Kapitalismus« und weltweite »Klimagerechtigkeit« als gelebte Solidarität. Seit 2015 finden deshalb symbolische Massenaktionen in Kohleabbaugebieten wie dem Rheinland oder der Lausitz statt, die im Rahmen des »zivilen Ungehorsams« Blockaden von Kohlebaggern, Gleisanlagen und Ähnlichem beinhalten. In der Lausitz richtet sich der Protest auch gegen die Umsiedelung ganzer Dörfer, im Rheinland vor allem gegen Rodungen (Beispiel Hambacher Forst).

Ablenkungen und Kriminalisierung

Der Verfassungsschutz stuft das Bündnis aus rund 60 lokalen Gruppen als »linksextremistisch beeinflusst« ein. Regelmäßig kommt es durch die Innenminister der Länder zu drastischen Darstellungen der Klima-Aktivistinnen als umweltfreundlich getarnte »Krawallmacher« (Innenminister NRW), statt sich den eigentlichen Forderungen zuzuwenden. Auch die (noch) Beschäftigten der Kohleindustrie und deren Gewerkschaft IG BCE kritisieren Ende Gelände und mobilisieren bisweilen zu Protesten. Ihnen geht es um die eigenen Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Lage in Lausitz, die nach dem Kohleausstieg wohl noch stärker von Abwanderung betroffen sein wird. Die lokale Ablehnung und offizielle Kriminalisierung konnte bisher nicht verhindern, dass sich immer mehr Menschen an den Ende-Gelände Aktionen beteiligten, wohl aber dazu beitragen, dass auch Neonazis auf das Bündnis aufmerksam geworden sind.

Gute Ausgangslage für Neonazis

Schon 2016 griffen Neonazis in der Lausitz, zusammen mit Anwohnern und Gewerkschaftlern, unter anderem ein Camp von Ende Gelände an, um die Aktivisten daran zu hindern, Gleisanlagen und das Kraftwerk »Schwarze Pumpe« zu besetzen. In einem Aufruf hieß es damals »Wir lassen uns nicht von Zugereisten die ganze Lausitz kaputt trampeln. Jetzt liegt es an uns Sprembergern, hier einmal über alle sonstigen Grenzen hinweg zusammen zu stehen.«. Es boten sich Anknüpfungspunkte für viele Unzufriedenheiten, die Neonazis geschickt für sich nutzten. Die Erfolgsbedingungen dafür waren eine gewisse Abgehobenheit der tatsächlich überwiegend angereisten Kohlegegner, die offensichtlichen sozialstrukturellen Probleme in der Lausitz und die vertane Chance im Vorfeld, mit den Arbeiterinnen und Arbeitern und den von Umsiedelung Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Die Konfrontation mit Teilen der Bevölkerung war selbstgemacht.

Weitere Konflikte vorprogrammiert

Die Antwort von Ende Gelände war einerseits ein offener Brief an die Beschäftigten der Kohleindustrie und andererseits, dass sich das Bündnis mit aufwändigen Schutzkonzepten für die Camps beschäftigte. Doch weitere Konflikte bei Aktionen im November 2019 waren vorprogrammiert. Zum einen mobilisierte wieder die IG BCE gegen Ende Gelände. Diesmal verteidigte die Gewerkschaft den Kohlekompromiss, der einen langsamen Ausstieg aus der Kohle bei gleichzeitiger Unterstützung der Regionen vorsieht und begnügte sich damit, den Klimaaktivistinnen mangelndes Demokratieverständnis vorzuwerfen. Gleichzeitig gab es aber auch Aufrufe der AfD Hoyerswerda sowie der Fanszene des FC Energie Cottbus, Ende Gelände zu »zerschlagen«. Die wohl bekannteste Drohung im Vorfeld kam aber direkt von der Polizei: Lausitzer Polizeibeamte posierten vor einem riesigen Graffiti »Stoppt Ende Gelände«. Daneben ein Krebs, das Symbol der rassistischen Kampagne »Defend Cottbus«. Trotz antifaschistischer Aufrufe wie »Auf geht’s, ab geht’s, Antifa in die Lausitz!« aus Dresden und der Beteiligung des SchülerInnennetzwerks »Fridays for Future«, wurde das Klima-Camp von aus Sicherheitsgründen abgesagt und es fand nur ein Aktionswochenende statt. Ende Gelände verzichtete auf die Konfrontation und führte dennoch erfolgreiche Aktionen durch. Die waren, wie schon die Aktionen 2016, erfolgreich im Sinne des Klimaschutzes. Dennoch wurde ein wichtiger gesellschaftliche Konflikt umgangen: Klimaschutz und globale Klimagerechtigkeit auf Kosten von Menschen in der Lausitz oder ein regional gerechter Übergang auf Kosten des Klimas und somit zahlloser Menschen im globalen Süden heute und zukünftiger Generationen weltweit. Wenn dieser Konflikt nicht offen diskutiert und ausgetragen wird, dann wird es Neonazis immer leicht fallen, auch in anderen klimaschädlichen Bereichen Ängste für sich zu instrumentalisieren und Bündnisse zu schmieden, die ihnen sonst nicht offen stehen.

Offener Brief von Ende Gelände »Warum wir den Kohleausstieg jetzt wollen. Und warum sich unsere Aktionen trotzdem nicht gegen Sie oder die Lausitz richten.« unter https://bit.ly/2vozZUP