Wütend bin ich schon lange

8. September 2021

Der Rapper Refpolk im antifa-Gespräch über den VS, die VVN-BdA und »DeutschrapMeToo«

antifa: Dein neuer Song »Im Verborgenen Gutes tun« kann wohl als Hasstirade auf den Verfassungsschutz gelten. Was empört dich an ihm so?

Refpolk: Wütend bin ich schon lange: Der VS war für mich das erste Mal während meiner antifaschistischen Politisierung, vielleicht 2003 oder 2002, Thema. Etwas später habe ich mit »Geheime Informanten« ein Buch von Rolf Gössner zu V-Mann-Strukturen gelesen.

Bis heute zeigt sich immer wieder: Der VS hat eine lange rechte bis extrem rechte Kontinuität in der BRD, Hans-Georg Maaßen war also kein Ausrutscher. Während linke Strukturen ausgespäht werden, sind Verstrickungen zum offenen Neonazismus gang und gäbe. Gesamtgesellschaftlich gefährlich ist, dass dem VS dennoch Kompetenz zugesprochen wird: Er schützt, das sagt ja schon sein Name, schließlich die Verfassung. Klar ist jedoch, dass zivilgesellschaftliche Akteur:innen, antifaschistische Gruppen, Rechercheteams, Medien und Archive viel fundierter über Nazis informieren.

antifa: Bei »Im Verborgenen Gutes tun« geht es auch um die Berufsverbote, die sich bald zum 50. Mal jähren. Jüngst machte eine der Betroffenen, Silvia Gingold, die Tochter der Widerstandskämpfer:innen Etty und Peter Gingold, an ihrem eigenen Beispiel eindrucksvoll deutlich, wie verheerend Berufsverbote wirkten und wirken. Wie kann eine antifaschistische Kultur- und Erinnerungspolitik dafür sorgen, dass derlei Unrecht nicht in Vergessenheit gerät?

Foto: Ain Stain

Foto: Ain Stain20.06.2021 Reichenberger Str. 114

Refpolk: Wir müssen darauf hinweisen, dass das Wirken der alten Nazis und ihrer Ideologie nach 1945 nicht endete. Zu meiner antifaschistischen Arbeit gehörte in den letzten Jahren immer wieder das Sprechen und die Begegnung mit Verfolgten und Menschen aus dem antifaschistischen Widerstand, doch es gibt kaum noch Überlebende des NS. Ein wichtiger Ansatz ist also, nach Kontinuitäten zu schauen, dafür gibt es noch Zeitzeug:innen. Natürlich darf dies nicht dazu führen, den Naziverbrechen ihre Singularität abzusprechen, aber den Blickwinkel auch auf zum Beispiel die Betroffenen der Berufsverbote zu lenken und mit ihnen zu sprechen, ist außerordentlich wichtig. Ihnen muss auch Gehör verschafft werden.

antifa: Angestoßen durch mehrere Fälle sexualisierter Gewalt, aber auch sexistische Texte gab und gibt es im Deutschrap seit Wochen eine teils mit krassen Anfeindungen gegenüber den Betroffenen geführte Me-Too-Debatte. Wo siehst du als linker Rapper Ansatzpunkte zum Handeln?

Refpolk: Natürlich verfolge ich die Auseinandersetzungen darum und stelle mir diese Frage auch. Zum einen ist es wichtig, die Initiative »DeutschrapMeToo« konkret zu unterstützen. Sie leistet unglaublich wichtige Arbeit und sieht sich gleichzeitig heftigen Angriffen ausgesetzt. Zum anderen frage ich mich als Cis-Mann, was das alles für mich heißt: Wo verhalte ich mich diskriminierend, übergriffig, dominant und so weiter? Wo unterstütze ich auch ungewollt das patriarchale System? Ein wichtiger Ansatz ist, mit anderen Männern oder Cis-Männern darüber in den Austausch zu treten. Über Unsicherheiten, Ängste und Kritik auch mit anderen Cis-Männern zu sprechen, passiert noch zuwenig. Natürlich gehört dazu, bei Sexismus einzuschreiten und zu fragen, wo sich Flinta*-Personen konkret Unterstützung bei ihren Kämpfen wünschen.

antifa: Du bist in der VVN-BdA aktiv, besingst in deinen Songs die staatlichen Angriffe auf sie. Erinnerst du dich noch, wie du zur VVN-BdA gestoßen bist, und was macht sie für dich aus?

Refpolk: Ich kenne die VVN-BdA schon lange durch die Antifa-Gedenkdemo am 9. November in Berlin, in Erinnerung an die antisemitischen Pogrome 1938. So richtig nah wurde mir die Organisation durch ein Praktikum vor zwölf Jahren. Da habe ich mit anderen das Broschürenprojekt »Fragt uns, wir sind die Letzten« begonnen. Mich hat sehr beeindruckt zu sehen, dass viele ältere Leute antifaschistisch aktiv sind. Das war für mich schon auch eine Erfahrung der besonderen Art, denn mein Opa war in der Wehrmacht, und wenn meine Oma vom deutschen Faschismus erzählte, begann sie mit der Bombardierung Hannovers.

Über die VVN-BdA habe ich Menschen wie Esther Bejarano kennengelernt. Das hat mich sehr beeindruckt und diese Begegnungen waren für mich sehr prägend. Die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft steht für mich also für die VVN-BdA. Der Schwur von Buchenwald fordert die Bekämpfung des Faschismus, aber auch, eine neue, bessere Welt zu schaffen. Dies zusammenzubringen, das macht die VVN-BdA für mich aus.

Refpolk ist ein antifaschistischer Rapper und Aktivist aus Berlin. Seine Musik ist auf klassischen Tonträgern ebenso zu haben wie auf Bandcamp, Streamingdiensten und Youtube. Am 12. September spielt er mit seiner Crew LMF in Berlin auf dem alljährlich von der VVN-BdA veranstalteten Tag der Erinnerung und Mahnung, berlin.vvn-bda.de

Cis-Männer definieren sich nach dem Geschlecht, das ihnen nach ihrer Geburt zugeordnet wurde.

Flinta*-Personen steht für Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nichtbinäre, Transpersonen und A-Gender

Das Gespräch führte Andreas Siegmund-Schultze