Den anderen Menschen nicht zum Fremdling machen

geschrieben von Mathias Wörsching (Berlin)

9. September 2021

Über antifaschistische Geschichtspolitik in der Einwanderungsgesellschaft

Etwa ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands ist nichtdeutscher Herkunft oder hat mindestens ein Elternteil nichtdeutscher Herkunft. Je jünger die Altersgruppe, desto höher der Anteil: In vielen Großstadtvierteln haben mittlerweile die meisten Kinder und Jugendlichen den sogenannten Migrationshintergrund. Unsere VVN-BdA hingegen hat nur wenige Mitglieder, die nicht als deutsch und »weiß« wahrgenommen werden. Also werden wir von vielen Menschen mit Migrationshintergrund wohl zwangsläufig als Teil einer privilegierten »weiß«-deutschen Mehrheitsgesellschaft angesehen – während die VVN-BdA selbst Teil einer oppositionellen, häufig angefeindeten Minderheit ist und immer noch viele Verfolgte des Naziregimes (und erst recht deren Nachkommen) zu ihren Mitgliedern zählt. Wie beeinflusst diese Lage einen Kernbereich unserer Praxis – die Vermittlung des Erbes der Verfolgten und Widerstandskämpfer*innen? Müssen wir unsere historisch-politische Arbeit den heutigen multiethnischen und multikulturellen Bedingungen stärker anpassen? Falls ja – wie kann das gelingen?

Grundvoraussetzungen

Die statistische Kategorie »Menschen mit Migrationshintergrund« fasst Bevölkerungsgruppen zusammen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. So gehören beispielsweise in Deutschland geborene, eingebürgerte Kinder osteuropäischer Eltern ebenso dazu wie unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus Afghanistan. Sehr viele, wenn auch nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund sind in der deutschen Gesellschaft von Rassismus betroffen, doch in sehr unterschiedlichem Maße und auf sehr verschiedene Weise.

Wird die VVN-BdA trotz solcher Bekenntnisse in Communities von Migrant:innen und Geflüchteten als Teil einer privilegierten »weiß«-deutschen Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen, und wie lässt sich unsere politische Arbeit den heutigen multiethnischen und multikulturellen Bedingungen stärker anpassen? Kundgebung im Oktober 2020 vor dem Berliner Abgeordnetenhaus Foto: Christian Ditsch

Wird die VVN-BdA trotz solcher Bekenntnisse in Communities von Migrant:innen und Geflüchteten als Teil einer privilegierten »weiß«-deutschen Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen, und wie lässt sich unsere politische Arbeit den heutigen multiethnischen und multikulturellen Bedingungen stärker anpassen? Kundgebung im Oktober 2020 vor dem Berliner Abgeordnetenhaus
Foto: Christian Ditsch

Menschen mit Migrationshintergrund sind wahrscheinlich weder weniger noch mehr für antifaschistische Geschichtsthemen empfänglich als der gesellschaftliche Durchschnitt. Die Frage ist: Wo liegen spezifische Möglichkeiten, aber auch Hindernisse für eine Ansprache seitens der VVN-BdA? Diese Frage stellt sich von Gruppe zu Gruppe, ja von Individuum zu Individuum jedes Mal neu und anders. Sicher braucht es häufig zuallererst eine grobe Einschätzung, welche Sprachkenntnisse und welche Elemente deutscher Schulbildung vorhanden sind.

Egal ob mit oder ohne »Migrationshintergrund« – wir müssen wohl bei der Mehrheit der Menschen ein fundamentales historisch-politisches Unwissen sowie stark verzerrte und verengte Geschichtsbilder voraussetzen. Auch viele Jugendliche mit nichtdeutschen Eltern oder Großeltern ziehen ihre bruchstückhafte Vorstellung vom Nazismus und vom Zweiten Weltkrieg nicht so sehr aus dem Geschichtsunterricht, geschweige denn aus Fachbüchern, Lehrfilmen oder Ausstellungen. Wirkmächtiger ist die kommerzialisierte Populärkultur mit ihren Kinofilmen, Serien und Computerspielen. Hier werden meist hochgradig stereotype Bilder vermittelt, die kaum jemals frei sind von Faszination für den NS als absolut und abgrundtief Böses mit finsterer Ausstrahlung von Macht, insbesondere militärisch-technologischer Macht.

Das gilt auch für die vielen Hollywood-Filme über Superhelden (und mittlerweile vermehrt Superheldinnen), die zwar antifaschistisch angehaucht sind, doch den Nazismus seines konkreten historischen und politischen Inhalts weitestgehend berauben. Die Bösartigkeit des NS erscheint nur noch als dämonischer Selbstzweck, um das Heldentum und die Superkräfte der Stars erstrahlen zu lassen.

Was bei vielen Migrant_innen und Kindern von Migrant_innen noch neben die populärkulturelle Entleerung und zugleich Dämonisierung des NS treten mag, ist Beziehungslosigkeit. Viele dieser Menschen identifizieren sich nicht oder nicht vorrangig als deutsch, erfahren sie doch häufig Ablehnung von der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Viele haben auch genug eigene Probleme, nämlich in diesem Land anzukommen, sich einzurichten, sich gegen ständige Diskriminierung im Alltag zu behaupten. Das kann eine Haltung der folgenden Art befördern: »Was geht mich die deutsche Geschichte an? Das ist nicht meine, sondern allein eure (der Deutschen) Geschichte!«

Einem Teil der in Deutschland von Rassismus betroffenen Menschen wird die historische Erfahrung mit den Verbrechen des Kolonialismus und der modernen Sklaverei näher sein als die Erfahrung der Nazigräuel. In deutschen antifaschistischen Kreisen wiederum ist leider meistens nur wenig Wissen über den Kolonialismus vorhanden. Lediglich der 1904 bis 1908 von deutschen Truppen verübte Völkermord an Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia) scheint allgemein bekannt. Kaum präsent sind die ungeheuren Verbrechen der anderen, nichtdeutschen Kolonialmächte. Diese Wissensdefizite erschweren wahrscheinlich die Kommunikation mit Menschen, denen die koloniale und postkoloniale Geschichte wichtig ist. Unsere VVN-BdA, die mit Recht so viel zu sagen hat über nazistische Verfolgung und antifaschistischen Widerstand, müsste hier öfter die ihr ungewohnte Rolle des Zuhörens und Lernens annehmen. Es ginge einfach darum, Interesse für andere als die eigenen Geschichten zu entwickeln.

Mögliche Probleme

Bei den meisten Menschen deutscher Herkunft kann eine familiengeschichtliche Verstrickung in den Nazismus angenommen werden. Zwar ist laut einer Studie etwa ein Drittel der heutigen Deutschen der Meinung, ihre Vorfahren hätten NS-Verfolgten geholfen, aber historisch Informierte wissen es besser: Nur eine kleine Minderheit der Deutschen leistete 1933 bis 1945 Hilfe für Verfolgte. Eine weit überwiegende Mehrheit hingegen trug die Terror- und Kriegspolitik der Nazis mit.

Im September 1991 griffen Neonazis und andere RassistInnen in der sächsischen Stadt Hoyerswerda Unterkünfte von Geflüchteten und sogenannten Vertragsarbeiter:innen an. In zahlreichen anderen deutschen Städten kam es in den folgenden Monaten ebenfalls zu pogromähnlichen Angriffen, die sich ebenso in naher Zukunft zum 30. Mal jähren. Das Bild zeigt das »Sonnenblumenhaus« im Rostocker Ortsteil Lichtenhagen, wo der Mob im August 1992 wütete. In Folge dieses Ausbruchs rassistischer Gewalt setzte die damalige Regierungs-koalition aus CDU/CSU und FDP mit Unterstützung der SPD im Bundestag im Mai 1993 die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl durch Foto: wikimedia commons

Im September 1991 griffen Neonazis und andere RassistInnen in der sächsischen Stadt Hoyerswerda Unterkünfte von Geflüchteten und sogenannten Vertragsarbeiter:innen an. In zahlreichen anderen deutschen Städten kam es in den folgenden Monaten ebenfalls zu pogromähnlichen Angriffen, die sich ebenso in naher Zukunft zum 30. Mal jähren. Das Bild zeigt das »Sonnenblumenhaus« im Rostocker Ortsteil Lichtenhagen, wo der Mob im August 1992 wütete. In Folge dieses Ausbruchs rassistischer Gewalt setzte die damalige Regierungs-koalition aus CDU/CSU und FDP mit Unterstützung der SPD im Bundestag im Mai 1993 die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl durch
Foto: wikimedia commonsMy beautiful picture

Bei Menschen nichtdeutscher Herkunft oder mit nichtdeutschen Elternteilen gibt es diese direkte familiäre NS-Verstrickung normalerweise nicht. Doch in nahezu allen Ländern Europas agierten zwischen 1918 und 1945 mehr oder weniger starke faschistische oder profaschistische Kräfte. Uns können in der historisch-politischen Arbeit durchaus Leute begegnen, die in ihrer kroatischen, italienischen oder spanischen Familiengeschichte eine Ustascha-, Schwarzhemden- oder Falange-Tradition haben.

In einigen von Großbritannien und Frankreich kolonialisierten Ländern Nordafrikas und Asiens gab es in den 1930er und 40er Jahren starke antibritisch und antifranzösisch motivierte Sympathien mit -Nazideutschland und einen regen Import von Naziideologie, vor allem von Antisemitismus. Auch dies kann Haltungen junger Menschen mit Migrationshintergrund beeinflussen und offen oder verdeckt ein Problem in der historisch-politischen Arbeit darstellen.

Beim Faschismus handelt es sich generell um ein internationales, ja interkontinentales Phänomen, und er kann daher auch in migrantischen -Milieus auftreten. Am bekanntesten hierzulande ist der türkische Faschismus der »Grauen Wölfe« (»Idealisten-/Ülkücüler«-Bewegung, Nationalistische Bewegungspartei/MHP).

Abgesehen von rechtsextremen Bewegungen in bestimmten migrantischen Milieus gibt es riesige unaufgearbeitete historische Komplexe, die mitschwingen können, wenn wir als VVN-BdA mit Migrant*innen oder Kindern von Migrant*innen ins Gespräch kommen. So sind in den Gesellschaften Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas der Rassismus gegen Roma und der Antisemitismus vielfach historisch eingewurzelt. Kulturell-religiös tradierte Formen des Antisemitismus gibt es auch in islamisch geprägten Gesellschaften. Während Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft weitgehend mit Sprechverbot belegt ist und über Umwege, über Chiffren und Platzhalter kommuniziert wird, drücken ihn manche Menschen mit Migrationshintergrund unverblümt aus. Das kann im Einzelfall schockieren.

Ich erinnere mich noch gut, wie ich vor vielen Jahren mit einer Gruppe Berliner Oberschüler_innen bei einem Projekttag zu tun hatte und aus allen Wolken fiel, als ein Schüler aus der Ukraine äußerte, die Juden seien doch ein schlaues Völkchen, und er würde sie immer erkennen, wenn er eine*n von ihnen sähe. Mein Hinweis, dass ihm an diesem Projekttag schon einige jüdische Menschen begegnet waren, erstaunte ihn: Er hatte diese Menschen natürlich nicht als jüdisch erkannt.

Im Falle des vom NSU verübten Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 wurden Betroffene aufgrund rassistischer Ermittlungen zu Verdächtigen und das rechte Tatmotiv durch Behörden und Medien verschleiert. Als 2011 im Zuge der Selbstenttarnung des NSU mehr über die wahren Hintergründe des Terrors bekannt wurde, kam dies für viele Kiezbewohner:innen der Keupstraße alles andere als überraschend. Innerhalb antifaschistischer Gruppen, die nicht ohne Grund vorwiegend als deutsch und »weiß« wahrgenommen werden, fehlte es zumeist auch an Zugängen zu derlei Perspektiven, um gemeinsam der rassistischen Stigmatisierung entgegenzutreten  Foto: keupstrasse-ist-ueberall.de

Im Falle des vom NSU verübten Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 wurden Betroffene aufgrund rassistischer Ermittlungen zu Verdächtigen und das rechte Tatmotiv durch Behörden und Medien verschleiert. Als 2011 im Zuge der Selbstenttarnung des NSU mehr über die wahren Hintergründe des Terrors bekannt wurde, kam dies für viele Kiezbewohner:innen der Keupstraße alles andere als überraschend. Innerhalb antifaschistischer Gruppen, die nicht ohne Grund vorwiegend als deutsch und »weiß« wahrgenommen werden, fehlte es zumeist auch an Zugängen zu derlei Perspektiven, um gemeinsam der rassistischen Stigmatisierung entgegenzutreten
Foto: keupstrasse-ist-ueberall.de

Während wir Antifaschist*innen das antijüdische und gegen Sinti und Roma gerichtete Repertoire meistens kennen, stoßen wir im außereuropäischen Kontext auch auf unvertraute Formen von Menschenfeindlichkeit. Zu nennen wäre hier der mit wohlwollender Duldung des Deutschen Reichs und aktiver Mitwirkung kurdischer Milizen verübte Massenmord an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich (vor allem 1915/16). Die bloße Feststellung dieser historischen Tatsache ist in türkisch-nationalistischen und türkisch-islamistischen Milieus mit einem Bannfluch belegt. Aber ähnlich tabuisiert und abgewehrt wird auch die Erinnerung an die gewaltsame Vertreibung der Hunderttausende Menschen zählenden traditionsreichen jüdischen Minderheiten aus nordafrikanischen und westasiatischen Ländern nach 1948 oder an die über tausendjährige blutige Geschichte des arabischen Sklavenhandels im subsaharischen Afrika.

Junge Menschen mit nichtdeutschen Eltern sind keine geschichtslosen weißen Blätter, die nur darauf warten, dass die VVN-BdA ihre antifaschistische Geschichtserzählung auf sie schreibt. Sondern ebenso wie Jugendliche aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft bringen sie höchst vielfältige kollektive und individuelle Prägungen mit – und in manchen Fällen eben auch problematische Haltungen. Antifaschistische Bildungsarbeit darf sich auch dazu positionieren und damit umgehen. Wir Antifaschist*innen haben uns immer als mündige Bürger*innen der »einen Welt« verstanden und sollten uns nicht in nationale Selbstbezüglichkeit zurückziehen.

Mögliche Brücken

Der Faschismus ist ein internationales, ja globales Phänomen, und gleiches gilt auch für den Antifaschismus. Extrem rechte Formationen und Regimes gab und gibt es vielerorts auf der Erde, ebenso wie Widerstand gegen sie, und hier können für die VVN-BdA Anknüpfungspunkte insbesondere zu Migrant_innen aus linken und demokratisch-säkularen Milieus liegen.

Die VVN-BdA beteiligt sich seit Jahrzehnten an antirassistischen Kämpfen und wird dies auch weiterhin tun. Hier besteht die Chance, aktive Menschen aus migrantischen Selbstorganisationen und antirassistischen Initiativen kennenzulernen sowie die Zusammenarbeit mit ihnen zu entwickeln. Gute Bündnisarbeit mit langem Atem führt auch hier, wie immer, zu gegenseitiger Wertschätzung und dazu, dass Vertreter*innen der VVN-BdA eingeladen werden, um über das antifaschistische Erbe und seine aktuellen politischen Konsequenzen zu sprechen.

Häufig wird in der historisch-politischen Bildungsarbeit versucht, Zugänge über die Erfahrungs- und Gefühlsebene herzustellen. Die VVN-BdA ist eine sehr »weiß«-deutsche Organisation, aber als Konsequenz unserer Geschichte ist uns die Erfahrung von Verfolgung, Flucht, Exil, Diktatur, Krieg und Massenmord näher als den meisten Deutschen. Das kann uns Zugänge zu Menschen mit Migrations- und Rassismuserfahrung ermöglichen.

Doch Vorsicht! Einfühlungsvermögen ist gefragt. Das Sprechen über Formen massiver Gewalt kann zum Beispiel bei Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung geflohen sind oder anderweitig (zum Beispiel auf den Migrationsrouten) Verletzungen erlitten haben, auch Retraumatisierung, Blockaden und Abwehr auslösen.

Dimitrij Liebermann, der Sohn russischer Einwanderer und Schüler an einem Gymnasium, ist Jude und Hauptdarsteller im mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm »Masel Tov Cocktail«. Ein gelungener Beitrag, der auch einiges an Aufklärung über Antisemitismus in Deutschland in all seinen Facetten bereithält  Foto: IMDb

Dimitrij Liebermann, der Sohn russischer Einwanderer und Schüler an einem Gymnasium, ist Jude und Hauptdarsteller im mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm »Masel Tov Cocktail«. Ein gelungener Beitrag, der auch einiges an Aufklärung über Antisemitismus in Deutschland in all seinen Facetten bereithält
Foto: IMDb

Ein anderer Weg, gemeinsame Erfahrungen anzusprechen, führt über lokale, konkrete Bezugspunkte. Wir alle in dieser Gesellschaft, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, teilen öffentliche Räume (Straßen und Plätze) sowie öffentliche Gebäude. Wir als VVN-BdA können ein gewisses Grund- und Anfangsinteresse erhoffen, wenn wir auf einfache und verständliche Weise die Erinnerung an Naziverbrechen wie an Widerstandshandlungen mit sichtbaren Zeichen wie Orten, Gebäuden, den Namen von Straßen, Plätzen und Schulen, mit Gedenktafeln und anderen Mahn- und Denkmalen verbinden. Bei dieser Art von Geschichtspolitik geht es weniger um Faktenreichtum als um fassbare Bezugspunkte, schlüssig und bewegend erzählte Geschichten sowie klare Werte- und Handlungsorientierung. Als Brückenbauer*innen in migrantische Milieus hinein könnten wir vielleicht einige der immer zahlreicher werdenden demokratischen Kommunalpolitiker*innen mit Migrationshintergrund ansprechen, bei denen wir zumindest in einigen Fällen auf Sympathie für unser Anliegen rechnen können – schon von Amts wegen und aus politischem Profilierungsinteresse.

In der kommunalen, an Gedenkorte gebundenen Erinnerungsarbeit kann die VVN-BdA wirklich Trümpfe ausspielen, denn auch wenn unser Gedenken häufig stark ritualisiert daherkommt, so ist es doch konkret und lokal verankert. Wir stellen eine lebendige Traditionslinie zu den Verfolgten und Widerständigen dar. Unser Gedenken kommt aus ohne abstrakten Moralismus, staatsbürgerliches Pathos und patriotischen Aufarbeitungsstolz – dafür nehmen wir die politische Aktualisierung vor, indem wir auf heutige Gefahren von Faschismus und Krieg hinweisen und die nötigen praktischen Konsequenzen einfordern.

Praktische Vorschläge

Die VVN-BdA hat Hunderte Mitglieder, die bereits seit langem Geschichts- und Bildungsarbeit in der Migrationsgesellschaft leisten. Es gilt für uns zunächst, diesen Erfahrungsschatz zu heben und auszuwerten. Dafür könnte eine Online-Tagung sinnvoll sein.

Auch außerhalb des Dunstkreises der VVN-BdA arbeiten Dutzende große und kleine Nichtregierungsorganisationen, häufig mit öffentlichen -Geldern gefördert, in der historisch-politischen Bildung mit Menschen, die in Deutschland von Rassismus betroffen sind (eine kleine, keineswegs repräsentative Auswahl befindet sich in der Marginalie auf Seite 18). Häufig wird diese Arbeit von Fachleuten mit eigener Rassismus- und Migrationserfahrung mitgestaltet, bestehen Kooperationen mit migrantischen Selbstorganisationen sowie mit muslimischen, jüdischen und anderen religiös oder ethnisch definierten Strukturen.

In diesem Arbeitsfeld und in dieser Projektlandschaft gibt es sicher nicht wenige Personen, die auch Mitglieder der VVN-BdA sind, aber als Verband VVN-BdA sind wir hier (zumindest in Berlin) eher Neulinge und Außenseiter. Wir sollten zunächst Kontakte knüpfen, zuhören und lernen.

Eingeflossen sind in diesen Beitrag viele Anregungen aus der Vorbereitung und Durchführung der Arbeitsgruppe »Unser Erbe ohne die Überlebenden. Gedenkarbeit in der Migrationsgesellschaft.« beim Bundeskongress der VVN-BdA (24. April 2021). Ich danke Dieter Bahndorf, Regina Girod, Ulrich Schneider, Thomas Willms sowie allen Teilnehmenden der Arbeitsgruppe!

Kleine Auswahl von Projekten und Initiativen, die demokratische, an den Menschenrechten orientierte Bildungsarbeit zu historisch-politischen Themen für die Einwanderungsgesellschaft leisten:
BildungsBausteine e. V.: http://www.bildungsbausteine.org
Bildungsstätte Anne Frank: https://www.bs-anne-frank.de/
Bildungsteam Berlin-Brandenburg: https://bildungsteam.de/
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: https://www.kiga-berlin.org/
Miphgasch/Begegnung e. V.: https://www.miphgasch.de/