Von der Prüfung zum Verdachtsfall

geschrieben von Janka Kluge

13. April 2021

Auseinandersetzung der AfD um Beobachtung durch Verfassungsschutz geht in eine neue Runde

Für die AfD geht es um viel. Sollte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu dem Ergebnis kommen, dass die AfD bundesweit vom Prüffall zum Verdachtsfall eingestuft wird, kann der Geheimdienst die Partei mit geheimdienstlichen Mitteln beobachten. Es könnten leichter Telefongespräche abgehört und V-Menschen angeworben werden. Gegen Beamte, die in leitender Position in der AfD tätig sind, könnte wegen der Tätigkeit, nicht der Mitgliedschaft, ein disziplinarrechtliches Verfahren eingeleitet werden.

AfD fährt juristische Geschütze auf

Nachdem Anfang Januar mehrere Zeitungen gemeldet hatten, dass der Verfassungsschutz plane, die gesamte AfD zum Verdachtsfall zu erklären, kündigte die Partei an, dagegen zu klagen. Die Klageschrift wurde von der Kölner Kanzlei Höcker verfasst und eingereicht. Pikanterweise ist es die Kanzlei, bei der Hans-Georg Maaßen, der frühere Präsident des BfV, angefangen hat zu arbeiten. Erst nachdem verschiedene Medien die Verbindungen öffentlich gemacht hatten, gab die Kanzlei in einer Stellungnahme bekannt, dass Maaßen nicht mehr für sie tätig sei. An der Klage, die die Kanzlei im Namen der AfD eingereicht hat, dürfte er noch beteiligt gewesen sein. Obwohl das Verwaltungsgericht Köln die Klage der AfD abgewiesen hat und auch einen Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht Münster nicht stattgegeben wurde, ist es interessant zu schauen, worauf sich die Klage der Kanzlei bezieht, da Maaßen den Verfassungsschutz und seine Strukturen kennt wie kaum ein anderer.

Bereits am 8. März 2019 teilte das BfV mit, dass die AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« und der »Flügel« zum Verdachtsfall erklärt werden. Als Folge drängte der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen darauf, dass sich der »Flügel« auflöst. Im April 2020 hat sich die Gruppierung dann offiziell aufgelöst. Meuthen hat allerdings davor und auch danach, gut mit deren Mitgliedern zusammengearbeitet. Auch nach der angeblichen Selbstauflösung des extrem rechten »Flügels« sind viele seiner Mitglieder in führenden Positionen in der Partei. Dieser Einfluss ist in den Landesverbänden im Osten Deutschlands besonders groß. 2020 ist die AfD in Thüringen und Brandenburg und Anfang 2021 in Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Verdachtsfall erklärt worden

Bereits am 8. März 2019 teilte das BfV mit, dass die AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« und der »Flügel« zum Verdachtsfall erklärt werden. Als Folge drängte der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen darauf, dass sich der »Flügel« auflöst.
Im April 2020 hat sich die Gruppierung dann offiziell aufgelöst.
Meuthen hat allerdings davor und auch danach, gut mit deren Mitgliedern zusammengearbeitet.
Auch nach der angeblichen Selbstauflösung des extrem rechten »Flügels« sind viele seiner Mitglieder in führenden Positionen in der Partei. Dieser Einfluss ist in den Landesverbänden im Osten Deutschlands besonders groß. 2020 ist die AfD in Thüringen und Brandenburg und Anfang 2021 in Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Verdachtsfall erklärt worden

Zum einen soll dem BfV untersagt werden, die AfD als Verdachtsfall einzustufen. Mit der Bezeichnung Verdachtsfall geht einher, dass ein großer Teil der Partei »gesichert rechtsextremistische Bestrebungen« unterstützt. Als zweites will die AfD dem Verfassungsschutz verbieten lassen, öffentlich zu verbreiten, wie viele Mitglieder der sogenannte Flügel hatte. Dabei kursiert seit langem die Zahl von 7.000 Personen. Bei einer Mitgliederzahl von 32.000, Stand Januar 2021, entspricht das mehr als 20 Prozent.

Außerdem will die AfD dem BfV verbieten lassen, sich mit den Landesämtern über ihre Erkenntnisse zur Partei auszutauschen. In einem Artikel über die Klage, zitiert der Juristische Newsletter »Legal Tribune Online« aus der Klageschrift: »(…) die Klägerin als Verdachtsfall einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln, zu prüfen und/oder zu führen«. Mit anderen Worten, die AfD will dem Verfassungsschutz verbieten lassen, sich mit der Bundespartei überhaupt zu befassen.

Dabei werden Teile der AfD schon jetzt in ganz Deutschland vom Inlandsgeheimdienst beobachtet.

Anfang Januar wurde dem Berliner Landesverband der AfD ein Gutachten des Berliner Verfassungsschutzes zugespielt. Darin hieß es sinngemäß, dass der Landesverband nicht als Verdachtsfall eingestuft werden kann, weil der Einfluss von »völkisch-nationalen Parteimitgliedern« gering sei. Als Antifaschisten eine Liste von 200 Berliner Mitgliedern des Flügels veröffentlichten, ließ der Berliner Innensenator erklären, dass es sich nicht um den offiziellen Bericht gehandelt habe, sondern um einen Zwischenbericht.

Taktisches Agieren

Wie wichtig es für die AfD ist, nicht offiziell als rechtsextrem und nationalistisch bezeichnet zu werden, zeigt auch eine Erklärung, die beim Bundesparteitag in Kalkar im November letzten Jahres veröffentlicht wurde. Darin führt die AfD aus, dass sie »alle Menschen als Deutsche betrachtet, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, unabhängig vom Zeitpunkt der Einbürgerung«. Damit verabschiedet sie sich zumindest nach außen hin von der völkischen Definition von Volk, wonach nur Menschen Deutsche sein können, die hier geboren sind und deren Vorfahren ebenfalls aus Deutschland stammen. Obwohl die Erklärung von der gesamten Führung der AfD unterschrieben wurde, ist es sehr fraglich, ob es mehr als ein taktischer Schachzug war.

Manchmal wird die Vermutung geäußert, dass sich manche bei einer Beobachtung der AfD mit ihr solidarisieren könnten. Für die antifaschistische Auseinandersetzung mit der AfD sollte es völlig egal sein, wie der Verfassungsschutz die Partei einschätzt. Auch die angeblich gemäßigten Teile der Partei sind rassistisch und hetzen offen gegen Menschen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen, und wer sich mit ihnen solidarisiert, unterstützt RassistInnen.