Nachruf für Heinrich Fink

geschrieben von Gina Pietsch

3. Oktober 2020

31.3.1935 – 1.7.2020

Ich habe seit seinem Tode viele Nachrufe für ihn gelesen, gehöre auch bei nicht wenigen zu den Unterzeichnern. Natürlich hat Daniela Dahn (Ossietzky 14/20) sehr schön geschrieben. Aber der schönste aller Sätze über Heiner stammt von Arnold Schölzel in der Jungen Welt (8.7.20): »Heiner Fink – der freundlichste Mensch unter der Sonne«, schreibt er. Und schöner kann man Heiner nicht beschreiben. Was also setze ich dazu? Ein paar Erinnerungen vielleicht.

Meine Begegnung und mittlerweile Freundschaft mit Heiner und Ilsegret fand 1992 statt. In dem Jahr also, als man ihn, Heiner Fink, korrekter Professor Heinrich Fink, den ersten freigewählten Rektor der Humboldt-Universität Berlin zwischen 1990 und 92, mit perfiden Methoden »abwickelte« und mit ihm  an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät einhundertachtzig Hochschullehrer. Da gab es Proteste von allen Seiten, Künstlern, Kollegen, und zuvörderst Studenten. Auf der Bühne während des Solidaritätskonzertes für Heiner Fink im Audimax der Humboldt-Universität, bei dem ich mit Hannes Zerbe und Jürgen Kupke Ausschnitte aus unserer gerade erschienenen »Wende-Brecht«-CD »Alles wandelt sich« geben durfte, konnte man nicht nur spüren, dass hier einem Menschen Unrecht getan wurde, der große Achtung und Sympathie genoss, errungen durch Standhaftigkeit, Klugheit und Freundlichkeit. Nein, sag ich’s so, wie ich es empfand, einem, der geliebt wurde – das Wort ist nicht zu groß gewählt – von den Studenten. »Unsern Heiner nimmt uns keiner«, skandierten sie. Er wurde ihnen genommen, aber er zog sich nicht zurück. Seine vielen Funktionen an wichtigen Stellen ließen das gar nicht zu, aber die eigentliche Triebkraft ist in ihm, als Antifaschist, Pazifist, Christ und Sozialist. Er ist der Ehrenvorsitzende unserer VVN-BdA. Vom Jahr zuvor rührte unsere zweite Begegnung. Es war eine Feier anlässlich des Zusammenschlusses von Ost- und West-VVN. Heiner bat mich zu singen, im November 2003. Und ähnliche Bitten kamen immer wieder, besonders, da ich seit 2009 Mitglied unserer Vereinigung wurde.

Heiner Fink ist einer, von dem ich ganz persönlich viel gelernt habe. Er und seine Frau Ilsegret, genauso klug wie er, wenn auch in weniger hohen Funktionen gelandet, weil das Aufsteigen auch in der evangelischen Kirche der DDR und danach für Frauen schwerer war als für Männer. Sie beide haben mir geholfen, Defizite aufzufüllen, die religionsfeindliche Haltung meines Vaters und so Unkenntnis von Kirchenkultur erzeugt hatten. Was mein Vater nie zu vermitteln wusste, Heiner und Ilsegret haben gelehrt und gelebt, was Christen wirklich sind. Wie viele lebenswichtige Fragen von der Bibel her zu erklären sind, war fast neu für mich. Fast sage ich, denn einer der Germanistik-Dozenten an meiner Karl-Marx-Universität Leipzig verlangte im zweiten Studienjahr nicht nur die Kenntnis des Kapitals, sondern eben auch die der Bibel. Aber verlangter Lehrstoff kann natürlich nie vermitteln, was die freundschaftliche Begegnung mit Menschen kann.

Dass Versklavung von Menschen Gotteslästerung ist, dass Friede für alle erst die Frucht der gerecht an alle verteilten Güter dieser Erde ist, dass, wer Juden verfolgt, Christus verfolgt, dass, wer für Juden keinen Platz hat, hat keinen für Christus. Solche Dinge weiß ich von Heiner. Und mehr. Ilsegret hat mir, sofort nach dem Besuch meines Weihnachtsabends »Jesus macht nicht mehr mit« den Text der »proletarischen Stillen Nacht« geschenkt, die ich nicht kannte. Meine Sicht auf diesen sanften »Revolutionär«, der die Liebe predigte, bis er »aufs Kreuz gelegt wurde«, und so eine Hoffnung auf Friede und Wohlgefallen wurde für viele, hat uns, glaube ich, auch ein wenig mehr zusammengebracht. Und so war dann für mich fast gesetzt, die Hilfe der beiden beim Zustandekommen des für mich alte Atheistin recht schwierigen Luther-Abends, der anlässlich des Kirchentages am 25.  Mai 2017 mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Premiere hatte. Hier habe ich Ilsegret zu danken, aber Heiner bei so vielen Dingen mehr. Zum Beispiel, dass er nicht bereit war zu sagen: die DDR sei ein totalitärer Staat, ein Land von Spitzeln und Zuträgern gewesen, in dem es nur einen verordneten Antifaschismus gegeben habe. Bösartig angefeindet, sehe ich in diesem freundlichen, klugen, liebevollen Menschen ein reiches, kämpferisches gutes Leben, das in guten und schlimmen Situationen geschichtsträchtig genannt werden kann. Ich bin sehr stolz auf diese Freundschaft.

Heinrich Fink studierte von 1954 bis 1960 Theologie an der Humboldt-Universität. Dort promovierte er 1966 und habilitierte 1978. 
1980 wurde er Dekan an der theologischen Fakultät. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. 1990 wurde er zum Rektor der HU ernannt. Nach seiner Absetzung 1991 wehrte er sich mehrere Jahre gegen den Vorwurf inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen zu sein. Von 1998 bis 2002 wurde er als parteiloser Direktkandidat für die PDS in den Bundestag gewählt. 
Ab 2003 war er bis 2013 Bundesvorsitzender und danach Ehrenvorsitzender der VVN-BdA.

Der Bundessprecherkreis der VVN-BdA hat unter vvn-bda.de einen 
Nachruf veröffentlicht.