Frustrierter, aggressiver, gefährlicher

3. Juli 2021

antifa-Spezial zu Neofaschismus heute

Die durch eine gemeinsame Ideologie verbundene neofaschistische Bewegung in Deutschland ist vielfältig und arbeitsteilig organisiert. Sowohl konkurrierend als auch kooperierend ringen ihre Zusammenschlüsse um die Vorherrschaft im eigenen Lager, die »richtige« taktische Herangehensweise, um den Ausbruch aus der politischen Isolation und letztlich um die Macht in Staat und Gesellschaft. Sie lassen sich fünf »Arbeitsfeldern« zuordnen: Ausnutzung der Parlamente, Gewalt und Terror, Beeinflussung sozialer Milieus, Medien sowie Unterstützungs- und Hintergrundtätigkeiten.

Mit dem Wegfall des direkten persönlichen Bezugs zum historischen Faschismus durch den Tod der Generationen, die Naziherrschaft und Krieg erlebt haben, der faktischen Freigabe von NS-Gesinnung im NPD-Verbotsurteil von 2017 und dem erstmaligen Ausschöpfen des extrem rechten – und darüber hinaus des konformistischen – Wähler*innenpotentials durch die AfD, geht die historische Epoche der schambesetzten Isolierung neofaschistischer Politik nach dem 8. Mai 1945 zu Ende. Wir betreten eine Welt, in der die faschistische Bewegung befreit »aufatmen« kann und sich selbst wieder als künftigen Machtfaktor sieht. Gleichzeitig verliert sie durch die rasch voranschreitende Liberalisierung und Individualisierung der Gesellschaft, erkennbar zum Beispiel am beklagten »Linksruck der Unions-Parteien«, an Boden.

Mit der weltweiten extremen Rechten teilt die deutsche Rechte die Vorstellung von einer durch »finstere Mächte« betriebenen, bewussten »Auslöschung« des biologistisch verstandenen (in diesem Fall: deutschen) Volkes durch einen angeblichen »-großen Austausch« und eine imaginierte »Islamisierung«. Das Gefühl, dass es »jetzt darauf ankommt«, führt zu einem starken Anstieg verbaler Aggression und Gewaltbereitschaft. Es wird in verschiedenen Quellen von einem »Tag X« gesprochen, an dem als »Feinde« markierte Personen und gesellschaftliche Gruppen ermordet werden sollen. Entschiedenes und konsequentes antifaschistisches Handeln und die Stärkung antifaschistischer Organisierung sind deshalb wichtiger denn je.

Rechts, rechter, AfD

Die AfD ist mit weitem Abstand die bedeutendste Formation des deutschen Neofaschismus. Als einzige ist es ihr gelungen, Fuß in der Mehrheitsgesellschaft zu fassen und perspektivisch Zugriff auf den Staat und seine Institutionen zu erhalten. Ihr Wohl und Wehe ist Bezugspunkt der gesamten Bewegung.

Neofaschismus in Deutschland. Ab August verfügbar

Neofaschismus in Deutschland. Ab August verfügbar

Die AfD hat als extrem rechte Hybridpartei – das heißt, als Sammelorganisation verschiedener rechter Strömungen – bis Ende 2019 einen kontinuierlichen Aufstieg erlebt, der mit einer ideologischen Radikalisierung einherging. 2020 stagnierte der Parteiaufbau und ist nunmehr in eine Phase übergegangen, in der ihre Wahlergebnisse in den alten Bundesländern erstmalig deutlich zurückgehen. Da dort der nationalkonservative Flügel verhältnismäßig stark ist, muss er sich diese Niederlage zurechnen lassen. Sein Versuch, den faschistischen Flügel zu kontrollieren, der in den neuen Bundesländern dominiert, ist damit an seine Grenzen gekommen. Mit der Wahl von Alice Weidel und Tino Chrupalla zum Spitzenduo für den Bundestagswahlkampf 2021 hat sich zudem der völkisch-faschistische gegen den nationalkonservativen Flügel unter Parteichef Jörg Meuthen durchgesetzt. Dementsprechend verfestigt sich die Ausrichtung der Partei.

Auch mit dem Bundesparteitag im April 2021 in Dresden hat sich die AfD weiter rechts positioniert. Es ist offenbar geworden, dass nunmehr Björn Höcke den bisherigen Parteivorstand vermutlich bis nach den Bundestagswahlen duldet und nicht umgekehrt. Es wird für die Partei immer schwieriger, sich unter anderem auch als »bürgerliche« – sprich »normale« – demokratische Partei darzustellen und wahrgenommen zu werden.

Reservestruktur NPD

Die NPD kann nach zwei überstandenen Verbotsverfahren faktisch nicht mehr verboten werden. In diesem Sinne ist sie für alle Neofaschist*innen, die ein Verbot ihrer Tätigkeit durch den Staat befürchten, ein sicheres Auffangbecken. Trotz ihrer momentanen Schwäche ist sie deshalb die Reservestruktur der Bewegung.

Zwei weitere Kleinparteien halten Varianten parteipolitischen Verhaltens vor. »Der III. Weg« ist eine von anderen extrem rechten Parteien klar abgegrenzte Organisation. Sie ist vom Anspruch her eine sektenartige, extrem disziplinierte Kaderpartei, die sich besonders deutlich auf den historischen Nationalsozialismus bezieht. Dies zeigt sich sowohl in ihrem uniformen öffentlichen Auftreten als auch in ihrem Verhalten auf der Straße.

»Die Rechte« hingegen ist von der Anmutung her eine hooliganartige kriminelle Vereinigung, die den Parteienstatus nur sucht, um sich gegen ein Verbot abzusichern. Auch ihre Entstehung aus der Kameradschaftsszene ist dafür bezeichnend. Ihre Vorstandsmitglieder werben in der Szene offen damit, dass gegen sie strafrechtlich ermittelt wird beziehungsweise sie vorbestraft sind.

Gewalt und Terror

Neofaschistische und rassistische Straftaten, darunter Gewalttaten, bewegen sich zahlenmäßig auf einem sehr hohen Niveau. Sie richten sich gegen alle als »schädlich« markierten Bevölkerungsgruppen. Medial findet diese alltägliche rassistische Gewalt bestenfalls als Randnotiz statt. Herausgehoben werden »spektakuläre« Morde wie in Halle und Hanau oder die Erschießung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke als einen Repräsentanten des Staates. Die Dimension der mörderischen Gewalt, die seit 1990 circa 200 Menschenleben forderte, wird nicht wirklich wahrgenommen.

Es haben sich drei Reservoirs für terroristische Täter und Gruppen herausgebildet: Bundeswehr und »Sicherheitsbehörden«, die »Reichsbürger«-Szene und die Internetszene der radikalisierten »einsamen Wölfe«, eng verknüpft mit dem Online-Phänomen der »Incels«, wobei es sich um frauenverachtende und antisemitische Online-Communities handelt. Hintergründe und Vernetzungen dieser Reservoirs kommen nur langsam und stückweise zutage. In der Bundeswehr zeigen sich insbesondere sogenannte Eliteverbände wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) als anfällig. Geheimniskrämerei, elitäres Selbstverständnis und der einfache Zugang zu Waffen und Munition gehen auf gefährliche Weise mit NS-verherrlichenden Vorstellungen und Selbstermächtigungsfantasien einher.

Bei der strafrechtlichen Aufarbeitung werden die Taten sehr kleinteilig angegangen, und vordergründig aus »prozessökonomischen Gründen« wird eine Ausweitung der Aufklärung über den unmittelbaren Tathergang hinaus verweigert. Regelmäßig wird der Mythos vom »Einzeltäter« bemüht, während die größeren Zusammenhänge und Netzwerke rechter Täter außer Acht gelassen werden. Sind Täter*innen Staatsdiener, wird stets gemahnt, dass Polizist*innen, Geheimdienstler etc. nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürfen, anstatt die Strukturen zu untersuchen, die solche personellen Konstellationen begünstigen.

Heimlich verbunden

Innerhalb von Bundeswehr, Polizei und anderen »Sicherheitsbehörden« bilden sich zunächst im Verborgenen neofaschistische Netzwerke. Im Tagesspiegel (21.4.2021) heißt es beispielsweise im Beitrag »Rechte Affäre im BKA«: »Im Bundes-kriminalamt gibt es nun offenbar auch eine rechts eingefärbte Affäre. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Personenschützer aus der BKA-Sicherungsgruppe, ein Beschuldigter soll bei der Zehn-Jahres-Feier seiner Einheit den Hitlergruß gezeigt haben. Ein weiterer Beamter, ein Kommandoführer, soll in einem Chat Enthauptungsvideos verbreitet haben. In dem Chat kursierten zudem rassistische und sexistische Inhalte. Beim dritten Beamten geht es um den Vorwurf der Bedrohung.«

Was hier beschrieben wird, ist der Anfang zur Bildung einer rechten Gesinnungsgemeinschaft. Gemeinsame Werte werden gefestigt, Feindbilder hergestellt, und die Grundlage für weitere Aktivitäten wird gelegt, die in vergleichbaren Fällen immer weiter ins Kriminelle gegangen sind: Rechtsbeugung, Horten von Waffen und Munition, durchstechen von Informationen an die rechte Szene. Die Grenzen zwischen »Sicherheitsbehörden« und legalen und illegalen neofaschistischen Strukturen sind in zahlreichen Fällen verschwommen. Dass man darüber mittlerweile so viel weiß, ist allerdings auch als Zeichen zu werten, dass solche Cliquenbildung in den Apparaten nicht mehr nur rhetorisch abgelehnt, sondern zumindest teilweise auch tatsächlich verfolgt wird.

Corona-Leugner*innen

In der Welt der Corona-Leugner*innen und -Verharmloser*innen sind viele Akteur*innen der sogenannten Montagsmahnwachen für den Frieden und generell der Querfrontgruppen wieder aufgetaucht. Sie waren sofort aktiv in den diffusen Zusammenballungen von Impfgegner*innen, Esoteriker*innen, geschädigten Geschäftsleuten und orientierungslosen Zeitgenoss*innen. Ken Jebsen und Konsorten sind dieses Mal allerdings ungleich erfolgreicher darin, wirklich große Menschenmengen virtuell und auf der Straße anzusprechen. Es gelang ihnen rasch, Verschwörungsmythen zu verbreiten, deren ideologischer Kern der Antisemitismus ist. Ihr Denken wird von der Frage getrieben: »Es muss doch irgendwo einen Strippenzieher geben, der zur Rechenschaft zu ziehen ist!« Abgrenzungen zur organisierten extremen Rechten waren von Anfang an schwach oder sind ganz gefallen. Es ist zu vielen Fällen rasend schneller Radikalisierung gekommen, die die Schwelle zur Gewalt gegen Journalist*innen, Gegendemonstrant*innen und Beamt*innen überschritten haben.

Eine der Quellen der Corona-Leugner*innen-Bewegung ist die »Reichsbürger«-Szene. Auch in ihr vermischen sich persönliche Betroffenheiten mit faschistischen Deutungsmustern. Auffällig häufig sind es von Insolvenz betroffene Geschäftsleute oder mit Behörden in Konflikt geratene Personen, die sich in der Szene tummeln. Hier wie dort ist die Ablehnung der Realität Triebkraft für immer radikaler werdende Anschauungen, mit fließendem Übergang zu offener Irrationalität. So heißt es unter anderem, dass es die BRD gar nicht gebe und das Deutsche Reich fortbestehe. Hohe Aggressionsbereitschaft und weitverbreiteter legaler und illegaler Waffenbesitz stellen dabei eine gefährliche Kombination dar. War die Szene längere Zeit kaum beachtet, ist sie in den letzten Jahren in das Visier der »Sicherheitsbehörden« geraten. Es bleibt eine offene Frage, ob die Szene tatsächlich deutlich wächst, wie die veröffentlichten Zahlen zeigen, oder ob nur benannt wird, was ohnehin schon da war.

Eine der möglichen von Neofaschist*innen gezogenen Schlussfolgerungen ist die Idee des Rückzugs in die Dörfer, insbesondere solche in den neuen Bundesländern. Man hofft dort auf größere ethnische Geschlossenheit (um nicht zu sagen »Reinheit«) und ein geringes demokratisches Bewusstsein. Man träumt nicht mehr nur vom Aufbau völkischer Gemeinschaften, sondern treibt diese aktiv voran. Durch die eigene Geschlossenheit soll die Dorfgemeinschaft dominiert und durch möglichst viele »rassisch einwandfreie« und von Anfang an indoktrinierte Kinder das deutsche Volk vor dem »großen Austausch« gerettet werden. Am weitesten fortgeschritten darin ist die vom russischen Esoteriker Wladimir Megre begründete esoterisch-antisemitische Anastasia-Bewegung.

Kampf und Gewalt sind elementare Bestandteile faschistischer Ideologie. Es ist deswegen nicht erstaunlich, dass Neofaschisten eine Affinität zum Kampfsport, insbesondere brutalen Varianten wie Mixed Martial Arts, hegen. Die Szene hat eigene Strukturen gebildet und führt Wettkämpfe und Festivals durch, am bekanntesten ist der »Kampf der Nibelungen«. Es gibt hier internationale Beziehungen, insbesondere nach Osteuropa. Auch »Der III. Weg« hat eine eigene Kampfsportgruppe aufgebaut.

Eine besondere ideologische Rolle spielt hier der Männlichkeitsfetischismus. Er bereitet den Weg für neofaschistische Ideologie und Gewalt. Es existiert seit langem eine Szene harten Rechtsrocks, die an Ausstrahlungskraft mittlerweile aber deutlich von nach rechts abgedrifteten Unterhaltungskünstlern übertroffen wird. Zu nennen ist hier zum Beispiel Xavier Naidoo, der in seinen Texten Verschwörungsmythen verbreitet und sich politisch an die »Reichsbürger«-Szene angeschlossen hat.

Hass verbreiten in den Sozialen Medien

Ohne sich vom Sofa erheben zu müssen, kann man heute Teil einer Gesinnungsgemeinschaft aus Frauenfeinden, Rassist*innen und Antisemit*innen werden. Man muss nur in Facebook- und Telegram-Gruppen hineinschnuppern und kann, wenn man möchte, seinen ganzen Tag damit verbringen, sich mit Tausenden Gleichgesinnten auszutauschen und anzustacheln. Auf diese Art und Weise bilden sich politische Parallelgesellschaften, in denen man immer wieder in seinen Vorurteilen bestätigt wird und in denen kritisches Denken systematisch zerstört wird. So haben sich riesige Filterblasen gebildet, in denen sich Corona-Leugner*innen, Neofaschist*innen und AfD-Anhänger*innen treffen. Es ist daher kein Zufall, dass von allen Parteien die AfD bei weitem am aktivsten in den Sozialen Medien ist.

In dieser Szene hat sich sogar ein neues Berufsbild herausgebildet. Nazi-Influencer wie zum Beispiel Nikolai Nerling aka »Der Volkslehrer« und sogenannte freie Medien begleiten und vernetzen alle öffentlichen Events von Neofaschist*innen und Corona-Leugner*innen. Das Internet wird auch erfolgreich als Einnahmequelle durch Spenden und Werbung genutzt. Mit der »Identitären Bewegung« hat sich zudem eine Organisation gebildet, die ihr Handeln besonders stark auf die Präsentation in den Sozialen Medien ausrichtet. Sie will insbesondere Bilder schaffen, die sich an Aktionen von beispielsweise Greenpeace anlehnen. Sie betreibt symbolische Grenzüberschreitungen und Einschüchterung zum Beispiel durch den Einbruch in die SPD-Zentrale. Diese Bild-Events nutzt sie anschließend weiter, um sich als hippe Jugendkultur zu gerieren.

Die Printmedien sind trotz dieser Entwicklungen nicht zu vernachlässigen, und die Auflagen der extrem rechten Printmedien steigen insgesamt. Die Anzahl der Titel, die einzelne Zielgruppen oder Submilieus bedienen, nimmt zu. Herauszustellen ist beispielsweise das Magazin Compact des Ex-Linken Jürgen Elsässer, das in kürzester Zeit einen relevanten Platz in den Bahnhofsbuchhandlungen erobert hat. An ihm kann man auch gut erkennen, wie sich Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Rassismus und pöbelnde Gewaltbereitschaft mit dem Ziel verbinden, dem umstürzlerischen Flügel innerhalb der AfD zum Durchbruch zu verhelfen. Gegenpol in der Gesamtbewegung ist die Junge Freiheit, die ganz auf die Stützung des Meuthen-Flügels und eine Koalition der in ihrer Sicht »bürgerlichen Parteien« setzt.

Die Unterschiede zwischen Ost und West in der Ausprägung des Neofaschismus nehmen eher wieder zu. Insbesondere die AfD ist im Osten einflussreicher, stabiler und auch stärker radikalisiert als im Westen. Den Boden dafür hat im Osten vor allem die nicht verbotene NPD mit ihren rechten Netzwerken bereitet, insbesondere durch deren parlamentarische Präsenz, durch finanzielle und logistische Unterstützung in den Landesparlamenten von Sachsen (bis 2014) und Mecklenburg-Vorpommern (bis 2016). Die Ausbildung neofaschistischer Netzwerke bis hin zu gewaltbereiten Kameradschaften und Terrorgruppen wurde vor allem im Osten ebenso lange verharmlost wie die neofaschistische Beeinflussung von Pegida-Protesten und Corona-Leugner*innen.

Es gibt eine Reihe von Akteur*innen in Stiftungen, Vereinen und der CDU, die versuchen, Bündnisse zwischen AfD und Unionsparteien insbesondere in den neuen Bundesländern voranzutreiben. In Thüringen ist dies beispielsweise deutlich geworden, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich kurzzeitig mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Rechte Thinktanks wie das Institut für Staatspolitik und rechte Presseerzeugnisse wie Compact und Junge Freiheit lenken den Blick systematisch auf Anknüpfungspunkte für konservative Politik, die die AfD in den Landesparlamenten und noch mehr in Kreis- und Stadtvertretungen geschickt anvisiert und zu Abstimmungen bringt.

Finanzierung und Berufschancen

Die extreme Rechte in Deutschland war noch nie so gut finanziert wie heute. Dazu zählen insbesondere die staatlichen Gelder für die AfD, ihre Unterstützung durch verschleiernde und dubiose Umwegfinanzierungen aus dem Bereich »Familienunternehmen«, insbesondere durch den Milliardär August von Finck, sowie diverse Geschäftstätigkeiten von Neonazis. Auffallend ist beispielsweise, dass die AfD im Mietenstreit in Berlin nicht zufällig eine Spende über 100.000 Euro vom Immobilienunternehmer Christian Krawinkel erhalten hat. In der AfD-Spendenaffäre steht der Vorwurf im Raum, dass beispielsweise die Wahlkampfhilfe des Immobilienunternehmers Henning Conle durch Tranchieren der Summe und durch Strohmänner verschleiert wurde. Ebenso in den Spendenlisten nicht aufgeführt sind Parteifinanzierungen durch Sponsoring. Dies gilt inzwischen als beliebte Einflussmöglichkeit. Die Höhe der Einnahmen soll dabei teilweise über jener der Parteispenden liegen, heißt es in einer Analyse der Linken aus dem Bundestag.

Die AfD ist zudem in allen Landesparlamenten, in Kreistagen und Stadtvertretungen vertreten und kassiert systematisch staatliche Gelder. Es ist damit zu rechnen, dass darüber hinaus demnächst die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung in den Genuss erheblicher finanzieller Mittel analog zu anderen Parteistiftungen kommt. All dies hat dazu geführt, dass viele hundert Jobs und neue Karrierewege entstanden sind. Wer weit rechts steht, muss sich nun nicht mehr unbedingt im Beruf zurückhalten. Auch konformistische Personen werden auf diesem Weg an die Bewegung gebunden.

Die extreme Rechte ist international eng vernetzt und bezieht sich aufeinander bis hin in die rechte Terrorszene. Neonazis treffen sich auf internationalen Märschen und Veranstaltungen, wie in Riga, Sofia oder Wien, bündeln ihre Kräfte und tauschen sich aus. Sie kooperieren mit Gruppen, die in der Tradition der historischen Nazikollaboration stehen, und pflegen zugleich enge ideologische, personelle und finanzielle Beziehungen zu Parteien, Organisationen und Behörden in Russland, allen voran die AfD. AfD-Abgeordnete halten sich regelmäßig in Russland auf, versuchen sich als Friedensstifter zu stilisieren und damit ihr internationales Renommee zu schärfen. Tatsächlich vertreten sie eine deutsche Weltmachtpolitik, stehen für Aufrüstung und die verfassungsmäßig verbotene Vermischung der Gewalten, etwa für den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Mittlerweile ist die extreme Rechte so stark international vernetzt und auch finanziell verflochten, dass Terroraktivitäten weltweit häufiger als zuvor unterstützende Resonanz und Nachahmer finden.

Politischer Gegenwind

Der Ton gegenüber antifaschistischen Kräften ist insgesamt rauer geworden. Insbesondere die AfD treibt dies mit ihren parlamentarischen Möglichkeiten gegen einen angeblichen gesellschaftlichen »Linksdrall« voran. Tatsächlich bekämpft die AfD aber nicht nur schlechthin linke Ideen, sondern wirkt generell antiaufklärerisch. Sie unterminiert damit die verfassungsmäßigen Grundlagen der Gesellschaft, die in der Aufklärung und den Menschenrechten ihren Ursprung hat. Auch die Ideen und Errungenschaften emanzipatorischer politischer und sozialer Bewegungen der letzten 130 Jahre werden von der AfD vehement bekämpft. Nicht zuletzt ist der Sozialstaatscharakter der Republik eine historische politische Errungenschaft fortschrittlicher Kräfte in Deutschland, die mit Privatisierungsbestrebungen und ethnischen Sonderrechten von der AfD in Frage gestellt wird.

Die AfD will mit ihrem Rentenkonzept deutsche Eltern mit Kindern bevorzugen. Sie sollen je Kind 20.000 Euro an Rentenversicherungsbeiträgen vom Staat erstattet bekommen – nicht hingegen Eltern mit anderer Staatsbürgerschaft. Das Sozialversicherungsrecht ist in Deutschland aber nicht an die Staatsangehörigkeit gebunden.

Die AfD bekämpft nicht nur politische Initiativen, die Minderheitenrechte stärken sollen, sondern ist bestrebt, die bereits gesetzlich verankerten Fortschritte bei der Gleichstellung der verschiedenen Geschlechter, der Kinder, der Gewaltfreiheit bis in die Ehe und zum Erhalt der Umwelt zu revidieren. Dafür sucht sie im konservativen Milieu Bündnispartner*innen. Die AfD wird mit ihren Zielen erfolgreich sein, wenn es nicht gelingt, soziale und Freiheitsrechte aktiv zu verteidigen und Vorurteile erfolgreich abzubauen. Der Neofaschismus verliert in dem Maße an Einfluss wie die Gesellschaft an antifaschistischer Kraft gewinnt.

Die Thesen der »Kommission Neofaschismus« wurden beim Bundeskongress der VVN BdA e.V. Ende April 2021 zur Diskussion gestellt. Sie sind auch Grundlage der neuen Ausstellung der VVN-BdA, die ab August verfügbar ist. Ein Interview mit dem Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA zur neuen Ausstellung findet sich auf den Länderseiten dieser Ausgabe.