Vergeigte Inventur
13. April 2021
Das »Kommando Spezialkräfte« klärt Probleme lieber unter sich
Bei der 1996 gegründeten Eliteeinheit der Bundeswehr, dem »Kommando Spezialkräfte«, hielt die Inventur in den Waffenkammern im baden-württembergischen Calw im Frühjahr 2020 einiges an Überraschungen bereit: Vermisst gemeldet wurden da rund 50.000 Schuss Munition sowie Dutzende Kilo Hand- und Nebelgranaten (siehe antifa von September/Oktober 2020). Nun wurde bekannt, dass derlei Ungemach bei einer edlen Truppe wie dem KSK am liebsten unter sich geklärt wird – Vertuschung par excellence. Zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe bahnte sich somit gleich ein neuer Skandal bei der krisengeschüttelten Einheit an, die über eintausend Angehörige umfasst.
Im Zentrum des Ganzen steht mit Spezialkräfte-Kommandeur Markus Kreitmayr ausgerechnet jener General, der nach dem Aufsehen um rechte Umtriebe in der Truppe (siehe antifa Juli/August 2020) wieder für Ruhe sorgen sollte – Kreitmayr galt als Antreiber von »Reformen«, die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer 2020 angekündigt hatte. Das mit der Ruhe nahm Kreitmayr auch ganz wörtlich. So habe er, nachdem der Verlust entdeckt worden war, »Amnestieboxen« aufstellen lassen, damit Soldaten entwendete Munitionsbestände anonym zurückgeben konnten. Kreitmayr habe den Soldaten illegal Straffreiheit zugesichert und ließ laut Spiegel verlauten, »niemandem« werde »der Kopf abgerissen«. Die Meldungen ans Ministerium wegen der verlustig gegangenen Munition oder die Anzeigen wegen Diebstahl können da schon mal hinten runterfallen. Aber die geniale Sache mit den Boxen förderte immerhin die nächste Überraschung zutage: Plötzlich war mehr Munition in den aufgestellten Kisten, als in der Waffenkammer abhanden gekommen sein soll. Auch ein paar Handgranaten hielten die edlen Spender bereit. Damit war das Ausmaß des Ganzen allerdings immer noch nicht komplett: Im Mai 2020 fanden sich bei einer Razzia im Gartendepot des Neonazis und – inzwischen ehemaligen – KSK-Soldaten Philipp Sch. im sächsischen Collm gleich noch mal mehrere Tausend Schuss Munition sowie Pistolen, Sprengstoff, eine Kalaschnikow und allerlei Nazidevotionalien.
Doch Philipp Sch. war mit seinen rechten Ambitionen nur die Spitze des Eisbergs beim Kommando Spezialkräfte. Laut der Bundeswehr-Geheimriege »Militärischer Abschirmdienst« (MAD) waren im Herbst 2020 allein 20 mutmaßliche Neonazis Teil des KSK – und das sind nur die offiziellen Zahlen. In der jüngsten Berichterstattung um den massenhaften Munitionsklau geht eines fast komplett unter: Die paramilitärischen Neonazizirkel in Truppen wie dem KSK wünschen sich nichts weniger als den »Tag X«, und sie wollen dabei mittenmang sein. Bereits 2018 machten die Enthüllungen zum KSK-Soldaten André S. alias »Hannibal« oder dem »Verein« Uniter etc. die Umrisse des Ganzen deutlich. Wenn schon eigene interne Recherchen beim Bund im Schnitt siebenmal mehr rechte Verdachtsfälle beim KSK ausmachen als sonst wo in der Armee, ist doch eines klar: Hier entsteht ein Biotop für die braune Putschelite. Und mit dem richtigen Drill schafft man sich das rechte Fußvolk auch noch ganz nebenbei.