Die Covid19-Verschwörung
12. Mai 2020
Zum Umgang der Rechten mit der Corona-Krise
Politische Strömungen, die sich viel darauf zugute halten, Bescheid zu wissen über die wahren Triebkräfte unserer Gesellschaft, tun sich schwer mit der Corona-Pandemie. Das liegt daran, dass derlei Naturkatastrophen sich nicht in ihre Erklärungsmuster einordnen lassen, mithin das Selbstbild massiv in Frage stellen können.
Wenn Politikertypen dieser Klasse dann auch noch Regierungsverantwortung tragen wie Jair Bolsonaro oder Donald Trump, wird es rasch gefährlich. Die ihnen durch ihr Versagen wegbrechende Legitimation soll durch Leugnen, Verharmlosen, Schuld zuweisen und letztlich durch eugenische Bewertungsmaßstäbe gesichert werden. Wer nicht mehr arbeitet, darf auch ruhig sterben.
Genau diese Abfolge von Reaktionen lässt sich auch bei der AfD beobachten. Ihre Funktionäre, die nicht in der Öffentlichkeit Kreide fressen, enden beim Sterbenlassen wie zum Beispiel MdB Norbert Kleinwächter. Er (Homepage-Motto: »Ich kämpfe für die Zukunft meiner Generation«) forderte, dass die Produktion »zu keinem Zeitpunkt eingestellt werden« darf. Das heißt nichts anderes als eine sehr schnelle Verbreitung des Virus. Die Konsequenzen in Italien sind bekannt.
Diese Bereitschaft zum Sterbenlassen wird verknüpft mit großen Freiheitsbekundungen, die sich gut mit dem populistischen Gestus vertragen. Es sind ja ohnehin »die da oben«, die »das Volk« unterdrücken und die öffentliche Meinung »manipulieren«. Hansjörg Müller, außenwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion spricht von »Corona-Hysterie«. Die Lage werde von der »globalen Finanzoligarchie« instrumentalisiert, um den ohnehin nahenden Zusammenbruch der Wirtschaft zu verschleiern. Müller verwendet antisemitische Anspielungen und deutet die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als Verschwörung um. Mit diktatorischen »Zensurgesetzen« solle verhindert werden, dass AfD & Co. ihre »Meinungen« über Geflüchtete und Muslime verbreiten.
Die andere weltweit verbreitete verschwörungstheoretische Hauptvariante geht so: US-amerikanische oder besser noch israelische Wissenschaftler arbeiteten im Auftrag des Militärs geheim an »ethnisch« gerichteten Viren, um wahlweise Asiaten oder Schwarze umzubringen. Der aktuelle Ausbruch wäre ein erster Feldversuch. Dass mittlerweile mehr US-Amerikaner als Chinesen an der Krankheit gestorben sind, muss nicht stören, denn Feldversuche können ja auch schiefgehen, nicht wahr? In der Parallelgesellschaft rechter Social-Media-Accounts hört sich das so an (Fehler im Original wurden nicht korrigiert): »Das Bill-Gates Foundation Entvoelkerungsprogramm hat begonnen. Die Kronen-Therapie toetet die ahnungslosen Menschen.« // »Dieses massen psychose was wir hier erleben ist nur die Frucht von den Globallisten gesteuerte jahrelanger Massenvergewaltigung des Intellekts an uns Menschen. Und ein Testlauf der Pläne was die UNO in 2030 permanent umsetzen wollen.« // »Also meine These inzwischen ist: Sämtliche Regierungen sind pleite, weil der IWF den Hahn zugedreht hat. Bill Gates und seine Impfungen sind der Strohhalm, an den sich alle klammern…. wahrscheinlich verspricht er Geld, wenn er alle zwangs-impfen darf.«
Dass manch arme Seele durch die Angst vor der von unsichtbaren -Viren hervorgerufenen globalen Katastrophe erst recht in den Wahn gestoßen wird, darf nicht verwundern und ist kein Gegenstand für Häme. Anders sieht es aus mit Bloggern, die -dies für ihre Ziele ausnutzen. Mit Kalkül ist zum Beispiel KenFM in das Thema »Einweisung in die Psychiatrie« skandalisierend eingestiegen. Wer jetzt noch wage zu demonstrieren, werde gleich eingewiesen!
Auch einschlägige »kritische« Blogs wie »rubikon« mit ihrem Personal aus ehemaligen Journalisten und gewesenen Linken haken ein. Sie arbeiten intensiv daran, das Geschehen in ihre Weltsicht einzubauen. Dabei muss »Manipulation« für alles herhalten, was sie nicht verstehen, vor allem nicht die grundlegenden Unterschiede zwischen Politik, Ideologie und naturwissenschaftlicher Realität.
Ganz optimistisch blickt noch der als »Volkslehrer« zu zweifelhafter Bekanntheit gelangte Nikolai Nerling in die Zukunft. Er sei immer froh, »wenn etwas passiert«. Aus der Katastrophe sieht er wohl Chancen für seine Sache aufsteigen. In dem Beitrag »Corona Conto Holocaust« will er nicht nur wie üblich bei seinen Fans abkassieren. Vielmehr schafft er es, Corona- und Auschwitz-Leugnung zu verbinden. Ob es einen Virus wirklich gebe, könne man gar nicht sagen, schließlich habe man ja noch keins gesehen, und das mit Auschwitz … auch wieder so etwas, wo man »die Wahrheit« nicht sagen dürfe.