Du kannst nicht gewinnen

geschrieben von Kevin Schal

18. Mai 2020

»Through the Darkest of Times« – Widerstand im NS erleben?

In den letzten Jahren hat sich eine Computerspiele-Kultur entwickelt, die sich mit minimalistischen Mitteln tiefgründigen Themen widmet. In Papers Please etwa müssen Spieler*innen als Grenzbeamte zwischen Schmuggel, Menschenhandel, Flucht und Korruption ihre moralischen Werte mit dem finanziellen Überleben der eigenen Familie abwägen. In den Rollenspielen des Entwicklers Telltale reihen sich Entscheidungen aneinander, zwischen dem eigenen Überleben und der Hilfe für Fremde.

In dieser Nische lebt auch »Through the Darkest of Times« der Berliner Spieleentwickler Paintbucket Games, die das Spiel als ihren Beitrag gegen den Aufstieg der AfD beschreiben. Aufgabe der Spieler*innen ist es im Berlin des Dritten Reichs eine Widerstandsgruppe aufzubauen, mit ihr Aktionen durchzuführen und strategische Entscheidungen zwischen Gewissen, Paranoia und Hoffnung zu treffen.

Spiele, in denen gegen Nazis gekämpft wird, sind wahrlich keine Seltenheit. Daher ist auch wohlbekannt, was Spiele dabei alles falsch machen können: etwa die Banalisierung des Nazismus als das Urböse oder die Ausblendung der Unterstützung der deutschen Zivilgesellschaft für die Nazis. Die Fokussierung auf das Militärische ignoriert die Gräuel abseits des Kriegs. Oder Geschichtsumdeutung für Effekthascherei: In dem bekannten Spiel »Wolfenstein« wurde die bürgerliche Widerstandsgruppe des Kreisauer-Kreis en passant zu einer schwer bewaffneten Partisanen-Armee umgedichtet.

»Through the Darkest of Times« macht es anders. Hingebungsvoll erzählt das Spiel in zahllosen Episoden aus dem Alltag und dem Widerstand in Form von Bildern und Dialog-Schnipseln. Viele Opfergruppen werden berücksichtigt und auch Ereignisse aus der Geschichte zur Sprache gebracht, etwa die Köpenicker Blutwoche, die Olympischen Spiele und das skrupellose Verheizen von Kindern im Volkssturm. Dadurch schafft es das Spiel auf gespenstische Weise eine bedrückende, bedrohliche Stimmung aufzubauen. Ein endloser Strom von Nachrichten stürmt auf die Spieler*in ein: Darüber wie die Macht der Nazis sich immer weiter festigt, wie der Terror zunimmt und die Bedrohung sich im Alltag realisiert. Im Widerstandsleben hat man es zwar vor allem mit Gegner*innen des NS zu tun. Aber das Spiel spart nicht mit Episoden über Unterstützer*innen, Täter*innen und Mitläufer*innen, denen die Aktivist*innen sogar in ihren Familien begegnen. Auch Konflikten zwischen den Widerstandskämpfer*innen wird Raum gegeben.

Für die Spielmechanik ist diese dichte Inszenierung Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite motiviert es zum Spielen, Zurückschlagen und Helfen. Es wird ein beklemmendes Gefühl erzeugt, wenn man die eigenen Mitkämpfer*innen mit gefährlichen Aufträgen betraut. Andererseits sind die Erzählpassagen so häufig, dass sie den Spielfluss immer wieder unterbrechen.

Am stärksten setzt dem Spiel der Schwierigkeitsgrad zu. Die Spieler*innen werden weitestgehend allein gelassen, die Spielmechanismen zu verstehen. Zwar fällt es nicht schwer, das Spiel durchzuspielen, spektakuläre Aktionen erscheinen jedoch nahezu unmöglich. Die komplexen Abhängigkeiten der Spielzüge sind schwer überschaubar. Um etwa einen Kriegsverbrecher zu überführen, müssen über mehrere Auftragsketten Beweise gesammelt werden, die wiederum von zahlreichen Aktionen und Ressourcen abhängen.

Das birgt einiges an Frustpotential, da es so selten gelingt, Erfolge zu erzielen, die über den Selbsterhalt hinaus gehen. Dadurch fühlt sich das eigene Tun schnell bedeutungslos an, zumal das Spiel auch keinerlei Spielziele ausgibt. Da das Spiel großen Wert auf Authentizität legt und viel Kraft in die Vermittlung von geschichtlichem Wissen steckt, ist es nicht möglich die Geschichte umzuschreiben und das Regime zu stürzen, sondern vor allem im Kleinen zu wirken. Darum lässt sich das einstellende Gefühl der Ohnmacht auch als sehr lehrreich verstehen: Wie viel kann man gegen dieses Regime ausrichten? Und warum lohnt es sich trotzdem zu kämpfen?

Das Spiel lohnt sich schon allein wegen der packenden Atmosphäre und künstlerischen Erzählweise. Es wird bewusst der realistisch-expressionistische Stil einer Käthe Kollwitz und Surreales wie bei Otto Dix und George Grosz verwendet, um einen starken Kontrast zum Hyperrealismus der NS-Ästhetik zu erzielen.

Hartgesottene Strategiespieler*innen finden eine Herausforderung. Für andere, die sich eher für die Inhalte interessieren, bietet das Spiel einen Story-Modus mit vereinfachter Spielmechanik an.

»Through the Darkest of Times« ist das erste deutsche Spiel, das die FSK-Freigabe für die Verwendung von NS-Symbolen bekommen hat. Bisher wurde mit Verweis auf das Verbot verfassungsfeindlicher Symbole jede Darstellung von Hakenkreuzen etc. in Spielen verboten, was dazu geführt hat, dass viele antifaschistisch positionierte Spiele für Spieler*innen in Deutschland vollkommen entpolitisiert wurden.