Mehr als bunte Bilder
21. Juli 2020
Neue antifaschistische Comics
Der Wiener Verlag bahoe books hat sich auf politische Graphic Novels spezialisiert. Zum 75. Jahrestages der Befreiung vom Hitler-Faschismus erscheinen in diesem Jahr eine Reihe von Titeln. So etwa die Autobiografie des slowenischen Partisanen Franc Sever-Franta »Momente der Entscheidung« und Aleksandar Zografs »Partisanenpost« über den erfolgreichen Kampf der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee gegen die Wehrmacht.
Kalmen Wewryk schildert in »Nach Sobibor und zurück« seine Flucht beim Aufstand am 14. Oktober 1943. Durch Glück stieß er auf eine Gruppe russischer Partisanen, schloss sich diesen an und befreite als Mitglied der Roten Armee seine Heimatstadt Chelm.
»Cartier-Bresson, Deutschland 1945« erzählt die Geschichte eines Fotografen, der nach drei Jahren in deutscher Kriegsgefangenschaft 1943 fliehen konnte und danach unter anderem die Befreiung von Paris abbildete und im Gefolge von US-Truppen bis nach dem Kriegsende arbeitete.
Zwei Bücher schildern die Erinnerungen spanischer Überlebender des größten KZ auf (heute) österreichischem Boden: Jordi Peidros »Mauthausen« und »Der Fotograf von Mauthausen«, von Pedro J. Colombo, der die Erlebnisse des republikanischen Spaniers Francisco Boix im Erkennungsdienst des KZ Mauthausen wiedergibt.
»Der letzte Weg« ist eine in dreijähriger Arbeit recherchierte und gezeichnete Geschichte nach den Erinnerungen von Chaika Grossman und Chasia Bornstein Bielicka, die als Verbindungsmädchen in Białystok lebten. Sie organisierten Waffen und Medikamente und hielten die Kommunikation mit den anderen Ghettos und Widerstandsgruppen aufrecht.
Jan Karski, »Zeuge der Shoah«, war Soldat der polnischen Armee und schloss sich dem polnischen Widerstand an. 1942 begann sein wichtigster Auftrag: Mit Hilfe eines jüdischen Aktivisten wurde Karski in das Warschauer Ghetto und in ein Durchgangslager für den Vernichtungsort Bełzec geschmuggelt, um später der Welt als Augenzeuge über die bereits weit fortgeschrittene Vernichtung der polnischen jüdischen Bevölkerung zu berichten.
Auf zwei vor kurzem erschienene Bücher soll hier genauer eingegangen werden:
»Antifa – Hundert Jahre Widerstand«
Der Faschismus hat als politische Ideologie und als Herrschaftsform eine bald 100jährige Geschichte. In seinem Namen wurden die größten Verbrechen gegen die Menschheit begangen. Seine giftigen Ideen haben sich weltweit ausgebreitet, von den Anfängen nach dem Ersten Weltkrieg in Italien, über Nazi-Deutschland, Franco-Spanien und den KuKluxKlan in den USA. Gleichzeitig haben AntifaschistInnen im Laufe der Geschichte und auch gegenwärtig immer wieder bewiesen, dass der Geist des Widerstands lebendig, aktiv und notwendig ist.
Der Zeichner und Texter des Buches, Gord Hill, lebt in Vancouver. Deshalb ist das Buch in Form und Inhalt sehr amerikanisch, durchaus nicht zu seinem Nachteil. Hill dokumentiert zahlreiche Neonazi-Organisationen, Musikbands und Personen aus der rechten Szene. Diesen stellt er kraftvolle Momente des Widerstands und der Konfrontation der Antifa entgegen – alles reale Begebenheiten, nichts ist von ihm erfunden. Nicht staatskonforme Organisationen sind im Fokus, sondern der »schwarze Block« und andere. So entstand eine Chronik mit einem globalen Blick auf das Problem. Rasch gewinnen Leserinnen und Leser die Erkenntnis: Es braucht den Widerstand, von Anfang an, wenn nötig mit Gewalt.
»Überleben in Dachau«
Das Buch ist das Zeugnis von Guy-Pierre Gautier, dem Großvater des Zeichners, einem Überlebenden des KZ Dachau. Als 16-jähriger übernahm Gautier 1941 erste Aufgaben in der Résistance, 1943 trat er der Brigade »Liberté« der FTP bei. »Francs-tireurs et partisans«, deutsch »Freischärler und Partisanen«, wurde von der Kommunistischen Partei Frankreichs gegründet. In La Rochelle nahm Gautier an Sabotage- und Propagandaaktionen gegen die deutschen Besatzer und einheimische Kollaborateure teil. Doch die Tapferkeit ging mit Nachlässigkeit einher: Nach der Verhaftung der Gruppe folgten brutale Verhöre durch die Gestapo, Gefängnis samt Meuterei und Anfang 1944 die Deportation ins »Dritte Reich«. Der Alptraum sollte mit der Höllenfahrt in Viehwagons nach Dachau beginnen. Der Mut konnte die Angst kaum mehr verdecken, Tag für Tag, Stunde um Stunde, vom Schmerz zur Qual, bis zum Erscheinen der US-amerikanischen GIs, die das Ende des Alptraums am 29. April 1945 bedeuteten. Jedes einzelne Bild in der Graphic Novel ist ein kleines – oft verstörendes, weil brutales – Kunstwerk. Prädikat lesenswert.
Guy-Pierre Gautier, Tiburce Oger: Überleben in Dachau. bahoe books, 86 Seiten, 19 Euro
Gord Hill: Antifa – Hundert Jahre Widerstand. bahoe books, 116 Seiten, 17 Euro